Spaltung zwischen Fatah und Hamas: Abbas verspricht Wahlen
Der Palästinenserführer kündigt gemeinsame Wahlen für das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem an. Doch die Hindernisse sind groß.
„Dass Abbas die Wahlen dieses Mal per Präsidialdekret angeordnet hat, lässt es wahrscheinlicher erscheinen, dass es tatsächlich Wahlen gibt“, sagt Nidal Foqaha von der Palästinensischen Koalition für Frieden zur taz. „Doch eine Garantie gibt es nicht“, fügt er hinzu.
Viele Analyst*innen haben große Zweifel. Sie sehen Abbas’ Ankündigung eher als Versuch, seine Legitimität in den Augen der internationalen Gemeinschaft wiederzugewinnen und als Zeichen an den künftigen US-Präsidenten Joe Biden, zu Friedensverhandlungen mit Israel bereit zu sein.
Die Palästinenser*innen fanden sich im vergangenen Jahr zunehmend isoliert wieder. Trumps vermeintlicher Friedensplan wurde über ihre Köpfe hinweg entschieden. Die in den letzten Monaten abgeschlossenen Normalisierungsabkommen zwischen verschiedenen arabischen Ländern und Israel ließen die Frage nach einem palästinensischen Staat in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Kein Interesse an Palästinenser-Wahlen
Tatsächlich scheinen die Wahlen weder im Interesse der im Gazastreifen regierenden terroristischen Hamas-Organisation noch der im Westjordanland regierenden Fatah-Partei zu liegen. Keine der beiden will riskieren, der gegnerischen Partei die Kontrolle über ihren bisherigen Herrschaftsbereich überlassen zu müssen.
Zuletzt haben die Palästinenser*innen 2006 ihren Legislativrat gewählt. Hamas siegte im Gazastreifen, doch die USA und andere westliche Länder weigerten sich, mit der Einheitsregierung zusammenzuarbeiten, weil die Hamas internationale Forderungen wie Gewaltverzicht und die Anerkennung des Existenzrechts Israels nicht akzeptieren wollte.
Es kam zu einem kurzen Bürgerkrieg zwischen beiden palästinensischen Gruppen. Er endete im Juni 2007, als die Hamas im Küstenstreifen Gaza die Kontrolle übernahm und Abbas eine Notstandsregierung im Westjordanland bildete. Die politische und geografische Spaltung machte seitdem gemeinsame Wahlen unmöglich.
Auch Israel hat laut Ronni Shaked vom Jerusalemer Harry-S.-Truman-Institut für Friedensentwicklung kein Interesse an Wahlen in den palästinensischen Gebieten: „Das rechtsgerichtete Israel des Likud wird den Palästinensern keine Chance auf Wahlen geben, und der Hamas nicht die Möglichkeit, ins Westjordanland zu kommen“, so Shaked zur taz.
Außerdem könnte ein Urnengang eine Versöhnung zwischen Gaza und Westjordanland bedeuten – auch dies wolle Israel nicht erlauben. Dementsprechend werde Israels Regierung beispielsweise nicht ermöglichen, dass die in Ostjerusalem lebenden Palästinenser*innen von dort ihre Stimme für eine palästinensische Führung abgeben dürfen, obwohl sie seit den Oslo-Abkommen dazu berechtigt sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers