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Staatliche Wirtschaftshilfen in EUDeutschland rücksichtslos

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Kein Land in der EU hat seine Wirtschaft in der Coronakrise so stark gestützt wie Deutschland. Die Kommission ist zu schwach, um das zu ändern.

Staatshilfen mit Geld aus Brüssel für die Deutsche Industrie Foto: Rupert Oberhäuser/imago

V or der Coronakrise sind nicht alle gleich, auch nicht in Europa. Während Deutschland relativ gut aus der Krise kommt, tun sich andere Länder wie Spanien immer noch schwer. Und während das größte EU-Land seine Wirtschaft – und seine Jobs – mit immer neuen Milliardenprogrammen stützt, schauen andere in die Röhre.

Das sorgt nun für Ärger in Brüssel. Die massiven deutschen Staatsbeihilfen könnten den Wettbewerb in Europa verzerren, warnt die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Auch der Aufschwung sei gefährdet, wenn Deutschland seine Unternehmen ohne Rücksicht auf die Konkurrenz protegiert.

Recht hat sie, die liberale Dänin! Tatsächlich kann von fairen Wettbewerbsbedingungen keine Rede sein. Mehr als die Hälfte aller Coronahilfen in der EU entfallen bereits auf Deutschland. Sogar Frankreich ist hoffnungslos abgeschlagen. Die Frage ist jedoch, warum Vestager die Schieflage nicht verhindert hat. Schließlich müssen Beihilfen in Brüssel genehmigt werden. Vestager hat die deutschen Programme klaglos durchgewinkt. Sie hat nicht einmal versucht, für gerechten Ausgleich zu sorgen.

Wegen Corona habe alles ganz schnell gehen müssen, entschuldigt man sich in Brüssel. Die Anträge hätten nicht immer Angaben zu den Kosten enthalten, deshalb habe man das Volumen auch nicht abschätzen können. Außerdem sei es doch auch im Interesse der EU, wenn Deutschland seine Wirtschaft stütze.

Das ist nicht falsch. Zur ganzen Wahrheit gehört aber, dass es sich Vestager und ihre Chefin Ursula von der Leyen einfach nicht leisten konnten, „Nein“ zu sagen. Diese EU-Kommission ist zu schwach, um sich Deutschland zu widersetzen. Zur Wahrheit gehört auch, dass Berlin keine Rücksicht genommen hat. Wie andere hat auch Deutschland zuerst an sich gedacht. Immerhin scheint ein Umdenken einzusetzen, neuerdings bekennt sich die Bundesregierung zu mehr Solidarität. Hoffentlich ist es nicht zu spät.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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15 Kommentare

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  • Deutschland hat sich den Wohlstand, mit dem jetzt den durch die Coronakrise angeschlagenen Unternehmen geholfen werden kann, erarbeitet. Höhere Steuern, höheres Renteneintrittsalter, niedrigere Renten, niedrigere Löhne, Hartz 4 und ,und ,und.



    Dass nun die EU-Kommission sich gezwungen sieht, die deutsche Wirtschaft vorsätzlich zu schwächen, um die Lebensverhältnisse anzugleichen, um ja keinen Unmut in den anderen Ländern zu schüren, zeigt perfekt auf, dass die EU ein gescheitertes Projekt ist, das nicht mehr gerettet werden kann. Je eher der Spuk ein Ende hat, desto besser für alle Beteiligten.

    Übrigens wird auch übersehen, dass Deutschland der größte Nettozahler in der EU ist. Wer soll also zahlen, wenn auch die deutsche Wirtschaft enorme Coronaschäden davonträgt? Wahrscheinlich dennoch Deutschland. Die anderen können es ja nicht. Ich glaube aber kaum, dass das der Wähler mit sich machen lassen wird...

  • Danke.

    In EU Hauptstädten erleben wir Kakophonie, wer macht mit Rettungspaketen größten Haufen, scheißt doch der Teufel bekanntlich auf den größten. Das klingt nach Pfeifen im finsteren Wald, ohne zu wissen, wo es aus dem hinausgeht. Da ist doch klar, dass Deutschland größten Haufen macht, vor lauter Schiss um seine fremdfinanzierte Exportwirtschaft, die überwiegend Kredite an Auslandskunden vergibt, bei Handelsbilanzüberschuss 300 Milliarden €/2019, z. B. in Auto- , Flugzeug- , Maschinenbauindustrie, damit Auslandskunden deutsche Premium Produkte kaufen können. VW, Daimler, BMW agieren ungeregelt wie Schattenbanken in Weltschattenfinanzmarkt, die Kreditvolumen unser Blasenweltwirtschaft auf Wachstumskurs halten will, nur nebenbei Autos produzieren, Restrisiko rückversichert bei deutscher Hermeskreditversicherungsanstalt für deutsche Exportwirtschaft nach 1945. Anfänglich galt das nur bei politischen Risiken im Ausland. Das ist inzwischen, bei Deutungshoheit der Exportwirtschaft Lobby, anders.. Da gelten Absatzprobleme grundsätzlich innen wie außen als politisches Weltrisiko. Da geht es weniger darum, Schlüsselindustrie in Deutschland in Corona Pandemie mit Billionen € Höhe zu retten, als zu verhindern, dass diese Unternehmen mit fragilem Geschäftsmodell, bei massenhaften Kreditausfällen ihrer Kunden im In- , Ausland nicht in Schieflage ihrer Bilanzen geraten. Rettung der Wirtschaft durch Tal der Corona Pandemie 2020 sieht anders aus. Da geht es nicht um nationale Solo-Selbständigkeit sondern internationale Abstimmung in EU, der Welt, mit IWF, Weltbank, WTO, WHO, Bank für Internationalen Zahlungsverkehr, Zentral- , Notenbanken, in jeder Hütte Kaufkraft zu sichern, Konsumgüterproduktion Niveau bei offenen Grenzen aufrechtzuerhalten, statt wie 1933-1945 durch New Deal per Kaufkraftabschöpfung von Einkommen bis zu 96 % Steuer, wg. fehlendem Warenangebot bei globalem Protektionismus, Autarkiestreben für Aufbau militärisch-industriellen Komplex zu administrieren

  • "Auch der Aufschwung sei gefährdet, wenn Deutschland seine Unternehmen ohne Rücksicht auf die Konkurrenz protegiert."

    Ich glaub da hat einer nicht kapiert wie wir die letzten 2-3 Jahrzehnte wirtschaften. Wir haben keine Konkurrenz!

    Wir (die Bürger) geben Ländern die es sich nicht leisten können Kredite die die niemals tilgen können und dafür kaufen die unsere Waren und machen die Unternehmer und Besitzer immer schneller immer reicher.

    Wer es nicht glaubt: einfach mal nach Griechenland fahren.

    • @danny schneider:

      so ist es. Die Staatshilfen sind sehr sinnvoll, weil sie Insolvenzen vermindern. Das hilft allen Ländern, die mit Deutschland ökonomisch kooperieren.

      • 0G
        05653 (Profil gelöscht)
        @Monika Frommel :

        Ich fänd's besser, wenn Deutschen die Produkte geschenkt werden, die in Deutschland produziert werden. Ich würde sogar einen nicht rückzahlbaren Schuldschein ordnungshalber für die Bilanzierung bei Übergabe unterschreiben. Sonst würden einfach zuviele Buchhalter arbeitslos.

  • Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass nur ein paar wenige Länder in Europa in den letzten Jahren für schlechtere Zeiten vorgesorgt haben und deshalb derzeit in der Lage sind "in die Vollen zu gehen".

    Zur ganzen Wahrheit gehört außerdem, dass ein Großteil der Firmen in den südlichen Ländern darauf angewiesen sind, dass Firmen aus Deutschland Aufträge vergeben. Insofern ist jeder Euro, den deutsche Firmen erhalten, auch ein indirekter Beitrag für italienische, spanische oder portugiesische Firmen.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @Martin74:

      "Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass nur ein paar wenige Länder in Europa in den letzten Jahren für schlechtere Zeiten vorgesorgt haben und deshalb derzeit in der Lage sind "in die Vollen zu gehen"."

      Deswegen ist es ja umso perfider, dass sich die Bundesregierung so gegen Corona-Bonds sperrt. Erst selber teutonisch-dumpf sparen und dann Ländern mit Savoir-vivre die Solidarität verweigern.

      • @83492 (Profil gelöscht):

        wo ist die Logik? Länder, die keine Vorsorge getroffen haben, waren leichtfertig und haben in Zeiten großer Risiken die Zukunft ihrer Bürger gefährdet. Was soll da eine Vergemeinschaftung der Schulden?

        • 8G
          83492 (Profil gelöscht)
          @Monika Frommel :

          Entschuldigung, ich hätte meinen Beitrag deutlicher als Sarkasmus kennzeichnen sollen.

          " Was soll da eine Vergemeinschaftung der Schulden?"

          Für einige ist das ein Zeichen europäischer Solidarität, dass Bürger:Innen anderer Länder nicht für die wirtschaftspolitischen Fehler der von ihnen gewählten Regierungen einstehen müssen.

  • Vielleicht sollte man sich in Brüssel mal darum kümmern, daß das Wetter auch mal gerechter verteilt wird. Kalte und regnerische Sommer in Norddeutschland im Vergleich zum Mittelmeerraum sind nicht solidarisch und auch die unterschiedlicher Opferzahlen der Corona Krise sollten endlich solidarisch angeglichen werden.



    Ironie aus....



    Es gab Unterschiede innerhalb der EU und es wird sie auch in der Zukunft geben. Diese Unterschiede wurden durch Corona nicht erzeugt, sondern zeigen sie erst in aller Deutlichkeit auf

  • In der Pandemie ist es wie im wahren Leben. Reich besiegt arm.



    Deutschland war und ist durch und mit EU der große ökonomische Profiteur. Die schnelle Eingliederung Osteuropas hat uns ganz legal ein Heer billiger Arbeitskräfte beschert. Die EU Mitgliedschaft der armen Osteuropäer war und ist der entscheidende Hebel für den Billiglohn. Die Coronakrise hat es bei den Schlachthöfen drastisch ans Licht gespült. Von Menschenwürde ist da nichts zu sehen.

    Nicht umsonst gab es sofort eine Lösung für die osteuropäischen ErntehelferInnen, die einer brutalen und unmenschlichen Ausbeutung unterzogen werden.



    In welche Situation muss ein Mensch sein, damit er unter diesen Bedingungen arbeiten will?

    Dass die Bundesregierung in der Lage war und ist, notfalls eigene Spielregeln in der EU durchzusetzen oder wichtige Reformen zu blockieren, ist ja nichts Neues.

    • @Rolf B.:

      In Wirklichkeit profitiert derzeit niemand, alle verlieren. Die Osterweiterung hatte auch sicherheitspolitische Gründe. Dass ist auch der Grund warum sich D. so niedrige Militärausgaben erlauben kann (ich habe letztens gelesen, im Verteidigungsfall hat die BW für max. 3 Tage Munition, wenn man sparsam schiesst für 1 Woche. Falls sich Liechtenstein und Österreich zusammentun um sich für die Niederlage von 1866 zu rächen, dürfte es eng werden). Dafür boomt zB Polen seit Jahren, die Zeiten des absoluten Billiglohns sind hoffentlich bald vorbei. Mehr Sorgen macht mir der Süden. Spanien hat sich von der Franco Diktatur bis heute nicht erholt und Griechenland hat eine geografisch herausfordernde Situation.

  • Nun ja -- ich frage mich da allerdings schon, ob wir unsere Unternehmen aus lauter Rücksicht verrecken lassen sollen ...



    Wahr ist aber leider auch, dass die Corona-Krise die bestehenden wirtschaftlichen Ungleichheiten in der EU und in der Welt verschärft. Und dabei wird entscheidend sein, was sich die EU als Ausgleich für diese Ungleichheiten einfallen lässt (bzw. einfallen lassen darf). Und wie sich Deutschland und andere Länder wie die Niederlande dazu stellen. Wenn Deutschland seine Dominanz in der EU weiterhin ausbaut, hat die EU keine Zukunft. Dann ist der Brexit erst der Anfang.

    • 0G
      05653 (Profil gelöscht)
      @Libuzzi:

      In erster Linie veschärft der Euro die wirtschaftlichen Ungleichheiten. Der Virus beschleunigt diesen chronischen Prozess erheblich.

      • @05653 (Profil gelöscht):

        Wieso der EURO? Das ist nur Geld.



        Eher doch der Unwillen der Vertragsstaaten, diese gemeinsame Währung mit mehr auszufüllen als nur mit Budget-Regeln.