Spar-Kampagne auf Stromfresser-Flächen: Kontraproduktive Werbeträger

In Hamburg wird fürs Energiesparen geworben – auf stromverbrauchenden Werbetafeln. Naheliegend wäre, dass solche Tafeln aus der Stadt verschwinden.

Digitale Werbetafel mit Anzeige der Stromspar-Kampagne.

Stromfressende Kampagne fürs Stromsparen: digitale Werbetafel in Hamburg Foto: Marcus Brandt/dpa

Es ist schon ein paradoxes Bild, das sich seit einigen Tagen an ziemlich vielen Orten in Hamburg und darüber hinaus bietet: Hell flimmernd auf Werbeflächen, die so groß sind wie ein durchschnittliches Hamburger WG-Zimmer, werden Sie, ich – wir alle – zum Stromsparen animiert.

„Wer Energie spart, stärkt Deutschlands Unabhängigkeit“, prangt auf digitalen Werbetafeln zu jeder Tages- und Nachtzeit. Mal wird die Botschaft untermalt mit dem Hinweis, dass ein Energiespar-Duschkopf für satte Reduktionen des Energieverbrauchs für Warmwasser sorgt; mal kommt der Ratschlag, dass der Gefrierschrank ja auch abgetaut werden könne – das spare schließlich bis zu 50 Prozent Energie.

In der ganzen Republik hat das Klima- und Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck (Grüne) derlei Anzeigen auf digitalen Werbetafeln geschaltet. Doch in Hamburg fällt es zusammen mit der vor einigen Wochen gestarteten Volksinitiative „Hamburg Werbefrei“. Die setzt sich für ein Ende digitaler Werbetafeln auf öffentlichem Grund ein und würde am liebsten, auch aus ökologischen Gründen, Werbung gänzlich aus dem Stadtbild entfernen.

Und die Initiative hat den Widerspruch der Kampagne natürlich schnell gemerkt: „Wenn die Lage tatsächlich so ernst ist: Was wäre verzichtbarer als Werbung?“, fragt ihr Sprecher Martin Weise und fordert deshalb, doch die digitalen Werbeanzeigen abzuschalten. Recht hat er.

Geld oder Energiesparen?

27 Millionen Euro kassiert die Stadt pro Jahr durch die Vermietung der öffentlichen Flächen an die Werbetafelbetreiber. Wenig Geld, das die Stadt für die öffentlichen Belange ausgeben kann, ist das natürlich nicht. Andererseits: Auch Hamburgs rot-grüner Senat meint sich im Klaren darüber, dass wir alle angesichts der Klima- und Umweltkrisen umsteuern müssen. Die beste Kilowattstunde Strom ist die nicht verbrauchte, heißt es ja nicht erst seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine. Oder um es in den Worten von Habecks Werbeanzeige zu sagen: „Jede Kilowattstunde zählt.“

Die großen digitalen Tafeln verbrauchen im Jahr etwas mehr als 40.000 Kilowattstunden. 40.000-fach zählt also gerade jede dieser Werbetafel, weil die Wärme- und Energiewende ja blöderweise zu langsam vorankommt. Bei einem Zwei-Personen-Haushalt liegt der durchschnittliche Gesamtverbrauch bei rund 3.500 Kilowattstunden. Was bei diesem Verbrauch alles etwas unnötig und einsparbar ist, mag gern zur Debatte stehen.

Ein bisschen kürzer zu duschen ist sicherlich keine übertriebene Freiheitseinschränkung – und würde in der Summe tatsächlich eine ganze Menge bringen. Aber jede kommerzielle Werbung auf fetten LED-Bildschirmen ist ganz sicher unnötig und einsparbar – auch wenn dort manchmal sinnvolle Kampagnen laufen, wie Habecks Einsparappelle. Die jedoch könnte er auch anders und ressourcenschonender kommunizieren. Die Stadt Hamburg sollte da nun mutig vorangehen und die Verträge mit den Werbetafelbetreibern aufkündigen.

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Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.

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