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St. Pauli holt Punkt gegen DortmundDie Angst des Trainers beim Elfmeter

Die Fußballer des FC St. Pauli starten mit einem Erfolgserlebnis in die Bundesliga-Saison. Nach 1:3-Rückstand gleichen sie gegen Dortmund noch aus.

Geschafft: St. Pauli trifft zum 3:3-Ausgleich nach 1:3-Rückstand Foto: Sina Schuldt/dpa

Hamburg taz | Alexander Blessin zog seine braune Käppi mit dem weißen Totenkopf für einen Moment vom Kopf, als er nach dem Schlusspfiff zu seinen Spielern ging. „Ich habe den Hut davor gezogen“, erklärte der Trainer des FC St. Pauli später, „dass die Jungs in jeder Phase des Spiels diese Mentalität gezeigt haben.“

Auch dann noch, als sie, trotz guten Spiels, zehn Minuten vor Schluss mit 1:3 zurücklagen gegen den Champions-League-Teilnehmer Borussia Dortmund. „Da kommst du normalerweise nicht mehr zurück“, sagte Blessin. In der Vorsaison war eine große Schwäche seines Teams gewesen, nicht mit Rückständen umgehen zu können.

Aber St. Pauli kam zurück. Erst traf Danel Sinani per Elfmeter, verursacht von Dortmunds Abwehrspieler Filippo Mané, der beim Liga-Debüt zudem eine Rote Karte sah. Dann erzielte Kapitän Eric Smith mit einem wuchtigen Schuss aus der zweiten Reihe den Ausgleich. So richtig zufrieden war hinterher dennoch niemand: Gegen zehn Dortmunder schien am tobenden Millerntor am Ende sogar der Sieg noch möglich.

Das beschreibt vielleicht am besten, was sich auf St. Pauli entwickelt hat: In der vergangenen Saison hatte man Dortmund zweimal alles abverlangt, aber dennoch verloren. Diesmal hätte schon nach einer guten halben Stunde alles vorbei sein können, als Kapitän Smith beim Stand von 0:1 Dortmunds Karim Adeyemi im Strafraum von den Beinen holte.

Vorsätzlich unfair

Hinterher gab er zu, dass er sich bewusst für das Foul entschieden und auf Torwart Nikola Vasilj verlassen hatte: „Ich wusste, dass ich ihn legen musste, weil wir da eine bessere Chance haben würden, als wenn er allein aufs Tor zuläuft“, sagte Smith, „denn Niko ist sehr gut im Elfmeter-Halten.“

Das war ziemlich untertrieben: Vasilj hatte in der Bundesliga bislang vier von fünf Elfmetern gehalten. Nun sind es fünf von sechs. Er erriet auch diesmal die Ecke und parierte den ordentlich geschossenen Strafstoß von Serhou Guirassy. Blessin hatte zunächst gar nichts dazu gesagt, wie sein Keeper damit einmal mehr sein Team im Spiel gehalten hatte. „Weil, des macht mir Angscht“, scherzte der Trainer in seinem schwäbischen Dialekt. „Ich habe ihn schon gefragt: Was ist mit dir los, was stimmt mit dir net?“

Vasilj scheint entschlossen, auch in der zweiten Bundesliga-Saison das Rückgrat der Mannschaft zu bilden. Einer Mannschaft, in der nach einem Jahr Bundesliga bis auf die Innenverteidigung kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist. Acht neue Spieler hat der Club in der Sommerpause verpflichtet. Er ist dabei seiner konservativen Linie treu geblieben und hat wieder einmal weniger Geld für Transfers ausgegeben, als er eingenommen hat.

Offenbar ist es gelungen, die namhaften Abgänge vor allem in der Offensive zu kompensieren, wie nicht nur der agile französische Mittelstürmer Andréas Hountondji mit seinem Premierentor zum 1:1 zeigte. Er ersetzt seinen Landsmann Morgan Guilavogui. Den hatte St. Pauli nach einer guten Saison als Leihspieler zwar gekauft, musste sich dann jedoch einem vertraglich verbrieften Rückkaufrecht seines Stammvereins beugen.

Eine Situation, die sich so ähnlich wiederholen könnte. Denn auch Hountondji ist nur ausgeliehen. Spielt er eine starke Saison, muss er danach vielleicht auch zurück zum FC Burnley. Der englische Club hält die Transferrechte. Die Position illustriert das Dilemma, in dem der FC St. Pauli steckt: Ein Mittelstürmer, der sofort Bundesliga-Ansprüchen genügt, kostet eine Ablösesumme, die der Club nicht bezahlen könnte.

Die Mannschaft ist weiter als im Vorjahr

Insgesamt standen fünf Neue gegen Dortmund in der Startelf und überzeugten allesamt. Ihre Integration ist erkennbar schon weit fortgeschritten. Das mag auch daran liegen, dass sie sich in ein eingespieltes System einfügen. Und, dass sie gezielt für die von Blessin bevorzugte Spielweise geholt wurden: In der Vorsaison war er selbst erst wenige Wochen vor dem Auftakt gekommen und hatte sich mit den Spielern arrangieren müssen, die da waren.

Damals stand am Saisonbeginn eine Findungsphase und bis zum ersten Punktgewinn vergingen vier Wochen. Dass der nun schon im ersten Ligaspiel gelungen ist – und das auch noch gegen ein Spitzenteam –, lässt auf den erneuten Klassenerhalt hoffen.

Psychologisch günstig ist, dass St. Pauli damit schon mal einen Mini-Schritt vor den direkten Abstiegskonkurrenten Heidenheim und Werder Bremen liegt. Beide haben ihre Auftaktspiele verloren. Den dritten will man am kommenden Freitag distanzieren – im Stadtderby beim Aufsteiger Hamburger SV.

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