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Staatssekretär über Abkommen mit Kenia„Wir wollen Wertschöpfung vor Ort“

Kenia und die EU beschließen ein gemeinsames Handelsabkommen. Vor allem die Klimaschutzziele seien vorbildlich, sagt Staatssekretär Jochen Flasbarth.

Anfang Juni besuchte Kanzler Scholz in Kenia die größte Geothermie-Anlage Afrikas in Olkaria Foto: Michael Kappeler/dpa
Interview von Leila van Rinsum

taz: Herr Flasbarth, Sie haben im Entwicklungsministerium das Handelsabkommen der EU (EPA) mit Kenia mitverhandelt. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Jochen Flasbarth: Ich finde das Abkommen wirklich gut. Es baut im Wesentlichen auf dem Handelsabkommen auf, das wir 2014 zwischen der EU und der Ostafrikanischen Gemeinschaft, verhandelt haben. Das hatte damals nur Kenia unterzeichnet und ratifiziert, die anderen Mitgliedstaaten nicht. Dadurch konnte es nicht in Kraft treten. Die EU hat mit Kenia bilateral weiterverhandelt und ein sehr starkes Nachhaltigkeitskapitel ergänzt. Das hat Kenia auch akzeptiert. Die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens ist sogar zu einem wesentlichen Teil des Abkommens erklärt worden – gravierende Verletzungen können zur Kündigung des Abkommens führen.

Bild: Imago
Im Interview: Jochen Flasbart

61, ist Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Sanktionen bei Verstößen gegen Regelungen zur Nachhaltigkeit wollte der kenianische Präsident William Ruto allerdings nicht akzeptieren.

Richtig. Eigentlich haben wir uns in der Bundesregierung darauf verständigt, in künftige EU-Handelsabkommen Regelungen aufzunehmen, um beispielsweise Zollpräferenzen zurücknehmen zu können bei Nichteinhaltung des Pariser Klimaabkommens oder der ILO-Kernarbeitsnormen. Das hat Präsident Ruto klar abgelehnt – und ich muss sagen, ich kann das aus kenianischer Sicht sogar verstehen. Kenia sagt, einerseits lobt ihr uns für den Klimaschutz und wir nehmen diese Ziele mit ins Abkommen, andererseits wollt ihr schon genau festlegen, wie wir bestraft werden, wenn wir uns nicht daran halten. Sie fühlen ihre Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit infrage gestellt. Kenia ist zudem auch ein spezieller Fall. Bei Handelsabkommen mit anderen Partnern – da guckt natürlich jede und jeder auf das EU-Mercosur-Abkommen – werden wir besonders mit Blick auf den Waldschutz andere Maßstäbe anlegen müssen.

Schnellster Deal der EU-Geschichte

Nach nur sieben Monaten Wiederaufnahme der Verhandlungen haben Kenia und die EU ein Handelsabkommen (EPA) abgeschlossen – der schnellste Deal in der Geschichte der EU. Aber unkompliziert war es nicht. 2014 scheiterten Verhandlungen mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC), weil sich deren Mitglieder weigerten zu unterzeichnen. Sie fürchteten Nachteile durch die Marktöffnung, profitierten aber von Sonderregeln für Zölle über das Allgemeine Präferenzsystem der EU.

Kenia allerdings hatte nichts davon. Als die EU 2016 Zölle auf seine Exporte erhob, verlor das Land binnen Tagen viel Geld. Kenia unterzeichnete daraufhin das EU-Handelsabkommen und in einer Sonderregel konnten die Zölle wieder ausgesetzt werden. Die Neuauflage ist jetzt ein bilaterales Abkommen mit zusätzlichen Regeln zur Nachhaltigkeit. Kenia muss in den nächsten 25 Jahren Zölle gegenüber der EU abbauen, ausgenommen sind sensible Produkte, die mit dem eigenen Markt konkurrieren wie Tomaten, Weizenmehl und Textilien. Präsident Ruto hofft vor allem auf EU-Investitionen in den Energiesektor. Die EU ist Kenias wichtigster Abnehmer, größtes Exportgut dorthin sind Schnittblumen, gefolgt von Kaffee, Tee Früchten und Gemüse. Die EU liefert etwa Maschinen und Chemikalien, wie Pestizide nach Kenia.

Geopolitisch gilt Kenia als wichtiger Partner in Ostafrika, der wirtschaftlichen und politischen Einfluss in der Region hat. Präsident Ruto positionierte sich schon früh gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die EU erhöhte Investitionen in Kenia im Zuge des EU Global Gateway Initiative zu, das dem Einfluss Chinas in Afrika etwas entgegensetzen soll.

Warum ist Kenia ein anderer Fall?

Wegen der langen Vorgeschichte und des Versprechens, das wir gegenüber Kenia einlösen. Formal ist das Abkommen von EU und Kenia ja schon seit 2016 unterzeichnet. Kenia wendet es jetzt bilateral an. Zudem gibt es inhaltlich keine Anzeichen dafür, dass Kenia in Konflikt mit dem Pariser Klimaabkommen oder den ILO-Kernarbeitsnormen kommen könnte. Im Klimaschutz ist Kenia einer unserer vorbildlichsten Partner. Im Vergleich zu Deutschland ist das Land wesentlich weiter, wenn es etwa um erneuerbare Energien geht, die dort 90 Prozent des Energiemix ausmachen. Es gibt keinen Ansatzpunkt, misstrauisch zu sein, dass ausgerechnet ein solcher Champion hier in Konflikt gerät.

Zum Thema Klimawandel: Dieses Abkommen fördert den Export. Kenias größte Industrie exportiert Schnittblumen. Es ist eine Industrie, die extrem viel Wasser braucht, Flächen nutzt. Die Schnittblumen werden nach Europa transportiert. Ist das nachhaltig?

Die Treibhausgasemissionen in Kenia sind natürlich um Größenordnungen geringer als unsere. 2030 werden wir nicht annähernd so weit sein, wie Kenia es ist. Die Schnittblumenindustrie ist ein wichtiger Teil der kenianischen Wirtschaft, aber es ist nicht die Wachstumsbranche der Zukunft. Präsident Ruto will die kenianische Wirtschaft industrialisieren, die Produktion von grünem Wasserstoff vorantreiben und die grüne Düngemittelproduktion ausbauen. Das sind Kenias Zukunftsmärkte. Was die Schnittblumen angeht: Als ich vor zehn Jahren am Lake Naivasha war, konnte man sehen, wie der Wasserspiegel an dem See drastisch heruntergegangen ist …

um den Lake Naivasha ist ein großer Teil Kenias Schnittblumenindustrie angesiedelt.

Jetzt haben wir aber das Problem, dass der Wasserspiegel im Lake Naivasha ansteigt und es deshalb Umsiedlungen geben muss. Wir müssen schauen, wie das Wassermanagement organisiert wird und ob es insgesamt gut eingebettet ist in eine nachhaltige Entwicklung. Bleibt die Treibhausemission des Flugverkehrs. Dafür gilt, dass der Flugverkehr ohnehin treib­haus­gasneutral umgebaut werden muss.

Eine große Sorge bei Freihandelsabkommen mit der EU ist, dass kleine Unternehmen, Klein­bäue­r*in­nen mit Importen aus der EU nicht mithalten können, weil die günstiger verkauft werden können.

Früher habe ich selbst auf die Exportsubventionen der EU geschimpft, mit denen wir in Afrika die Argarmärkte kaputt gemacht haben. Das stimmt heute nicht mehr. Gleichwohl gibt es nicht genug Nahrungsproduktion vor Ort. Deswegen fördert das BMZ Kleinbauern und Kooperativen und speziell den Zugang von Frauen zu Landrechten. All diese Instrumente entwickeln wir weiter. Aber es wird nicht reichen, um die nötige Zahl von Jobs für eine schnell wachsende junge Bevölkerung zu schaffen. Das Handelsabkommen wird weitere wirtschaftliche Aktivitäten in Kenia hervorbringen. Präsident Ruto hat gefragt, warum wir nur Wasserstoff haben wollen, um unsere Stahlindustrie zu dekarbonisieren, Kenia könnte ja auch den Stahl selbst produzieren und exportieren. Seitens des BMZ wollen wir möglichst viel Wertschöpfung vor Ort schaffen.

Präsident Ruto, der sich auch vor dem internationalen Strafgerichtshof verantworten musste, wird von Ak­ti­vis­t*in­nen und Jour­na­lis­t*in­nen für ein repressives Klima kritisiert. Haben Sie darüber gesprochen?

Wir haben darüber gesprochen, als Präsident Ruto in Berlin war, und bekräftigt, dass Einschränkungen der Zivilgesellschaft für uns nicht akzeptabel sind. Er bestreitet natürlich solche Einschränkungen. Aber auch von Menschenrechtlern, mit denen ich in Kenia gesprochen habe, kam nicht die Kritik, dass sie nicht agieren können. Ich will das aber gar nicht kleinreden, wir müssen aufmerksam sein. Gleichwohl ist Kenia eines der Länder, die zumindest von ihrer Grundkonstitution demokratische Werte vertreten.

Kritisiert wird auch, dass dieses Abkommen die Ostafrikanische Gemeinschaft und das Projekt der Afrikanischen Freihandelszone untergräbt.

Das sehe ich nicht so. Wir sind großer Unterstützer der Afrikanischen Freihandelszone und wir fördern sie über unsere Unterstützung für die Afrikanische Union (AU) und das Sekretariat der Freihandelszone in Accra. Ich habe in Addis Abeba mit der AU-Kommission darüber gesprochen, dass wir hier künftig noch mehr unterstützen wollen. Denn ohne den innerafrikanischen Freihandel wird es nicht gelingen, dass der Kontinent ausreichend wächst, um die erforderlichen 25 Millionen Jobs jedes Jahr für die junge Bevölkerung zu schaffen. Die Länder der East African Community sind eingeladen, dem Abkommen mit Kenia beizutreten.

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4 Kommentare

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  • Sanktionen bei Verstößen gegen Regelungen zur Nachhaltigkeit. Selbst nix auf die Reihe bekommen und für andere Sanktionen als Druckmittel fordern. Gilt das auch andersrum? Wohl kaum. Genau diese Arroganz europäischer Politik gegenüber Afrika bringt immer mehr afrikanische Länder dazu lieber mit China oder Russland Geschäfte zu machen.

  • Wieso sollte Kenia Sanktionen im Zusammenhang mit Klimaschutz akzeptieren, wenn bei uns der amtierende Verkehrsminister sich nicht mal an existierende deutsche Gesetze hält? Wieso werden überhaupt landwirtschaftliche Produkte nicht vom Export nach Kenia ausgeschlossen? Die Statements von Flasbart hören sich prima an, doch es sind mit höchster Wahrscheinlichkeit wieder mal Sonntagsreden, die der tatsächlichen Situation nicht gerecht werden. Unsere Konzerne werden nicht zulassen, dass eine wirklich faire Handelspolitik betrieben wird. Das ist in allen anderen derartigen Abkommen längst nachgewiesen...

  • "Kenia könnte ja auch den Stahl selbst produzieren und exportieren."

    Ach, schau einer an. Das habe ich mich auch schon immer gefragt.

    "Seitens des BMZ wollen wir möglichst viel Wertschöpfung vor Ort schaffen."

    Ihr Wort in...

    Hoffentlich kriegen wir es diesmal richtig hin. Viele Anläufe bleiben uns nicht mehr.

  • Es muss nicht immer alles perfekt sein. Nicht der Partner, mit dem man Verträge abschließt, nicht sämtliche Vertragsbedingungen und vor allem ist man selbst ganz weit weg, auch nur ansatzweise mit dem moralischen Zeigefinger wackeln zu können.



    Wenn das Abkommen mit Kenia zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen für die meisten Menschen in dem ostafrikanischen Lanf führt und die EU sich damit nicht allzu tief ins eigene Fleisch schneidet, ist doch alles in Ordnung.