Galeria-Insolvenz und Stadtplanung: Was kommt nach dem Kaufhaus?

Am Montag entscheidet die Gläubigerversammlung von Galeria Karstadt Kaufhof über den Insolvenzplan. Drei Stimmen, was danach kommen kann.

verblichener hertie Schriftzug hinter einem Karstadt Schriftzug vor verwaschenem Beton

Was soll aus den alten Kaufhäusern werden? Foto: Peter Kneffel/dpa

Treffpunkt mal ohne Konsum

„Ich rechne damit, dass uns Kaufhäuser als städtische Ankerpunkte erhalten bleiben – aber mit einem anderen Innenleben, als wir es heute kennen. Das liegt nicht nur an der Krise der Warenhäuser, sondern auch am spekulativen Immobilienmarkt. Als Städte und Kommunen, ja als ganze Gesellschaft brauchen wir dringend Flächen für unkommerzielle Nutzungsarten, nicht für Büroimmobilien oder Luxuswohnungen, wie es renditeträchtige Im­mo­bi­lien­ver­werter planen. Wir müssen unsere Innenstädte, also auch Shoppingmalls und Warenhäuser, neu definieren. Denn in besten Innenstadtlagen bieten die Gebäude idea­le Voraussetzungen, um auch Orte für Sorgearbeit zu sein, die ja in unserer Welt einen viel zu geringen Stellenwert hat. Diese Arbeit würde damit sichtbar gemacht und bessere Bedingungen geschaffen werden.

Sorge­zen­tren können Treffpunkte für pflegende Angehörige sein oder Alternativen zum Spielplatz, die sich gut mit Betreuung und Bildung verknüpfen lassen, Tauschläden oder Reparaturwerkstätten. Auch gesundheitliche Nahversorgung, etwa Arztpraxen passen dazu. Insgesamt sollen es Orte sein, die Begegnungen auch ohne Konsum ermöglichen, die Nachbarschaften zusammenbringen. Bei dem Entscheidungsprozess, was in einem konkreten Gebäude passieren soll, braucht es unbedingt die Beteiligung der Menschen vor Ort. Doch es ist auch ein Engagement der Stadtregierungen nötig, denn sie haben die Planungshoheit, nicht die Investoren.

Dafür gibt es Stadtplanungsinstrumente wie das Ausweisen von Sanierungsgebieten, Bebauungsplanverfahren oder das Vorkaufsrecht, und die müssen die lokalen Regierungen nutzen. Und das muss schnell passieren: Bei Galeria Karstadt Kaufhof müssen die Warenhäuser jetzt gesichert werden, damit sie nicht an Immobilienhaie fallen. Natürlich gibt es immer wieder die Befürchtung, dass so tiefgreifende Transformationen nicht zu bezahlen sind. Aber es gibt unter anderem auf EU-Ebene Fördermittel für lebendige Innenstädte, und auch der Bund kann Gelder bereitstellen. Das Geld darf also kein Argument gegen Veränderungen sein.“

Katalin Gennburg ist stadt­entwicklungs­politische Sprecherin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Grüne Innenstadt für Jugendliche

„In vielen Städten wird nach den Kaufhaus-Schließungen eine andere Innenstadt kommen. Eine, die nicht nur vom Einkaufen, sondern von mehr Aufenthaltsqualität geprägt sein wird. Wenn wir uns anschauen, dass unter 30-Jährige zum Shoppen praktisch nicht mehr in die Innenstadt gehen, dann zeigt sich, dass wir neue Perspektiven brauchen. Die Situation bei Galeria Karstadt Kaufhof beschleunigt also einen Prozess, der ohnehin stattfindet: den Umbau der Innenstädte. Momentan ist da häufig zu viel Parkplatz, zu viele Flächen sind versiegelt, es ist zu wenig Grün da und zu wenig Leben. Also zu wenig Dinge, die ein Gefühl von „Hier will ich sein“ schaffen.

Nun gibt es bei diesem Transformationsprozess natürlich Hürden. Eine große: Die Immobilien gehören in der Regel nicht der Stadt selbst. Im besten Fall gehört einer Inhaberin oder einem Inhaber der selbst geführte Laden direkt, im ungünstigsten Fall ist zum Beispiel ein australischer Finanzinvestor der Eigentümer. Und dem ist ziemlich egal, was in einer mittelgroßen deutschen Stadt passiert, der will einfach nur seine Rendite. Als Stadt muss man also verschiedene, teilweise sich widersprechende Interessen und Perspektiven zusammenbringen: die Immobi­lien­eigentümer, die Händler vor Ort, aber vor allem auch die Menschen, die die Innenstadt nutzen. Deshalb ist das Wichtigste: eine Idee.

Eine Idee dafür, was ich als Stadt und Gesellschaft eigentlich tun will mit diesen unheimlich attraktiven Flächen. Und wenn ich sage, ich will mehr Grün haben und weniger Beton, ich will weniger Autos und Parkplätze, aber dafür etwas Wasser und Orte, die für Belebung sorgen – vielleicht eine Kita oder auch Wohnungen – dann kann ich damit arbeiten. Die Kernfrage sollte sein: Wo fühlen wir uns wohl? Und in der Regel fühlen wir uns da wohl, wo auch andere Menschen sind, wo Leben ist. Wir müssen also ­einen Raum schaffen, über den die Menschen sagen: Hier möchte ich gerne sein.“

Helmut Dedy ist Haupt­geschäftsführer des Deutschen Städtetags.

Ein Haus für Bildung

„Seit knapp zwei Jahren steht das alte Kauf­haus­gebäude bei uns in der Innenstadt leer. Vor etwa einem halben Jahr haben wir dann das Gebäude gekauft: Wir werden daraus ein Haus für Bildung machen, das von Gymnasien, Hochschulen und auch Start-ups genutzt wird. Momentan sind wir in der Konzept- und Entwicklungsphase und beteiligen unter anderem Schülerinnen und Schüler und Akteure von den Hochschulen und Start-ups daran. Die Nachnutzung wurde schon ziemlich kontrovers diskutiert, und auch andere Nutzungsarten waren im Rennen: Eine museale Nutzung oder Altenpflege unter anderem, aber auch eine Diskothek. Wir setzten darauf, dass wir mit dem neuen Konzept eine zusätzliche Belebung der Innenstadt und einen neuen Anziehungspunkt in der Altstadt schaffen. So kann es beispielsweise auch eine große, teilweise öffentlich zugängliche Dachterrasse geben, die Besucher etwa in den Nachmittagsstunden dazu einladen wird, bei Musik auf die historischen Kirchtürme zu gucken.

Im bundesweiten Vergleich steht Lübeck zwar noch recht gut da, was Attraktivität und Ansiedlungsbereitschaft angeht. Trotzdem haben wir vereinzelt Leerstände und wollen uns nicht auf der vergleichsweise komfortablen Situation ausruhen. Insofern kann das, was wir machen, auch ein Vorbild sein für andere Städte. Der großflächige Einzelhandel in Warenhausstruktur wird nicht die Zukunft sein. Dabei muss es nicht für jede Stadt das Richtige sein, auf Bildung als Nachnutzung zu setzen. Aber dass man aus großflächigen Warenhäusern andere, kleinteilige und flexiblere Nutzungen macht, das wird in vielen Städten passieren. Wichtig sind drei Dinge.

Erstens: Man sollte sich niemals damit zufriedengeben, das Gebäude einfach dauerhaft zu schließen. Zweitens: Die Stadtplanung muss in öffentlicher Hand bleiben – es werden sich zwar viele Akteure mit vielen Ideen finden, die meisten münden aber darin, wie sie selbst viel Geld machen können. Drittens: Am Geld wird es dennoch nicht scheitern. Wenn die Idee gut und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ist, dann werden sich auch Geldquellen finden.“

Jan Lindenau (SPD) ist Bürgermeister von Lübeck.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.