Sterbende Solarwirtschaft in Sachsen: Große Weltpolitik, kleines Freiberg
Das Solarwerk im sächsischen Freiberg steht still, weil die Subventionen ausbleiben. Wie ist die Stimmung in der Stadt?
Schichtwechsel: Nur wenige Mitarbeiter:innen verlassen das Werk des Unternehmens Meyer Burger in Freiberg und wenige lösen sie ab. Obwohl eigentlich rund 500 Menschen für den Schweizer Solarkonzern in der sächsischen Kreisstadt arbeiten und die Solarbranche boomt, ist kaum etwas los. Seit Dienstag steht die Produktion still. Die größte Fabrik in Europa zur Herstellung von Solarmodulen soll im April schließen – nach nicht einmal drei Jahren.
Über Freiberg scheint an diesem Mittwoch kräftig die Sonne. Vor der hellgrauen Solarmodulfabrik begrüßen sich zwei Mitarbeiter per Handschlag. „Bei mir steht nun Urlaub an, dann Überstunden abbauen und dann Kurzarbeit“, erzählt der eine.
Laut Meyer Burger ist der Markt derzeit nicht rentabel. Mit „Überproduktion und Dumpingpreisen“ drängten chinesische Firmen, unterstützt von ihrer Regierung, die Konkurrenz ins Aus, sagt Geschäftsführer Gunter Erfurt.
Deutschlandweit berichteten Medien, wie er die Bundesregierung unter Druck setzte: Die Solarwirtschaft in Europa brauche Subventionen im Preiskampf mit China, oder Meyer Burger werde die Produktion in Freiberg einstellen und sich stattdessen auf die USA konzentrieren. Dort winkten mit dem Inflation Reduction Act wohlwollende Umstände.
Doch bisher blieben die Subventionen aus. Dabei schwächelt nicht nur Meyer Burger sondern die ganze Solarindustrie in Deutschland. Wenn sie eingeht, droht erneut eine energiepolitische Abhängigkeit – dieses Mal von China. Und wie reagiert der Westen dann, sollte China Taiwan angreifen? So spielt die große Weltpolitik indirekt eine Rolle im kleinen Freiberg. Was macht es mit der Stadt, wenn 500 Arbeitsplätze wegbrechen? Und wie geht es den Angestellten in Freiberg mit diesem Plan?
Das Know-how verschwindet
Die Mitarbeiter:innen äußern sich derzeit nur ungern öffentlich. Alle, die die taz fragt, wollen nicht über die Stimmung im Betrieb berichten. Aber es wird deutlich, dass sie verunsichert darüber sind, wie es weitergeht. Gegenüber dem MDR erzählte der Angestellte Maik Schulze am Dienstag: „Im nächsten Monat beginnt die Kurzarbeit. Entsprechend ist da viel Unsicherheit und ziemlich viel Angst bei den Mitarbeitern.“
Johannes Brink, für die Grünen im Stadtrat, weist darauf hin, dass die Beschäftigten bei Meyer Burger keinen Betriebsrat haben, der für sie spräche. „Deshalb muss man darauf achten, wie mit den Beschäftigten umgegangen wird“, sagt der 30-Jährige. Er habe Anfang März mit zwei Angestellten gesprochen, die gerade Änderungskündigungen bekommen hatten. „Diese überlegten schon, ob sie sich woanders bewerben.“
Da sind sie als Fachkräfte aktuell in einer guten Position. Fabriken, die sich freuen würden, gibt es auch in Freiberg. Doch wenn Meyer Burger wirklich dicht macht, würden die Steuereinnahmen der Universitätsstadt mit ihren rund 40.000 Einwohner:innen sinken. Kurz nach der Ankündigung Meyer Burgers im Januar verhängte Oberbürgermeister Sven Krüger (parteilos) bereits eine Haushaltssperre.
Ist Meyer Burger Thema in der Stadt? Eine kurze Straßenumfrage: Am Obermarkt vor dem Rathaus erzählt eine Frau mit grauen Haaren und Sonnenbrille, sie kenne Angestellte und die seien sehr traurig. Ein Mann in grüner Jacke ist hingegen selbst traurig, weil „die Arbeitsplätze und das Know-how verschwinden“. Etwas gehetzt sagt eine andere Freibergerin mit Handtasche: „Das scheint ja von der Politik gewollt zu sein, sonst hätte sie mehr gemacht.“
Zeichen für gescheiterte Energietransformation?
In Freiberg entstand schon kurz nach der Wende ein Solarwerk, das immer weiter ausgebaut wurde. Bis der einst größte Solarhersteller Deutschlands, Solarworld, 2018 wegen Insolvenz die Produktion einstellte. Trotzdem versuchte es ein paar Jahre später Meyer Burger in Freiberg erneut, und eröffnete im Mai 2021 wieder die Solarmodulproduktion in der Stadt. Nun geht es wohl ein zweites Mal bergab, sagt Jana Pinka. Die linke Stadträtin sitzt vor einem Café in der Innenstadt.
Im Stadtparlament sei Meyer Burger allerdings nur einmal Thema gewesen, erzählt sie. Die größte Fraktion, die AfD, konzentriere sich öfter auf Bundesthemen, statt auf die Stadt. Auch die direkt gewählte Abgeordnete des Bundestags, Carolin Bachmann (AfD), äußert sich wenig zu Meyer Burger und wenn, dann nennt sie die geplante Schließung ein Zeichen für die gescheiterte Energietransformation.
Deadline 30. April
Dirk Neubauer (parteilos) sieht in solchen Erzählungen ein Problem. Er ist Landrat in Mittelsachsen, zu dem auch Freiberg gehört, und hat sich in Berlin für Meyer Burger eingesetzt. Neubauer ist Fan von transformativer Technik und berichtet stolz von seinem Elektroauto.
Was ihn hingegen ärgert: Wenn der Standort schlecht geredet werde. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu einem innovationsfeindlichen Landstrich werden.“ Das kritisiert er nicht nur bei der AfD, sondern auch bei der Landesregierung von Michael Kretschmer (CDU). Neubauer redet schnell und findet harte Worte. „Was Sie anpacken, wird bekämpft, wenn es nach Veränderung riecht.“
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Derzeit versuche er, Meyer Burger in Freiberg ohne fremde Hilfe zu retten. Sein Plan: mit Partner:innen für 700 Millionen Euro Solarmodule im Kreis bauen. „Das würde den Standort hier bewahren. Ich weiß aber nicht, ob wir zu spät dran sind.“ Die Kommunen könnten von den Solaranlagen finanziell profitieren, glaubt er.
Profit bräuchte auch Meyer Burger. Am Donnerstag teilte das Unternehmen mit, im vergangenen Jahr 300 Millionen Euro Verlust eingefahren zu haben. Doch trotz Produktionsstopp: Einen Spalt breit lässt das Unternehmen die Tür noch offen. Endgültig Schluss sei in Freiberg nur, wenn die Politik bis zum 30. April nicht umsteuere. Die Mitarbeiter:innen können also weiter hoffen.
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