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Sparpolitik in BerlinDas Geld liegt auf der Straße

Sparen, sparen, sparen ist das Credo des Berliner Senats. Doch man könnte auch die Einnahmen erhöhen. Bei Au­to­fah­re­r*in­nen ist viel zu holen.

Autos wird viel Platz eingeräumt, zur Kasse gebeten werden Au­to­fah­re­r*in­nen aber oftmals nicht Foto: imago/Rüdiger Wölk

Berlin taz | Nach der Sommerpause geht es in der Hauptstadt los mit den Haushaltsverhandlungen – und es sieht nicht gut aus für das soziale Berlin. Zwar sieht der über 40 Milliarden Euro schwere Entwurf des Senats für 2026/27, der Mitte Dezember vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden soll, mehrere Milliarden Mehrausgaben vor. Die sind allerdings zu großen Teilen für die gestiegenen Personalkosten vorgesehen. Abgesehen davon gab Finanzsenator Stefan Evers (CDU) die Vorgabe aus: „Wir werden alle weiter sparen müssen.“

Und das wird – wie immer in klammen Zeiten – wohl vor allem im Sozialbereich geschehen. Aber auch bei Bildung, Kultur, Klimaschutz und der Verkehrswende soll gekürzt werden, als handelte es sich dabei bloß um ein nice to have. Das neue Bündnis soziales Berlin ruft daher für den Beginn der Haushaltsberatungen Anfang September zu Protesten gegen den sozialen Kahlschlag auf.

Doch was soll man machen, wenn kein Geld da ist? Greif mal einem nackten Mann in die Tasche, wie Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) so (un)schön sagt. Doch ist Berlin wirklich so nackt? Und wenn ja, muss das so sein?

Dem Autofahrer an die Tasche zu gehen, ist schwer vermittelbar

Antje Kapek, Grünen-Fraktion

Zumindest in Bondes Verantwortungsbereich wird das Geld quasi auf der Straße liegen gelassen. Denn das Geld von Au­to­fah­re­r*in­nen wollen CDU und SPD bislang nicht, obwohl diese Minderheit massiv viel Fläche beansprucht. „Dem Autofahrer an die Tasche zu gehen, ist schwer vermittelbar“, weiß auch die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Kapek.

Abkassieren statt kürzen

Eins ums andere kürzt der schwarz-rote Senat soziale Projekte weg, sägt an kulturellen Institutionen und dem Klimaschutz und wickelt die Verkehrswende ab. Um die Infrastruktur der Stadt in Zeiten knapper Kassen zu erhalten, macht sich die taz auf die Suche nach neuen Einnahmen. Teil 1: Parkgebühren und Bußgelder

Anwohnerparken könnte sich verzehnfachen

Zumindest bei den Parkgebühren kippt die Stimmung aber langsam. Das Unverständnis, in Zeiten knapper Kassen gerade einmal 10,20 Euro – pro Jahr, nicht pro Monat – für einen An­woh­ne­r*in­nen­park­aus­wei­s zu verlangen, was nicht einmal die Verwaltungskosten deckt, hat mittlerweile auch die Verkehrssenatorin erreicht. Sie könne sich eine Verzehnfachung des Preises vorstellen, sagte sie dem Tagesspiegel.

Mit den angepeilten 80 bis 120 Euro im Jahr wäre Berlin derweil im Bundesvergleich immer noch Schlusslicht. Würde sich der Senat ein Beispiel am Grünen-regierten Spitzenreiter Bonn nehmen, wo An­woh­ne­r*in­nen­par­ken 360 Euro pro Jahr kostet, könnte es jährlich mehr als 75 Millionen Euro einnehmen – statt wie derzeit 2,5. Für die Ber­li­ne­r*in­nen wären das immer noch weniger als ein Euro pro Tag für die Privatisierung von durchschnittlich zwölf Quadratmetern Verkehrsfläche für 1,4 Tonnen umweltschädliches Blech.

Aber das ist unpopulär, die Autolobby ist stark und Hunderttausende Au­to­fah­re­r*in­nen sind Hunderttausende potenzielle Wähler*innenstimmen. Selbst in der Linken ist das Thema umstritten, die Grünen sprechen sich zwar für eine Erhöhung aus, nennen aber keine Zahlen, die SPD fordert immerhin 160 Euro.

Parkraumbewirtschaftung bringt Millionen

Noch mehr Geld könnte Berlin einnehmen, wenn es – wie viele andere Städte – für alle Parkplätze Geld verlangen würde. „Wir brauchen mehr Parkraumbewirtschaftung“, sagt der Linken-Abgeordnete Kristian Ronneburg zur taz. Denn bisher gibt es die fast nur innerhalb des S-Bahn-Rings und selbst da nicht flächendeckend. Einen Plan, das zu ändern, gibt es längst. Doch weil Bonde auch hier kürzt, statt zu investieren, geht es nicht voran.

Dabei lohnt sich das doppelt und dreifach: Laut den bezirklichen Haushaltsplänen nimmt Mitte, als einziger Bezirk mit flächendeckender Parkraumbewirtschaftung, jährlich rund 19 Millionen Euro mit Parkscheinen ein. In anderen Bezirken liegen die Einnahmen, wenn überhaupt, im unteren einstelligen Millionen-Bereich, teilweise sind es auch nur wenige Hunderttausend. Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Reinickendorf und Treptow-Köpenick verzichten gänzlich auf Parkgebühren – wobei in drei der vier genannten Bezirke ein*e CDU-Politiker*in das Sagen hat.

Dabei ist die Parkraumbewirtschaftung nicht nur finanziell von Vorteil. „Gerade am Stadtrand wäre das wichtig, weil dort die An­w­oh­ne­r*in­nen darunter leiden, dass Pend­le­r*in­nen aus Brandenburg vor ihrer Haustür parken“, sagt die Grünen-Abgeordnete Kapek.

Der Senat könnte die Bewirtschaftung anordnen, weil er das aber nicht tut, sind die Bezirke zuständig. Und dort steht eben entweder die Auto-Partei-CDU auf der Bremse oder es fehlen die Mittel für Parkscheinautomaten und Kontrollen – deren Kosten sich in kurzer Zeit wieder reinholen lassen.

Elf Prozent der Bußgelder werden nicht geahndet

Weniger kontrovers als Parkgebühren ist es, diejenigen zur Kasse zu bitten, die mit ihrem rücksichtslosen Verhalten eine Gefahr für andere Ver­kehrs­teil­neh­me­r*in­nen darstellen. Und das sind gar nicht mal so wenige: Wie die Senatsinnenverwaltung auf taz-Anfrage mitteilt, gab es im vergangenen Jahr rund 3,8 Millionen Anzeigen wegen Verkehrsverstößen. 2,7 Millionen davon betreffen neben fehlende Plaketten Falschparker*innen. Das klingt harmlos, kann aber für Rad­fah­re­r*in­nen auch lebensgefährlich enden.

850.000 Anzeigen betrafen Geschwindigkeitsübertretungen, 24.000 Fahren über Rot. In diesem Jahr gingen bis Ende Juli bereits 2,4 Millionen Anzeigen ein, setzt sich der Trend fort, wären das bis Jahresende über vier Millionen. Das ist schlecht für die Sicherheit der Berliner*innen, aber gut für die Landeskasse. Sollte man meinen. Jedoch wurden etwa 430.000 dieser Anzeigen nicht geahndet. Elf Prozent der Bußgelder gingen Berlin durch die Lappen. In diesem Jahr waren es bis Ende Juli bereits 270.000.

Ein Grund dafür ist laut Kapek fehlendes Personal in der Bußgeldstelle. Ein weiteres Problem ist, dass die Verantwortlichen oft nicht ermittelt werden können. Hier könne eine Halterhaftung helfen, so die Verkehrspolitikerin. Hinzu kommt die kurze Verjährungsfrist von nur drei Monaten. 46.000 Anzeigen fielen so unter den Tisch.

„Es kann nicht sein, dass Bußgelder verfallen, weil die Behörde nicht hinterherkommt“, findet der Linke-Abgeordnete Ronneburg. Er fordert mehr Personal und eine bessere Digitalisierung. Denn eigentlich müsste die Behörde noch mehr arbeiten: „Es gibt viel zu wenige Kontrollstellen“, so der Verkehrsexperte. Auch, weil unter Schwarz-Rot nicht mehr in mobile Blitzer investiert werde. Dabei lohne sich das schon nach kurzer Zeit. Auch bei den regelmäßigen Blitzermarathons der anderen Bundesländer nimmt Berlin nicht mehr teil. Ronneburg sagt: „Das ist fahrlässig, sowohl in Bezug auf die Einnahmen als auch die Verkehrssicherheit.“

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2 Kommentare

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  • Wow das sind linke Ideale: mehr Kontrollen, mehr Blitzer, längere Verjährungsfrist... man könnte sentimental werden.

  • Leute, wir müssen mal reden:

    Dieses verzweifelte Suchen nach zusätzlichen Einnahmenquellen quält mich langsam. Es wirkt so verzweifelt.

    Wenn ich mir die Abgabenlast und die absoluten Ausgabeentwicklungen anschaue, kann das so nicht mehr weitergehen. Steuern und Abgaben haben im internationalen Vergleich eine Höhe, die nicht mehr schön ist, fast schon erschreckend.

    Ich habe wirklich Angst, dass das Kartenhaus zusammenbricht und am Ende hat niemand mehr etwas.

    Wäre nett, wenn ich ein paar Meinungen hören würde, jenseits von verzweifelten Suchen nach neuen Quellen (Beamtenpensionen, Freibeträge, Vermögenssteuern, höhere Steuern,…) oder utopischen Gesellschaftskonzepten. Einfach Meinungen die sich im Hier und Jetzt befinden.