Steuerreform schaffe Jobs für Frauen: Expert:innen für „Realsplitting“
Die aktuellen Gesetze zu Ehegattensplitting und Minijobs benachteiligen Frauen, zeigt eine neue Studie. Vor allem für Mütter lohne ein „substanzieller Job“ derzeit oft nicht.
Für viele Frauen und vor allem Mütter lohne sich derzeit die Aufnahme einer „substanziellen Beschäftigung“ nicht. Aktuell seien diese auf dem Arbeitsmarkt durch die Kombination aus Ehegattensplitting und den steuer- und abgabenfreien 450-Euro-Jobs benachteiligt, kritisierte die Arbeitsmarkt-Expertin der Stiftung, Manuela Barisic. Aktuell haben von 7,6 Millionen Ehefrauen zwischen 25 und 60 Jahren den Angaben zufolge etwa drei Viertel – rund sechs Millionen Frauen – ein geringeres Einkommen als ihr Partner.
Für diese Zweitverdienerinnen setze das Steuer- und Sozialversicherungssystem falsche Anreize. Sie müssten Einkommensteuer über dem üblichen Eingangssteuersatz von 14 Prozent zahlen. Grund sei das Ehegattensplitting, bei dem ein Ehepaar gemeinsam veranlagt wird. Das führe dazu, dass eine Zweitverdienerin in der Regel demselben Steuersatz unterliege wie der Erstverdiener.
Die Stiftung schlägt daher ein „Realsplitting“ vor, bei dem beide Eheleute separat veranlagt werden. Der oft besser verdienende Ehemann dürfte einen Betrag in Höhe von 13.805 Euro – er orientiere sich an rechtlichen Vorgaben etwa zu Unterhaltspflichten und Scheidungsrecht – auf die Partnerin übertragen. Damit lasse sich die Steuerlast für die Zweitverdienerin abbauen, erläuterte die Expertin.
Zudem sollten Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt werden, indem vom ersten Euro an Abgaben gezahlt würden. Wichtig hier: Der Beitragssatz wäre zunächst sehr gering, würde langsam ansteigen – und erst bei 1.800 Euro wäre volle Sozialversicherungspflicht erreicht. Es gehe nicht um eine Abschaffung von Minijobs, stellte Barisic klar. In der Pandemie habe sich aber noch einmal deutlich gezeigt, dass Minijobs in der derzeitigen Form „die großen Verlierer“ waren.
Mit der Kombireform werde für Zweitverdienerinnen eine Arbeit in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung attraktiver. Denn bisher entscheiden sich viele Zweitverdienerinnen für den Minijob, weil sich ein anderer wegen der Steuerlast nicht lohne, schilderte Barisic. Das bisherige Ehegattensplitting rechnet sich vor allem für Paare, bei denen einer viel und der andere deutlich weniger verdient. Aber: „Arbeit muss sich für alle lohnen, insbesondere für Frauen und Mütter.“ Laut Stiftung würde die angestrebte Änderung insgesamt die unteren 40 Prozent der Einkommen entlasten.
Die Reform könne ein wichtiger Schritt zu mehr Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt sein. „Es muss uns gelingen, Frauen und Mütter aus der Zweitverdienerinnenfalle zu befreien“, betonte Barisic. Es sei zu hoffen, dass eine neue Bundesregierung das Thema in den Vordergrund rücke. Für den Staat würde eine Umsetzung der Vorschläge keine zusätzlichen Kosten verursachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!