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Steigende Preise in DeutschlandÜbertriebene Inflationsangst

Die Teuerungsrate in Deutschland ist so hoch wie seit zwei Jahren nicht. Von einer hohen Inflation kann dennoch keine Rede sein.

Erdbeeren aus dem Rheingau sind so teuer wie lange nicht Foto: Andreas Arnold/dpa

Berlin taz | Ein Gespenst geht mal wieder um – das der Inflation. Und tatsächlich ist die Teuerungsrate in Deutschland derzeit so hoch wie seit zwei Jahren nicht. Sie stieg im April auf 2,0 Prozent.

Am Montag folgte dann auch noch diese Meldung: Das Statistische Bundesamt teilte mit, dass die Preise für pflanzliche Erzeugnisse sich im März um 13,9 Prozent zum Vorjahresmonat erhöht haben. Einer der größten Preistreiber sei Getreide, das 25,2 Prozent teurer wurde. Aber auch Gemüse verteuerte sich um 13,9 Prozent, bei Salat lag das Plus gar bei rund 30 Prozent, Obst verteuerte sich um 28,9 Prozent.

Dabei handelt es sich zwar zunächst einmal um Erzeugerpreise. Was an Erhöhung tatsächlich beim Verbraucher ankommt, ist also noch nicht ausgemacht. Doch wer in diesen Tagen auf dem Markt war, dem oder der dürften die hohen Preise für Erdbeeren, Nektarinen und Spargel aufgefallen sein. „Einen ähnlich starken Anstieg hatte es zuletzt vor zehn Jahren gegeben“, bestätigt das Statistikamt.

Ein Grund für die höheren Preise sind sicherlich die Witterungsverhältnisse. Der April und auch die erste Hälfte des Mai waren so kalt wie seit Jahrzehnten nicht. Ein weiterer Auslöser für die Anstieg ist nach Angaben der Statistiker auch auf „ein knappes Angebot und eine vermutlich durch Corona bedingte hohe Nachfrage zurückzuführen“. In einigen Regionen wie etwa derzeit in Indien hat die Pandemie erst in diesen Tagen ihren Höhepunkt erreicht. In den USA liegt die Inflation bereits bei 4,2 Prozent.

Bundesbankchef Jens Weidmann rechnet auch für Deutschland in der zweiten Hälfte mit einer Teuerungsrate von drei Prozent oder mehr. Schon gibt es Stimmen, die vor einer davongaloppierenden Inflation warnen. Ist diese Angst berechtigt?

Nur Ausgleich

Mitnichten. EZB-Direktionsmitglied Isabel Schnabel warnt im Deutschlandfunk davor, „diese kurzfristige Entwicklung“ zu verwechseln „mit einem anhaltenden Anstieg der Inflation“. Und in der Tat: Dass die Rate mit zwei Prozent derzeit vergleichsweise hoch ist, hängt damit zusammen, dass die Inflationsrate in den zurückliegenden zwei Jahren extrem niedrig war. Im vergangenen Jahr lag sie gerade einmal bei einem halben Prozent.

Hinzu kommen einige Sondereffekte, wie die Senkung der Mehrwertsteuer im vergangenen Jahr von 7 auf 5 Prozent und die Rücknahme davon zum Jahreswechsel. Kein Wunder also, dass viele Waren jetzt im Jahresvergleich teurer geworden sind. Dafür waren sie aber im vergangenen Jahr entsprechend billiger.

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15 Kommentare

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  • Die aktuelle Inflation ist wohl noch kein Grund zur ernsthaften Sorge.

    Entscheidend ist aber wie es weitergeht.



    Um die Corona folgen und andere politsche Maßnahmen zu finanzieren hat die EZB bereits jede Hemmung abgelegt.



    Es werden permanent X Milliarden Euro aus den Nichts "geschöpft" und die Staaten werden abhängig davon wie der Junkie von der Nadel.

    Es besteht durchaus die reale Gefahr dass eines Tages die Menschen das Vertrauen in die Währung verlieren und das Geld als das Erkennen was es ist:



    nur bunt bedrucktes Papier.

  • Die Teuerungsrate von 2% ist eine Durchschnittsangabe. Bestimmte Produkte - gerade im Lebensmittelbereich - steigen um 10% und mehr. Nicht zu vergessen, dass die Hersteller Mogelpackungen machen, indem sie weniger Inhalt zum gleichen Preis verkaufen.

  • "Ein Gespenst geht mal wieder um – das der Inflation"



    Nun, ich würde sagen, dass das "Gespenst" sehr real ist. Es bedeutet eine Lohnkürzung um 2 %, für deren Ausgleich Lohnabhängige sowie deren Gewerkschaften (so vorhanden) sich erst mal wieder gehörig auf die Hinterbeine stellen dürfen. Und für Kleinsparer eine "Vermögen"steuer von 2 %.



    Ich dachte einmal, die taz sei eine linke Tageszeitung...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Bei all den Spitzenleuchten, die wir in der Politik haben, können wir doch froh sein, dass unser EURO noch was wert ist.

    Natürlich trifft es vornehmlich die Armen. Das war schon immer so und wird sich kaum ändern, es sei denn man kommt zu einer gewissen Angleichung. Verteilung von oben nach unten.



    Die Linke dümpelt aber bei 6% rum.

    Alles bleibt wie es ist, nur teurer!

  • Inflation ist das Problem von Armen. Wie Strom- und Benzinpreis. Millionen Menschen in Deutschland können sich schon jetzt kein Auto leisten, kein Urlaub machen und nur noch mit Bus fahren, weil sie keine Kraft und Lust mehr haben, am Fahrrad mit Beinen zu drehen. Immerhin können diese Menschen noch die Miete zahlen und satt sein, weil Aldi/Norma günstig sind. Noch.

  • Es gehen nicht nur Rohstoffpreise durch die Decke. Auch die CO2 Steuer macht sich bemerkbar.



    Bei bestimmten Lebensmitteln wie Getreide, Mais usw. gibt es Preiserhöhungen bis 31 Prozent.



    Das wird enorme Auswirkungen haben auf die Lebensverhältnisse der Menschen in Deutschland, die schon jetzt nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen.



    Wahrscheinlich werden uns wieder geschönte Inflationsraten präsentiert.

    • @Rolf B.:

      Nein, der Warenkorb ist da schon objektiv für die Gesamtheit, aber eben nicht für das Individuum.



      Letztlich muss jeder seinen eigenen Warenkorb (Konsumverhalten, Energiekosten, Miete...) beobachten und letztlich als Chart fortschreiben. Es gibt Leute die ggf. gar nix merken, andere umso stärker betroffen. Beispiel: Was juckt einen Vegetarier, wennd er Fleischpreis sich verzehnfacht? Der kann diese POsition einfach rausnehmen. Bei Grundnahrungsmitteln sieht es aber bitter aus, wenn Sie sowieso schon als ärmerer Mensch am Existenzminimum leben und dann sich Preise stark entwickeln.

      • @Tom Farmer:

        Sie beschreiben den Warenkorb und die möglichen unterschiedlichen individuellen Auswirkungen schon richtig. Aber schon die Auswahl, was in den satistischen Warenkorb kommt, ist anfällig für Manipulationen. Es kommt ja auch auf die Gewichtung an.

  • Dass die Bürger im April und Mai durchheizen müssen, wird mit Verzögerung zu herben Verlusten beim verfügbaren Einkommen führen, die in der Inflationsrate nur unzureichend abgebildet werden.



    Man muss kein Wirtschaftsweiser sein, um die Gruppe zu benennen, die das am stärksten betrifft. Man könnte sie die üblichen Verdächtigen nennen, denen frau mit Hurra eh noch übel mitspielen wird. Fresst doch Kuchen, soll ihnen eine andere Dame von ähnlichem Hochmut einst zugerufen haben.

  • Wenn Sie schreiben "Teuerungsrate im April" dann meinen Sie tatsächlich die durchschnittliche Teuerung von Mitte April 2020 bis Mitte April 2021. Natürlich gibt es gute Gründe, für eine Berechnung eine Mindestzeitspanne der Beobachtung zugrundezulegen -- an einem kurzfristigen Rauschen läßt sich keine Steigung ermitteln. Sehr wohl aber läßt sich näherungsweise die Krümmung der Kurve über diesen Zeitraum abschätzen und grob voraussagen, ob sich die extrapolierte Teuerung eher beschleunigt oder abschwächt und ob die jetzt gerade gültige Steigung steiler oder flacher als der 12-Monats-Durchschnitt verläuft.



    Die Umsatzsteuer wurde übrigens erst im Juni gesenkt. Für den Vergleich der Preise vom letzten zu diesem April -- und genau das ist die hier errechnete und gemeldete Rate -- ist sie also komplett irrelevant.

  • Ich halte die "offizielle Inflationsrate" ohnehin für mehr als geschönt.

  • Nein, mit der MwSt hat das nix zu tun. Die wurde zum 1.Juli 2020 gesenkt und zum 31.12.2020 wieder angehoben. Also ist das kein Argument!



    Auch zu sagen die Vorjahre war ja quasi Nullinflation und das wird jetzt nachgezogen ist bestenfalls eine Beruhigungpille.



    Nein, die Inflation hat Ursachen, genau wie zuvor die Stagnagtion. Darüber muss man reden und das ernst nehmen, wenn man es denn will.



    Die Rohstoffpreise gehen durch die Decke (vom Holz üüber Geteide bis zu den Metallen), Kupfer als Beispiel auf dem All time high auf Eurobasis über 9000 € je t. Diese Preise sind ein Zeichen knapper, haussierender Märkte und Lieferketten am Anschlag. Preisanhebungen in vielen Bereichen scheinen unausweichlich, Lieferzeiten verlängern sich oder tatsächlicher Mangel auch im (bezahlbaren) Nahrungsmittelbereich?



    Wird das erst wieder dann ernst genommen, wenn dadurch DIE REICHEN noch reicher werden, und die Armen sich bestimmte Dinge nicht mehr leisten können? Das wäre schade.

    • @Tom Farmer:

      Wir zerspanen Stahl. Stahlrohr ist zum Teil 40%/m gestiegen wenn man überhaupt Material bekommt. Die Lieferanten von Öl/Schmierstoffen kündigen zum zweiten Mal Preiserhöhungen an ( Additive zum Teil nicht lieferbar). Man kann sich in fast jeder Branche umhören und wird feststellen dass es z. T. enorme Preissteigerungen gibt. Der Blick auf den sogenannten Warenkorb gibt da nicht viel her.

      • @FStein:

        Das kommt dann zeitversetzt beim Endkunden an. Natürlich sind Rohstoffkosten nur ein Teil des Preises des Endprodukts; der Arbeitsanteil ist meist viel höher.



        Denoch muss jedemklar sein, dass die Besserverdienenden 10 % Inflation (o.ä.) wegstecken, und sogar trotz Preissteigerungen weiter munter konsumieren und für die, die sich das so nicht leisten können weitere Preissteigerungen auslösen können.



        Daher ist die Inflation ein soziales Thema und man sollte das nicht so ganz auf die leichte Schulter nehmen.