Stadtplanung für die Zukunft: Hygge und Hightech
Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen gilt als eine der zukunftsfähigsten Städte weltweit. Eine Tour über Skipisten, Schulhöfe und Gullideckel.
K openhagen darf sich dieses Jahr „Welthauptstadt der Architektur“ nennen, das klingt sehr groß und bedeutend. Aber das Schöne an Kopenhagen ist: Was die Stadt auszeichnet, diesen von der Unesco verliehenen Titel zu führen, kommt manchmal ganz klein daher, fast schüchtern und beiläufig, stets aber mit einem großen Effekt: auf das Klima der Stadt in Hitzesommern, auf seine Saugkraft bei Starkregen und vor allem darauf, dass sich ihre Bewohnerinnen und Bewohner wohlfühlen.
Fragt man Stadtplaner oder Stadtplanerinnen in Deutschland, wohin sie auf der Suche nach Inspiration für zukunftsfähige Städte gehen, lautet die Antwort deshalb oft: Kopenhagen. Was können wir uns also von dieser Stadt abschauen?
Ein Rundgang durch Kopenhagen mit dem dänisch-deutschen Architektenpaar Mikala Holme Samsøe und Amandus Samsøe Sattler, die abwechselnd in Berlin und in Kopenhagen leben, soll das beantworten. Zusammen haben sie ihre großen, erfolgreichen Architekturbüros verlassen und das Studio Ensømble gegründet. Sie haben sich dem nachhaltigen Bauen verschrieben und wollen, so sagen sie es, zur Entwicklung einer „reduktiven Moderne“ beitragen. Das heißt: weg vom ständigen Neubauen, hin zur Reduktion, zu Umnutzung und Weiternutzung.
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Um Stadträume und wie sie besser genutzt werden, als wir das für gewöhnlich in Deutschland kennen, geht es also an diesem Tag. Mal nicht in erster Linie um die fantastische Infrastruktur für Radverkehr und Fußgänger in dieser Stadt, über die wurde schon so viel geschrieben. Nur eins dazu: Es fahren noch Autos in Kopenhagen, aber das ist egal, weil man als Radfahrer einfach dahinrollen kann. Wir besuchen stattdessen einen Kreisverkehr, der zum Wald geworden ist, spazieren eine Müllverbrennungsanlage hinauf und stehen auf einem Parkhaus, das gleichzeitig Fitnessstudio ist. Orte, die Kopenhagen beispielhaft machen für eine Stadt, die die Menschen nicht vergisst. Und die einen als Nicht-Kopenhagener denken lassen: So könnten wir das doch auch machen.
Stopp 1: Ein großer Schulhof für alle
Der Israels Plads nahe Nørreport, Dänemarks am stärksten frequentierten Bahnhof, das Universitätsviertel ist auch nicht weit. Ein Platz, der eine erstaunliche Wandlung vollzogen hat und heute so vielen Menschen mehr dient, als es zuvor denkbar war. Bis in die 1950er Jahre war dort ein Großmarkt. Als der an den Stadtrand zog, entstand ein leerer Stadtraum, für den man damals keinen rechten Plan hatte. Ein riesiger Parkplatz wurde daraus, was sonst; ein Ort, um Hunde auszuführen, das auch. Weit weg jedenfalls von dem, was sich heute dort tagtäglich ergibt. Ein heller, freundlicher, belebter Platz mitten in der Stadt.
Drei Schulen säumen den Israels Plads, dazu Gründerzeitwohnhäuser, an der Stirnseite eine flache Markthalle mit edlen Lebensmittelgeschäften. Im Rahmen eines Wettbewerbs wurde der Platz ab 2008 nach Plänen des Kopenhagener Architekturbüros COBE umgestaltet und 2014 fertiggestellt. Wie ein Teppich, leicht erhöht, liegt seither eine Granitfläche über dem Platz. An manchen Ecken wirft dieser Teppich Falten, in der Mitte hat er eine Delle. Eine lebendige Gestalt, und alles hat seine Funktion: Die Delle ist die kreisrunde Mitte, ein weicherer Boden, auf dem es sich spielen und herumrennen lässt, umgeben von zwei halbkreisförmigen und ineinander verschränkten Zäunen. Darin Fußballtore, Basketballkörbe. Offen und doch geschlossen.
Nebenan eine Minibowl für Skater, Bauminseln, die eine Verbindung zum nahen Ørstedsparken schaffen, sind über den Platz verteilt. Die aufgeworfenen Ecken sind Treppenstufen, auf denen man sitzen kann. In einer der Ecken ein Wasserspiel, das bei Sturzregen das überschüssige Wasser aufnimmt und es in den Park leitet. Es ist ein Vormittag im Februar, ein kalter Wind fegt durch die Straßen, wenigstens ist es trocken. Der Platz liegt an diesem Morgen relativ ruhig da, Passanten kreuzen ihn, Menschen auf dem Weg in den nahen Park, einige in Laufkleidung schnellen Schrittes.
Plötzlich füllt sich der Platz, Kinder strömen herbei, die Schulen haben Pause. Manche werfen Basketbälle auf die Körbe, andere kicken, einige spielen auf den Treppen Fangen und Verstecken, das Aufzughäuschen dient dabei als Versteck. Das ist die Idee dieses Platzes, sagt Mikala Holme Samsøe: Er ist Schulhof, er ist Stadtplatz, er ist Teil des innerstädtischen Wegesystems, er ist Treffpunkt. Alles vermischt sich. Ein Raum, der Begegnungen schafft und ein Miteinander.
Man denkt: Wäre es vorstellbar, dass bei uns Schulhöfe zugleich öffentliche Plätze sind oder öffentliche Plätze Schulhöfe? Wohl nicht. Sicherheitsbedenken stünden dem entgegen, Eltern, die fürchten, ihre Kinder könnten abhanden kommen. Oder Lärmschutzgesetze; denn wenn Pause ist, dann wird es laut auf dem Platz. Andererseits: an- und abfahrende Autos, die Lärm verursachen oder Gestank? Gibt es nicht, denn sie werden durch eine schneckenförmige Einfahrt „in den Keller“ geleitet, wie Holme Samsøe sagt. Auch das ist hier bemerkenswert: Kopenhagen macht Politik für Radfahrer und Fußgänger, aber das heißt nicht, dass Autos komplett verbannt werden. Sie können hier weiterhin parken, das aber ist ganz schön teuer. Eine Stunde Parken am Israels Plads kostet 5,50 Euro.
Bevor wir gehen, überqueren wir das Kopfsteinpflaster, das die Platzfläche – den Teppich – umgibt. Mikala zeigt auf ebene Granitplatten, die so zwischen dem holprigen Kopfsteinpflaster verlegt sind, dass sie parallel verlaufende Bänder ergeben, auf denen man allein, zu zweit, zu dritt oder mit Rollkoffer bequem laufen kann. Das sind so kleine Details, die sich nicht aufdrängen, aber zeigen: Hier hat sich jemand Gedanken gemacht. Und das, was dabei herausgekommen ist, ergibt Sinn. Man läuft dort viel angenehmer und sicherer als auf dem Kopfsteinpflaster, das aber bleibt stadtbildprägend auf diesem Platz.
Nächstes Ziel: das Klimaquartier. Mikala sagt, in Kopenhagen habe man es sich zum Ziel gesetzt, die Stadt für die Menschen zu gestalten. Eine Leitfrage baupolitischen Handelns: Was macht die Stadt lebenswert? Grundlage dafür bietet eine Art Handbuch namens „Architekturpolitik“, das die Kopenhagener Stadtregierung formuliert hat. „Architektur für die Menschen“ lautet der Untertitel der 76 Seiten langen Schrift, darin schreibt Morten Kabell, von 2014 bis 2017 Umwelt-Bürgermeister: „Kopenhagen ist eine kompakte und gemischte Stadt, und jedes Viertel hat einen besonderen Charakter.“ Das wolle die Architekturpolitik fördern, um nicht nur eine interessante Stadt zu erhalten, sondern eine Stadt zu entwickeln, die „zu dem Leben passt, das jede*r einzelne Kopenhagener*in lebt“.
Eine Stadt, die zum Leben passt. Und eine Stadt, die sich anpasst.
Wie? Das zeigen mir Mikala und Amandus im Klimakvarteret, dem Klimaquartier rund um den Sankt Kjelds Plads, fünf Kilometer weiter gen Norden.
Stopp 2: Ein Wäldchen mitten in der Stadt
Auch der Sankt Kjelds Plads birgt ein „Es war einmal“. Es war nämlich einmal ein großes Starkregenereignis, 2011, alle erinnern sich noch, wie dieses von mehrstöckigen Wohnhäusern geprägte Viertel unter Wasser stand. Die Keller überflutet, die Straßen Flüsse, in den Erdgeschossen schwammen die Möbel. Das war der Anlass, diesen Teil der Stadt umzugestalten. Straßen und asphaltierte Flächen wichen Grünanlagen, 2019 war der Eingriff fertig. 35.000 Quadratmeter, eine Fläche von fünf Fußballfeldern – davon 25.000 Quadratmeter Straßen- und Asphaltflächen – wurden zu einem gewissermaßen renaturierten Stadtraum, der bei Starkregen Wassermassen aufsaugen und ableiten kann, der Sonnenschutz bietet und die Umgebung kühlt.
Der Sankt Kjelds Plads war bis dahin ein Kreisverkehr, der fünf Straßen aufnahm. Das ist er auch heute noch, nur wurde er ein Stück verschoben und verkleinert. Autos fahren da immer noch, „genau so viele wie vorher“, sagt Mikala, aber sie bestimmen das Bild nicht mehr, sie ordnen sich unter. Bestimmend ist eine kleine Parklandschaft mit verschlungenen Wegen, an die 600 heimische Bäume wurden dort gepflanzt. Buschwerk nimmt sich seinen Raum, Nistkästen hängen dort, Totholz liegt herum, „gut für Würmer und Insekten“, sagt Mikala. Eine Frau kommt uns auf einem der Wege im grünen Outdoor-Look entgegen. Und, ja, es würde einen nicht wundern, wenn sie eine Försterin wäre, die nach dem Wild geguckt hat. Aber so groß ist die Fläche dann doch nicht.
Architekturpolitik, wie sie im Kopenhagener Handbuch dargelegt ist, schafft solche Stadträume: funktional, grün, kühl, Wasser aufnehmend. Gleichzeitig entsteht ein Ort, wo Menschen spazieren und sich auf Parkbänken ausruhen. Mikala macht dort oft Rast mit Studentinnen und Studenten ihrer Seminare, denen sie die Stadt zeigt. Und was für ein Gewinn diese Umgestaltung für die Menschen sein muss, die in den Häusern drumherum wohnen! Es sind nicht die reichsten Kopenhagener, aber sie dürften zu den glücklichsten gehören. Vorher toste unten der Verkehr, überall standen Autos, jetzt haben sie die Natur vor der Haustür.
Stopp 3: Gullideckel ist nicht gleich Gullideckel
Ein paar Schritte weiter der Tåsinge Plads, auch Teil des Klimaquartiers, auch eine Grünfläche, auf der vorher Autos standen. Entlang der Straße ziehen sich Grünstreifen mit sorgfältig gestalteten – tja, Gullideckel wäre das falsche Wort, dafür sind sie zu schön – gusseisernen Kuppeln mit großen Löchern, die das Wasser aufnehmen und abführen. Selten sieht Starkregenresilienz so schön aus. Mikala zeigt die gepflasterte Terrasse am Rand des Platzes, darunter verbergen sich Wassertanks, die bei Regen das Wasser der Umgebung aufnehmen können. Dort wird das Wasser gereinigt und kann von Passanten über im Boden eingelassene Fußpumpen in trichterförmige Skulpturen gepumpt werden, von wo es aus feinen Löchern herabrieselt. Bedrohlich flutendes Wasser wird hier umgewandelt in etwas Spielerisches.
Ein typisches Beispiel für Kopenhagens Stadtplanung: Es musste etwas getan werden, weitere Überflutungen sollte es nicht geben. Aber anstatt die Gegend dort zu verrohren und so das Problem unsichtbar zu machen, zeigt man es offen und schafft ein Bewusstsein. Mikala sagt, was sie hier stets empfindet – und was man selbst nachvollziehen kann: „Wenn du eine gute Stadt schaffst, nehmen die Menschen sie an und haben Lust, sie mitzugestalten.“
Viele Plätze bei uns liegen ungestaltet herum. Die Kosten! Der Mangel an Ideen! Und oftmals auch: Man will die Autofahrer nicht verschrecken. Um jeden Parkplatz in deutschen Städten ringen Einzelhandelsverbände, die CDU, die SPD. Sie denken wirklich: Ausreichend billige Parkplätze werden den darbenden Einzelhandel retten. Hier, in Kopenhagen, hat man die Autos weggeschickt. Dafür ist die Quote an Radfahrern stetig gestiegen und die Aufenthaltsqualität solcher Plätze und Straßen hat sich spürbar erhöht.
Stopp 4: Wo Erdgeschosse attraktiv sind
Im Nordhafen. Ein 100 Hektar großes Stadterweiterungsgebiet, das nach und nach erschlossen wird. Kern des neuen Wohngebiets: alte Silos, die in Wohngebäude umgewandelt wurden. Der alte Weizenspeicher steht da sehr prominent, verkleidet mit perforierten Zinkblechen, angeblich beherbergt „The Silo“ Dänemarks teuerste Wohnungen – und wenn man von außen durch die Fenster lugt, glaubt man das sofort. Ein paar Meter entfernt ragen die beiden zylinderförmigen Silogebäude von Portland Cement auf, auch sie wurden in Wohn- und Bürotürme umgewandelt, unter anderen hat hier die Deutsche Botschaft ihren Sitz.
In vielen deutschen Städten stehen bald leere Kaufhäuser bereit, um umgenutzt zu werden. Galeria Karstadt Kaufhof schließt 52 weitere Filialen. In Lübeck wird an der Umnutzung eines 2020 geschlossenen Kaufhauses bereits gearbeitet. In dem verwaisten Gebäude sollen Schulen Platz finden.
Die Gebäude im Kopenhagener Nordhafen schieben sich ineinander, und es fällt sofort auf: Dazwischen geht der Mensch nicht verloren. Da ist Offenheit, da ist Licht, da öffnen sich Sichtachsen, ein Gefühl der Beklemmung kann zwischen den hohen Gebäuden nicht entstehen. Und überall sieht man das Wasser.
Die Stadt wird vom Menschen her gedacht. Da ist zum Beispiel ein Supermarkt im Erdgeschoss eines Gebäudes, bei uns kennen wir Supermärkte mit verklebten Fenstern oder als geschlossene Baukörper, um möglichst viel Ware unterzubringen. Hier, im Nordhafen, ist der Supermarkt licht und offen, das wirkt freundlich und zugewandt.
Ganz wichtig sind Mikala und Amandus die Erdgeschosse der Gebäude, der Bereich, wo ein Gebäude endet und der öffentliche Raum – mit einem Bürgersteig etwa – beginnt. Mikala spricht von „Kantzonen“, bei uns oftmals ein lebloser Bereich entlang von Gebäuden. Ein sperriger Begriff, aber die Gestaltung dieser Kantzonen ist wichtig, um Stadträume menschenfreundlich zu gestalten.
Man sieht das hier sehr gut an der Helsinkigade. Das könnte eine gesichtslose Ein- und Ausfahrtschneise in dieses Wohngebiet am Nordhafen sein, stattdessen ist es ein lebendiger Bereich. Die Wohnhäuser öffnen sich zur Straße hin, Treppen mit vier, fünf Stufen führen zu kleinen Terrassen, dort können die Bewohner bei gutem Wetter sitzen und Kaffee trinken, einige haben dort Blumentöpfe hingestellt. Diese Gestaltung lädt dazu ein, dass sich Bewohner dem öffentlichen Raum zuwenden. So wird Abgeschiedenheit vermieden.
Im Handbuch „Architekturpolitik“ heißt es dazu: „Wie offen das Erdgeschoss gestaltet ist, hat große Bedeutung für die Interaktion zwischen innen und außen. Von innen lässt sich das Treiben in der Stadt verfolgen; und von außen führen die aktiven Fassaden zu einem vielfältigen Erleben und zu einem höheren Sicherheitsgefühl.“ Bei uns, also in Deutschland, sagt Mikala, würden da Kameras hängen, um Sicherheit zu vermitteln. Erdgeschosswohnungen lassen sich für gewöhnlich schlecht vermarkten – wegen der Nähe zum öffentlichen Raum. Oder sie werden von vornherein als Autoabstellplätze verplant, weil da eh niemand wohnen will.
In Kopenhagen wird viel dafür getan, dass es anders ist. Einladend und kommunikativ soll dieser Raum sein, nicht als Barriere gestaltet. In Bebauungsplänen wird auch festgelegt, wo die Kantzonen entstehen und wie sie aussehen sollen. Im Nordhafen wurden die Erdgeschosse regelrecht kuratiert, Investoren vergaben Flächen günstig an lokale Geschäfte, um die Entwicklung zu beschleunigen.
Stopp 5: Das schönste Parkhaus der Welt
Die Helsinkigade führt zu dem wohl attraktivsten Parkhaus der Welt. Vielleicht mal grundsätzlich gefragt: Was macht die Attraktivität eines Parkhauses aus? Für den Betreiber an sich ist das klar: möglichst viele Parkplätze, um Einnahmen zu generieren. In Kopenhagen: ein möglichst vielfältig nutzbares Gebäude. Die Verwandlung einer rein infrastrukturellen Notwendigkeit in einen Anziehungspunkt – bei weitem nicht nur für Parkplatzsucher. Konditaget Lüders ist ein rot verkleideter Kasten, über und über sprießen Pflanzen an der Fassade entlang. Das Parkhaus birgt mehrere Clous. Im Erdgeschoss ist neben der Ein- und Ausfahrt ein Recyclinghof untergebracht. Man kann dort Altmetall abgeben, Leuchtstoffröhren, Papier, Textilien. In der Mitte des Raumes steht ein Holz-Rondell, darin ein Verschenkemarkt. Mikala probiert Schuhe an, ich stöbere in Büchern und überlege, ein Weinglas mitzunehmen.
Zwei Treppen führen an den Außenwänden des Parkhauses nach oben. Unten ein Buzzer. Drückt man auf den großen roten Knopf, beginnt die Zeit zu laufen, oben angekommen, kann man sie ablesen. Das Parkhaus ist nämlich auch ein öffentliches Fitnessstudio. Eine Frau im Wintermantel, unter der Mütze ergrautes Haar, an den Füßen Laufschuhe, schwingt gerade eine der Treppen hoch, entschlossener Blick, mal sehen, wie schnell sie heute ist. Oben angekommen: Eine Aussichtsplattform mit Blick auf den Øresund bis rüber nach Malmö – und Reckstangen, Taue, an denen man hochklettern kann, Schaukeln, in den Boden eingelassene Trampoline, Sitzgelegenheiten. Man fühlt sich eingeladen, mitzumachen. Es könnten dort auch Dutzende Parkplätze sein.
Stopp 6: Müllverbrennungsanlage trifft Skipiste
Amager Bakke – vielleicht das Gebäude, über das man am meisten streiten kann auf unserer Tour durch die Stadträume Kopenhagens. Braucht eine Müllverbrennungsanlage eine Skipiste auf dem Dach? Mit Liftanlage, die ja auch wieder Energie benötigt? Immerhin: Hier wird keine Piste mit Kunstschnee berieselt, um ideale Bedingungen für Abfahrten herzustellen. Man schwingt auf Matten und auf Rasen nach unten. Es war, sagen Amandus und Mikala, nicht Teil der Ausschreibung, eine Skipiste zu integrieren, aber die Idee des – man muss es wirklich so sagen – dänischen Stararchitekten Bjarke Ingels war bestechend. „Wenn die öffentliche Hand baut, dann soll die Öffentlichkeit auch etwas davon haben“, sagt Mikala. Das ist der simple Gedanke dahinter.
Skifahren kostet zwar, aber die Aussicht ist gratis. Auf einem – tatsächlich etwas betonlastigen – Wanderweg kann man in zehn Minuten zu Fuß bis ganz nach oben auf 80 Meter spazieren. Eine Gruppe Franzosen auf Skiern lässt sich über ein Transportband nach oben befördern. Keilförmig ragt das Bauwerk auf der Kopenhagen vorgelagerten Insel Amager auf, Aluminiumplatten glänzen an der Fassade, ein Schornstein schickt Wolken in die Luft. Im Innern werden jährlich 440.000 Tonnen Müll verbrannt, 150.000 Haushalte darüber mit Strom und Fernwärme versorgt.
Bei uns wäre eine solche Anlage irgendwo am Stadtrand und niemals frei zugänglich. Hier verströmt die Idee Leichtigkeit und Spaß. Skiliebende Dänen müssen nicht mehr nach Norwegen oder rüber nach Schweden, um Ski zu fahren. Und es gibt einen leicht pädagogischen Nebeneffekt: Eine Anlage wie Amager Bakke blendet unseren Konsum, der jede Menge Müll produziert, nicht aus. Auch wenn hier ein Problem in etwas Originelles mündet: Skifahren auf einer Müllverbrennungsanlage.
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