piwik no script img

Stellenabbau in den Medien„Die Geduld ist am Ende“

In den Medien jagt gerade eine Sparrunde die nächste. Dagegen wehrt sich Verdi, sagt die Gewerk­schafts­se­kre­tärin Kathlen Eggerling.

Warnstreik beim RBB im Januar Foto: Christian von Polentz
Caspar Shaller
Interview von Caspar Shaller

taz: In den vergangenen Wochen haben eine Reihe von Medienbetrieben Sparrunden und Entlassungswellen angekündigt, darunter RBB, SWR, Deutsche Welle, Springer, ­Gruner+Jahr und ProSiebenSat1. Was ist da los, Frau Eggerling?

Kathlen Eggerling: Jetzt wird Digital First gnadenlos vorangetrieben. Sonst ist es kaum nachvollziehbar, warum jetzt mit aller Gewalt und um den Preis riesigen Stellenabbaus diese Sparrunden durchgedrückt werden. Die Voraussetzungen sind ja sehr unterschiedlich, ob ÖRR oder privates Unternehmen. Warum machen alle gleichzeitig diesen Schritt? Das scheint wie verabredet. Das eine Steinchen fällt und reißt alle anderen mit in den Abgrund.

Verdi hat vor allem den angekündigten Stellenabbau bei der Deutschen Welle kritisiert. Der Personalrat kritisiert in einem offenen Brief den Intendanten Peter Limbourg. Was werfen Sie dem Sender vor?

Die Deutsche Welle hatte in den letzten Jahren immer einen Zuwachs an Mitteln. Im Koalitionsvertrag ist zugesichert, DW weiter zu fördern. Warum dann plötzlich dieser Abbau? Das ist vorauseilender Gehorsam. Die Belegschaft wirft dem Intendanten vor, ohne Not zu sparen und andere Maßnahmen nicht ausreichend zu prüfen. Dazu ist es in den letzten Jahren zu einer unglaublichen Arbeitsverdichtung gekommen. Alles muss gleichzeitig gemacht werden: linear und digital. Das ist auch der Vorwurf der Sportkollegen. Sie haben all ihre Vorgaben erfüllt – und jetzt werden sie abgebaut.

Im Interview: Kathlen Eggerling

ist ver.di-Gewerkschaftssekretärin für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfund Berlin-Brandenburg.

Die Sportredaktion wird fast vollständig eingestellt …

… das Budget wird um drei Viertel zusammengestrichen. Die Einschätzung der Mitarbeitenden ist, dass man so die Expertise der Abteilung nicht halten kann. Man wird mit so wenig Mitteln wohl kaum mehr Programm machen können. Das ist die komplette Zerstörung.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele Kolleginnen aus Ländern außerhalb Europas kommen. Ihre Aufenthaltsgenehmigung hängt vielfach an ihrem Arbeitsverhältnis. Wenn sie ihre Stelle verlieren, laufen sie Gefahr, in ihre Heimatländer zurückkehren zu müssen. Das kann in manchen Fällen ein Problem werden, für Journalisten, die in Ländern zurückkehren müssten, wo man Journalisten nicht wohlgesonnen ist. Limbourg hat da eine Verantwortung seinen Angestellten gegenüber.

Die Sparrunden werden vor allem freie Mitarbeiter treffen, nicht Angestellte.

Das Pervertierte und das Ungerechte an diesem System ist, dass der Rundfunk angewiesen ist auf die freie Mitarbeit. Es wird auch immer offen gesagt: Die Sparmaßnahmen werden die Freien treffen, weil das am einfachsten ist. Dieses Manko versuchen wir beim RBB durch einen Tarifvertrag mit Bestandsschutz für Freie abzumildern. Wir wollen dadurch Beschäftigungssicherung erreichen, damit sich so was wie bei der Deutschen Welle nicht wiederholen kann.

Auch der RBB hat angekündigt, 100 Stellen zu streichen. Wie ist da die Stimmung?

Die Leute sind sehr sauer. Es kann nicht sein, dass wir ausbaden müssen, was die alte Leitung des RBB verursacht hat, diese ganze Geldverschwendung, die überteuerten Gehälter, Ruhegelder. Gleichzeitig stecken wir seit Ende letzten Jahres in Tarifverhandlungen fest. Bei den anderen Öffentlich-Rechtlichen gab es leider nur sehr mäßige Tarifergebnisse. Sie haben sich am Tarifergebnis des öffentlichen Dienstes der Länder orientiert, das waren nur 2,8 Prozent. Das ist nicht mal Inflationsausgleich. Da konnten wir auch mit Streikmaßnahmen nicht mehr erreichen. Aber was der RBB uns anbietet, liegt da noch weit darunter. Sie haben zwar eine Einmalzahlung angeboten, aber wir wollen etwas Nachhaltiges erreichen, etwas, das nicht gleich verpufft. Da müssen wir mehr Druck machen.

Wie?

Am liebsten mit dem klassischen Mittel des Streiks. Es gab beim RBB bisher einen Streiktag, aber da müssen noch mehr folgen. Und viele sind kämpferisch. Auch die freien Kollegen sind mittlerweile streik- und aktionserprobt. Wir wurden jetzt schon oft um Geduld gebeten und die ist auch irgendwann am Ende.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ein Gesundschrumpfen in der Medienlandschaft ist notwendig. Auch unterhalb der Führungsebene. Und das freie Mitarbeiter zuerst gehen müssen bevor es an den festen Mitarbeiterstamm geht ist ja wohl selbstverständlich.

  • 'Digital first' - in allen Medien gilt diese Strategie. Medieninhalte werden zunehmend digital genutzt, Auflagen und Einschaltquoten sinken. Klassische Printmedien reduzieren ihre Auflage zugunsten teurer Online-Strategien. Beispiel Stuttgart: Hier wird gerade die Großdruckerei der Stuttgarter Zeitung/Nachrichten dicht gemacht. Anvisierter Effekt: Die Beschäftigten in der neuen Druckerei verlieren ihren Tarifvschutz. Aktuell zerschlägt Bertelsmann/RTL Gruner&Jahr und verkloppt die Print-Magazine. Die ProSieben Gruppe steuert sinkenden Werbeeinahmen im Linear-TV mit Online Plattformen entgegen. Es geht also viel mehr als nur um Gebührenverschwednung durch ARD und ZDF. Unser Mediensystem befindet sich im einem fundamentalen Wandel. Jüngere nutzen Medien Mobil, dagegen altert das Publikum im linearen Print- und Rundfunksektor.



    Sparen heißt die Devise überall: Seit Jahren nimmt die Arbeitsverdichtung zu. Künftig will etwa der Südwestrundfunk die aktuellen TV-Berichte zu 60% durch Ein-Personen-Teams produzieren lassen. Bisher wurden ein Journalist, gemeinsam mit Kamera und Ton-Assistenten dafür losgeschickt. Jetzt macht Er/Sie das alleine per Handy und pri#oduziert den Film alleine sendefertig. Dazu komme eventuell noch ein Radio-, Internet- und Podcastbeitrag. Das kostete journalistische Qualität und fördert Programm-Tralala. Der Druck wirkt sich auch auf die freien Produktionsfirmen aus, Stichwort: Preis-Dumping.



    Fazit: Das hysterische Bashing der zu hoch bezahlten Nomenaklatur bei ARD/ZDF lenkt vom wirklichen Problem unserer Medienentwicklung ab: Der verfassungsrechtlich gesicherte Auftrag der Medien, uns BürgerInnen vielfältigen Informationen, Meinungen, Darstellungsformen zu liefern, wird Rendite und Sparzwang geopfert.

    • @Philippe Ressing:

      " Das hysterische Bashing der zu hoch bezahlten Nomenaklatur bei ARD/ZDF lenkt vom wirklichen Problem unserer Medienentwicklung ab: Der verfassungsrechtlich gesicherte Auftrag der Medien, uns BürgerInnen vielfältigen Informationen, Meinungen, Darstellungsformen zu liefern, wird Rendite und Sparzwang geopfert."

      An diesem Zustand ist der Ö/R doch selbst schuld...weil er sich auf die oben genannten Aufträge nicht mehr hinreichend konzentriert sondern lieber substanzloses Tralala produziert oder für horrende Summen irgendwelche Übertragungsrechte einkauft.

      Und wenns um die Verlagslandschaften geht....tja, die Digitalisierung schreitet voran. Medien auf Papier werden auf Kurz oder Lang gerade bei Zeitungen und Zeitschriften verschwinden. Das damit auch Arbeitsplätze verlorengehen...shit happens.

  • Nun, das Gesundschrumpfen der ÖRR ist überfällig. Man darf auch mal fragen, warum ein Intendant - und nicht nur der - mehr verdient als z.B. ein Behördenleiter oder der Bundeskanzler. Letztendlich werden beim ÖRR lediglich Gelder vergleichbar Steuergeldern ausgegeben, also warum erhalten diese Leute mehr Geld als ein vergleichbarer Behördenleiter? Das es zuerst die freien Mitarbeiter trifft ist hart, allerdings auch vorhersehbar. Ich persönlich habe allerdings auch keine Lust mehr für überbezahlte Intendanten, eine mehrfach redundante Organisation, ein Unterhaltungsprogramm mit z.T. unfassbar öden Serien oder die Sportberichte des ÖRR, z.B. Fußball, Geld zu bezahlen. Meine Interessen liegen woanders und wenn sie dort lägen, könnten sie woanders besser bedient werden. Willkommen in der digitalen Realität!