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Steigende Kosten für Berlins PolizeiWeniger Polizei, mehr Sozialarbeit

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Die Polizei in Berlin wird permanent aufgerüstet und ausgebaut, obwohl die Kriminalität zurück geht. Diese Fehlentwicklung gehört gestoppt.

Seit 2010 haben sich Ausgaben und Personalausstattung in der Polizei kontinuierlich vergrößert Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

D ie Polizei löst keine sozialen Probleme, sondern macht vor allem in sogenannten Brennpunkten vieles nur schlimmer. Sie traktiert Menschen mit psychischen Problemen mit Pfefferspray. Sie prügelt Obdachlose ins Koma, sodass diese später sterben. Sie erschießt in Extremsituationen offensichtlich psychisch verwirrte Menschen, die selbst im Ausnahmezustand sind. Und sie eskaliert Konflikte, wo es den chronisch unterbesetzten sozialpsychiatrischen Notdienst braucht.

Immer wieder kommt es in Folge von Polizeieinsätzen in Grenzbereichen zwischen sozialen Problemen und Kleinkriminalität zu unnötigen und gewalttätigen Maßnahmen, im schlimmsten Fall mit Todesfolge. Die Liste ist lang. Und dann haben wir noch gar nicht von Racial Profiling, rechtsextremen Chatgruppen und Verflechtungen mit der extrem rechten Szene gesprochen, geschweige denn von mutmaßlich rassistisch motivierten Morden an Menschen im Polizeigewahrsam.

Dennoch wird selbst im rot-grün-rot regierten Berlin die Polizei kontinuierlich ausgebaut. Polizeieinsätze sind häufig faktisch die einzige Antwort auf komplexe soziale Situationen. Am Kottbusser Tor gibt es multiple Problemlagen zwischen Armut, Kleinkriminalität und Drogenkonsum? Die SPD-Antwort darauf ist eine überteuerte Polizeiwache mit panoptischem Überblick, gegen die es viele Widerstände gibt. Selbst der Kontaktbereichsbeamte, der sich wie kein zweiter vor Ort auskennt, lehnt die die Polizeiwache ab.

Medien sollten klar benennen, dass es nicht mehr Polizei braucht. Politiker sollten Aufrüstungsforderungen der Sicherheitsbehörden mit Hinweise auf die Faktenlage abblocken.

Kein Wahlkampf kommt ohne die Forderung nach mehr Polizei aus, um ein kontrafaktisches Unsicherheitsgefühl zur Not auch ohne Datengrundlage zu befrieden. In Berlin gab es in den vergangenen zehn Jahren keinen Landeshaushalt, durch den nicht mehr Geld in die Polizei gesteckt wurde, wie eine Linken-Anfrage diese Woche zeigte (taz berichtete).

Es braucht eine Zeitenwende

Ob nun absolut oder relativ gesehen: Im Gegensatz zu prekären Beschäftigungsverhältnissen im sozialen Bereich und anderen unterfinanzierten Feldern wird die Polizei übermäßig gebuttert und hofiert. Seit 2010 hat sich das Budget für die Polizei deutlich vergrößert – zu ungunsten von anderen Bereichen im Landeshaushalt. Das dürfte nicht zuletzt auch an konstant nörgelnden und omnipräsenten Po­li­zei­ge­werk­schaf­te­r*in­nen liegen, die sich permanent über zu wenig Personal oder zu wenig Mittel beschweren, wenn sie sich nicht gerade mit rassistischem Grundrauschen bei „Bild TV“ äußern.

Die jetzt bekannt gewordenen Zahlen zeigen einmal mehr: Es braucht ein Umdenken im Umgang mit in Teilen auch sicherheitsrelevanten sozialen Problemen. Es braucht mehr So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen statt Polizist*innen, deeskalierende Par­k­läu­fe­r*in­nen statt Schlägertrupps in laufenden Dieselfahrzeugen. Es braucht kommunikative Kontaktbereichspolizisten statt rumlungernde Hundertschaften.

Ungeprüft übernommene Polizeimeldungen

Po­li­ti­ke­r*in­nen wie Jour­na­lis­t*in­nen wissen eigentlich um den simplen Fakt, dass Kriminalitätsraten seit Jahrzehnten rückläufig sind. In die Berichterstattung schaffen es trotzdem regelmäßig ungeprüft übernommene Polizeimeldungen, die wiederum für ein übertriebenes Unsicherheitsgefühl sorgen. Die Polizei bekommt als Belohnung für ihre überbordende Social-Media-Arbeit, die den Unsicherheitsdiskurs noch befeuert, eine wohlwollende Debatte über Aufrüstung – über Bodycams, Panzerfahrzeuge, Taser und sogar Polizeiroboter.

Medien sollten klar benennen, dass es nicht mehr Polizei braucht. Politiker sollten Aufrüstungsforderungen der Sicherheitsbehörden mit Hinweise auf die Faktenlage abblocken – und in Kriminalitätsschwerpunkten in häufig ärmeren Stadtteilen sollten anhaltende Probleme nicht mit mehr Repression gegen Betroffene, sondern mit lösungsorientierter Sozialarbeit beantwortet werden.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.

9 Kommentare

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  • Möglicherweise sind die Kriminalitätsraten auch nur wegen der stets besser ausgerüsteten Polizei rückläufig!

  • "[...]wurden im Jahr 2021 in Deutschland rund 122.341 Delikte von gefährlicher und schwerer Körperverletzung polizeilich registriert." [1]

    "2019 wurden in der polizeilichen Kriminalstatistik 36.126 Fälle von Widerständen gegen und tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen erfasst; darunter waren 14.919 tätliche Angriffe." [2]

    "2021 hätten die Behörden 161.000 Opfer von Gewalt durch Partner oder Ex-Partner registriert," [3]

    Ich denke die Opfer all dieser von der Polizei erfassten und verfolgten Straftaten waren eher froh, dass dort die Polizei zur Stelle war und keine Sozialarbeiter...



    Es gibt mit Sicherheit auch ein Problem von ungerechtfertigter Polizeigewalt, aber dann immer gleich die ganze Institution in Frage zu stellen ist jawohl absurd. Wer schonmal Zeuge eines Polizeieinsatzes gegen (auch potentiell) gewalttätige Menschen war, der weiß, dass zur Eskalation einer Situation auch immer zwei Seiten gehören. Einer Konfliktsituation mit der Polizei, geht in der Regel bereits eine Tat oder der Hilferuf eines Opfers/Zeugen voraus.

    [1]



    de.statista.com/st...2058%2C7%20Prozent.

    [2] de.wikipedia.org/w...ätliche%20Angriffe.

    [3]



    www.tagesschau.de/...he-gewalt-101.html

  • In Zeiten, wo Polizisten Schwimmbäder absichern müssen, brauchts eben mehr Polizei und nicht weniger.

  • Vieles an den Vorwürfen stimmt - mir gefällt aber die Tonlage dieses Meinungsstückes nicht. Daraus spricht pure Polizeifeindlichkeit. Eine ganze Institution wird für die Verfehlungen Einzelner in Sippenhaft genommen.

    Dass die Fehler oft im System Polizei liegen, dass es ein Ungleichgewicht zwischen Bürger und Polizei gibt, dass Korpsgeist von Staatsanwaltschaften toleriert wird, dass es ein Demokratiedefizit der Polizei gibt - alles richtig und bekannt.

    Dieser Artikel hätte aber in seinem Einsteig auch vom schwarzen Block kommen können - deswegen schmeckt er mir nicht. Und er schadet ernsthafter Kritik an der Polizei.

  • "Das dürfte nicht zuletzt auch an konstant nörgelnden und omnipräsenten Po­li­zei­ge­werk­schaf­te­r*in­nen liegen ...."

    Warum nur im Konjunktiv?

    Warum ist zu den Gründen nichts recherchiert worden?

    Eine rot-grün-rote Landesregierung trieft ja nun nicht vor Polizeifreundlichkeit.

    Die Polizeigewerkschaftler interessieren sie üblicherweise eher weniger.

    Statt Aktivismusforderungewn an die Medien wären mir Informationen lieber gewesen.

  • Die Polizei hat die Aufgabe das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen, dafür gehört sie entsprechend ausgerüstet und bei Bedarf auch aufgerüstet. Und aus Sicht eines Sozialarbeiters sei folgendes gesagt. Bestimmte gesellschaftliche Bereiche, lehnen den Staat und sein Gewaltmonopol ab und da kommt man mit Sozialarbeitern einfach nicht an. Traurig wird aber gerne ignoriert.

  • "Die Polizei in Berlin wird permanent aufgerüstet und ausgebaut, obwohl die Kriminalität zurück geht."

    Oder ist es so rum richtig: "Weil die Polizei in Berlin permanent aufgerüstet und ausgebaut wird, geht die Kriminalität zurück".?

    • @Gerald Müller:

      Die Kriminalität geht auch zurück, wenn die Polizei nicht mehr gerufen wird, weil nicht vorhanden.

      • @elektrozwerg:

        Nein, die Kriminalität steigt, nur die Statisik sieht dann schöner aus.