Spekulation mit Immobilien: Das Spiel mit der Aufwertung
Signa-Gründer René Benko kauft gern Kaufhäuser in Innenstadtlage. Das Kaufhausgeschäft interessiert dabei wenig, es geht um den Wert der Immobilien.
W er sich um die Zukunft deutscher Innenstädte sorgt, sollte einen Blick in die Stuttgarter Eberhardstraße werfen. Nur wenige Meter vom Rathaus entfernt steht dort eine etwas in die Jahre gekommene Galeria-Kaufhof-Filiale. Ein typischer Bau der Nachkriegsmoderne: dunkles Glas, angelaufener Beton und die mit wabenartigen Horten-Kacheln verzierte Fassade.
Immobilien wie in der Eberhardstraße gibt es in Deutschland in fast jeder größeren Stadt. Zentral gelegen, architektonisch unattraktiv und immer weniger frequentiert. Und, ebenfalls nicht ungewöhnlich für Warenhäuser, oft Eigentum des österreichischen Immobilienunternehmens Signa und damit akut vom Abriss bedroht.
Signa ist mittlerweile einer der größten Player auf dem deutschen Immobilienmarkt. Ihr Gründer, der österreichische Self-Made-Milliardär René Benko, hat mit der Signa Holding innerhalb von etwas mehr als zwei Jahrzehnten ein ganzes Immobilienimperium geschaffen.
Die Anfänge Benko, geboren 1977 in Innsbruck, kommt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. Laut eigenen Angaben begann er seine Karriere im Teenageralter, indem er Dachstühle ausbauen ließ.
Die Netzwerke Der Unternehmer gilt als bestens vernetzt in der Politik. Österreichs Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zählt zu seinen engen Freunden, beim Berliner Hermannplatz holte er sich Unterstützung von Joschka Fischers PR-Firma.
Die Korruption Benko ist immer wieder in Korruptionsfälle verwickelt. 2014 wurde er rechtskräftig wegen versuchter Bestechung verurteilt, im Oktober gab es einen weiteren Prozess, in dem er aber im Januar freigesprochen wurde.
Zum Portfolio des undurchsichtigen Firmengeflechts gehören nicht nur prestigeträchtige Immobilien wie das KaDeWe in Berlin, die Alsterarkaden in Hamburg oder die Alte Akademie in München, sondern auch zahlreiche Kaufhausimmobilien, die Benko mit der Übernahme der Warenhauskonzerne Galeria-Kaufhof und Karstadt erworben hat. Wie Deutschlands Städte gestaltet werden, bestimmt Immobilienmogul Benko mittlerweile maßgeblich mit.
In der Eberhardstraße schien das Ende des Warenhausstandorts schon lange vor der Bekanntgabe der Schließung im März besiegelt. Der Anbau mitsamt Verbindungssteg auf der gegenüberliegenden Straße wurde bereits vor zwei Jahren abgerissen. „Man hatte das Gefühl, der Laden läuft seit Jahren auf Schmalspurbetrieb“, sagt Hannes Rockenbauch. Der Stadtplaner und Architekt ist Fraktionsvorsitzender in der linken Sammelfraktion im Stuttgarter Gemeinderat und sieht Signas Treiben in Stuttgart seit Langem kritisch. Bereits 2020 diskutierte Signa mit der Stadt über einen Abriss des Gebäudes. Wenig später war klar: Signa will einen Büroneubau, in den die Bundesbank als Hauptmieter einziehen soll.
Die Aufwertung von Immobilien ist das eigentliche Kerngeschäft Signas, wie eine 2021 von dem britischen Wirtschaftsmagazin Bloomberg veröffentlichte Analyse nahelegt. Dabei geht der Konzern immer nach demselben Schema vor: Immobilien in zentralen Lagen kaufen und ihren Wert deutlich steigern. Für die maximale Wertsteigerung führt an einem kompletten Abriss und Neubau oft kein Weg vorbei; höchstens das Betonskelett bleibt bei einigen Bauprojekten noch erhalten.
Trotz des immensen Aufwands und der damit verbundenen Kosten, die bei Signas Projekten nicht selten in dreistelliger Millionenhöhe liegen, ist die Methode der Aufwertung höchst profitabel. Der Gewinn ergibt sich dabei weniger aus den höheren Mieteinnahmen, die in den Neubauten verlangt werden können – bis sich die Investitionskosten amortisiert haben, kann es Jahrzehnte dauern –, sondern durch die gestiegene Immobilienbewertung, mit der sich schon jetzt neues Kapital anlocken lässt.
Externe, aber meist vom Unternehmen bezahlte Gutachter errechnen den Wert einer Immobilie unter anderem auf Grundlage der zu erwartenden Mieteinnahmen, die in den nächsten Jahrzehnten mit der Immobilie erzielt werden können. Diese sind wiederum abhängig von der Lage, Geschossfläche, Attraktivität der Architektur und der Marktentwicklung. Reißt Signa also das Kaufhaus ab und baut stattdessen schicke Büros, die sich deutlich teurer vermieten lassen, steigt die Immobilienbewertung. Und das, bevor überhaupt ein Stein bewegt worden ist.
Leonhard Dobusch, Wirtschaftswissenschaftler
Zu Geld gemacht wird der Bewertungsgewinn nicht nur, wenn die Immobilie zu dem gestiegenen Preis verkauft wird, sondern auch wenn er als Hypothek für einen neuen Kredit dient. Mit diesem lassen sich sowohl die alten Kredite ablösen als auch neues Kapital generieren. „In der Branche wird kaum getilgt, sondern nur refinanziert“, erklärt Leonhard Dobusch, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Innsbruck.
Nach internationalen Rechnungslegungsstandards könne diese Wertsteigerung als Gewinn ausgewiesen werden, weil auch die Vermögenswerte des Unternehmens gestiegen sind, sagt Dobusch. Dadurch lasse sich die Ausschüttung hoher Dividenden an die Investor:innen rechtfertigen. „Die Ausschüttungen locken wiederum neue Investor:innen an, die nach profitablen Anlagemöglichkeiten suchen.“
Frisches Geld für neue Immobilien
Mit dem frischen Geld kauft Signa wieder neue Immobilien und Grundstücke, mit denen sich ähnliche Wertsteigerungen erzielen lassen. Um möglichst hohe Gewinne zu erzielen, plant Signa die Projekte so groß und monumental wie möglich.
Am Berliner Hermannplatz will Signa das im Krieg zerstörte Karstadt-Gebäude von 1929 rekonstruieren, das mit seinen zwei Türmen und der Art-déco-Fassade deutlich spektakulärer wäre als der aktuelle Bau der Nachkriegsmoderne. In Hamburg will Signa mit dem Elbtower nicht weniger als ein neues Wahrzeichen der Stadt errichten. Bestens gelegen im Osten der Hafencity, mit einer Höhe von 245 Metern und einem Investitionsvolumen von voraussichtlich 960 Millionen Euro.
Es ist kaum verwunderlich, dass Signa angesichts der oft überdimensionierten Vorhaben in innerstädtischen Lagen auf politischen Widerstand stößt. Dabei gilt: Jedes Hindernis, das Benko aus dem Weg schafft, bedeutet Profit in Form von höherer Bewertung.
„Projektentwicklung ist in guten Teilen ein Lobbyistengeschäft“, erklärt Christoph Trautvetter. Der wissenschaftliche Referent des Netzwerks Steuergerechtigkeit ist ein Kenner der von Finanzkapital getriebenen Immobilienbranche. Vor allem ginge es darum, bei den Bebauungsplanverhandlungen möglichst viel herauszuschlagen. „Dieses Geschäft hat Benko perfektioniert.“
Auch in der Eberhardstraße stießen Signas Pläne anfangs auf Gegenwehr. Die Stadt sah mehr Potenzial für das zentral gelegene Grundstück, als noch einen weiteren Bürostandort zu schaffen. So suchte sie schon seit Längerem nach einem Standort für ein „Haus der Kulturen“, das Raum für zivilgesellschaftliche Gruppen bietet. Als Signa die Immobilie 2020 innerhalb ihres Firmengeflechts verkaufte, zog der damalige Bürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) das Vorkaufsrecht, um das Grundstück für die Stadt zu erwerben.
Doch so einfach gab Signa nicht auf. Das Immobilienunternehmen klagte gegen das Vorkaufsrecht, drohte mit jahrelangem Rechtsstreit, machte Alternativangebote, Versprechungen, lobbyierte, wo es ging. Entscheidend war die Unterstützung von Kuhns Nachfolger, CDU-Mann Frank Nopper, der Signa deutlich wohler gesinnt war: „Es gab kaum zu einem Thema so viele Ausschusssitzungen wie zur Eberhardstraße“, erinnert sich Rockenbauch. Jedes Mal habe der Oberbürgermeister auf einen Kompromiss gedrängt.
Letztendlich knickte der Gemeinderat im vergangenen Oktober ein und segnete eine Vereinbarung mit Signa ab: Die Stadt verzichtete auf das Vorkaufsrecht, im Gegenzug musste das Immobilienunternehmen versprechen, 75 Wohnungen in der Umgebung zu schaffen. Als im Februar dann noch die Commerzbank ankündigte, das Gebäude kaufen zu wollen, schien der Deal für Benko perfekt.
Eine Vorstellung davon, wie groß der Gewinn sein kann, den Signa durch ihre Lobbyarbeit einfährt, liefert ein vergleichbarer Fall in Berlin. Neben dem Hermannplatz plant Benko, noch zwei weitere Galeria-Filialen in zentraler Lage umzubauen. Am Alexanderplatz reißt das Unternehmen einen Teil der Filiale ab, um es durch ein 130 Meter hohes Hochhaus zu ersetzen. Das Galeria-Gebäude am Kurfürstendamm soll gleich komplett durch einen Neubau mit mehreren Hochhaustürmen ersetzt werden.
Gegen die Vorhaben gab es seitens der Verwaltungen zahlreiche Bedenken, die vor allem mit dem monumentalen Ausmaß von Signas Planungen zusammenhingen. Die Karstadt-Rekonstruktion am Hermannplatz drohte sogar komplett zu scheitern, weil sich der zuständige Bezirk dagegen sperrte.
Als Galeria-Karstadt-Kaufhof im Zuge der Coronapandemie im April 2020 das erste Mal Insolvenz anmeldete, nutzte Signa eine mögliche Schließung der Berliner Galeria-Filialen als Druckmittel, um die drei ins Stocken geratenen Projekte voranzubringen. Durch eine „Letter of Intent“ genannte Absichtserklärung mit dem Berliner Senat sicherte das Unternehmen mehrjährige Bestandsgarantien für vier Galeria-Standorte zu. Im Gegenzug machte der Senat den Weg frei für die drei umstrittenen Bauprojekte. „Signa versucht die Politik schon seit Langem mit dem drohenden Tod der Fußgängerzonen und dem Verlust von Arbeitsplätzen unter Druck zu setzen“, kritisiert Trautvetter.
Allein am Berliner Alexanderplatz erhöhte sich der Immobilienwert von 2020 bis 2021, also kurz vor und kurz nach dem Letter of Intent, von 462,2 Millionen auf rund 1,1 Milliarden Euro, wie aus den Jahresberichten eines Commerzbank-Fonds hervorgeht, der in das Haus investiert hat.
Gewinne und Staatshilfen
Die astronomischen Gewinne, die Signa durch die Wertsteigerung ihrer Immobiliensparte einfährt, sind besonders brisant vor dem Hintergrund der Staatshilfen, die das Unternehmen im selben Zeitraum erhalten hat. Insgesamt 680 Millionen Euro an Krediten gewährte der Bund der Signa-Tochter Galeria, auf deren Rückzahlung im Zuge des zweiten, im März gestarteten Insolvenzverfahrens größtenteils verzichtet wurde. Währenddessen schüttete die Immobiliensparte Signas weiter Millionendividenden aus.
Das Geschäft mit der Wertsteigerung hat aber eine entscheidende Schwachstelle: Es läuft nur dann gut, wenn auch die Immobilienpreise steigen. Doch die Branche befindet sich derzeit in einer Krise, die auch nicht an Signa spurlos vorbeigehen wird. Nach Jahrzehnten des Wachstums sinken erstmals die Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien, während die Baukosten explodieren. Gleichzeitig steigen die Kreditzinsen kräftig an.
All diese Faktoren haben auch Einfluss auf die Immobilienbewertung. Steigen zum Beispiel die Zinsen, sinken somit auch die zu erwartenden Gewinne und somit die Bewertung des Gebäudes. Mit sinkender Bewertung wird wiederum die Refinanzierung der Kredite erschwert, für die es im schlimmsten Falle keine ausreichenden Sicherheiten gibt. „Die Marktsituation setzt ein Immobiliengeflecht wie die Signa unter enormen Druck“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Dobusch. „Es kommen schwierige Zeiten auf Herrn Benko zu.“
Verschärfend dürfte hinzukommen, dass Signa die Mieteinnahmen ihrer Immobilien trotz angespannter Marktlage sehr optimistisch kalkuliere. So zitiert der Spiegel aus einer internen Präsentation des Konzerns für Investor:innen über die Finanzierung des Elbtowers, dass die für die das geplante Hotel veranschlagten Übernachtungspreise von durchschnittlich 336 Euro selbst für die Gegend dort „sehr ambitioniert“ seien.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Viele Projekte des Unternehmens befinden sich noch im Bau oder sind noch in der Planungsphase. Nicht wenige Kritiker:innen fürchten, Signa könnte dasselbe Schicksal ereilen wie den kriselnden Immobilienkonzern Adler, der zahlreiche Bauruinen in deutschen Großstädten hinterlässt. So herrscht auf dem Hamburger Holstenareal seit fast vier Jahren Stillstand.
Dass auch für Benko derzeit nicht alles gut läuft, zeigt sich in der Stuttgarter Eberhardstraße. Ende März zog sich die Bundesbank als Mieter überraschend zurück. Laut Medienberichten begründete die Behörde ihren Schritt damit, dass der Bedarf an mehr Bürofläche nach der Coronapandemie nicht mehr gegeben sei. Auch die Commerzbank sagte daraufhin den Kauf der Immobilie ab.
Nach dem geplatzten Deal überließ Signa dann doch der Stadt das Gebäude. Dass sich das Unternehmen nicht zutraute, auch ohne die Bundesbank Mieter:innen für einen Neubau zu finden, zeigt, wie angespannt die Marktsituation sein muss.
Hannes Rockenbauch sieht darin einen Glücksfall. Es müssen endlich Gegenentwürfe zu den kommerziellen Räumen in der Stadt geschaffen werden. „Wir brauchen Orte, die die Bürger:innen sich aneignen können.“ Statt eines klimaschädlichen Abrisses solle die Stadt den Kaufhof erhalten und mit einer gemeinwohlorientierten Nutzung umbauen.
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