Spätfolgen des Vietnamkrieges: Tran To Ngas letzter Kampf
Eine 78-jährige Französin mit vietnamesischen Wurzeln klagt gegen 14 Chemiekonzerne. Die haben das hochgiftige Agent Orange hergestellt.
Zuletzt hatte die Coronapandemie den Prozessauftakt weiter verschoben. Am Montag hat in Évry bei Paris endlich die Anhörung in dem von ihr angestrengten Prozess begonnen. Tran hatte dort schon 2014 Klage gegen 14 große Chemiefirmen eingereicht, darunter Dow Chemical und Monsanto, das heute zur Bayer AG gehört.
Die Firmen hatten dem US-Militär in der Zeit von 1961 bis 1971 das dioxinhaltige Entlaubungsmittel für den Vietnamkrieg geliefert, das wegen der orangefarbenen Banderolen um die Fässer diesen Namen bekam.
Mit Agent Orange und anderen Giften zerstörte das US-Militär dem Vietcong im Dschungel die Deckung und die Nahrung. Knapp 80 Millionen Liter wurden aus Flugzeugen versprüht, das meiste davon war Agent Orange.
Das dioxinhaltige Agent Orange verändert das Erbgut
So wurden Millionen Zivilisten und Soldaten auf beiden Seiten zu Opfern der hochtoxischen und erbgutverändernden Chemikalie. Noch heute werden in dritter Generation Babys mit schweren genetischen Defekten geboren. „Ich kämpfe nicht für mich, sondern für meine Kinder und Millionen von Opfern“, sagt Tran.
Ihre Eltern hatten noch gegen die Franzosen gekämpft, sie selbst hatte sich als Lehrerin und Journalistin im Krieg gegen die USA engagiert. 1966 geriet sie in einen Sprühnebel aus Agent Orange, weil sie aus Neugier ihren Unterstand verlassen hatte.
Ihr zwei Jahre später geborenes Kind hatte Hautprobleme, Atembeschwerden sowie einen Herzfehler und wurde nur 17 Monate alt. Ihre zweite Tochter brachte Tran im Gefängnis in Saigon zur Welt. Auch die leide unter ähnlichen gesundheitlichen Problemen wie sie selbst: Herzfehler, Asthma, Diabetes. Tran hatte zudem noch Krebs.
Vietnamesische Sammelklage scheiterte in den USA
Seit 1992 lebt Tran in Évry, Französin wurde sie, die noch zur Kolonialzeit Frankreichs im Süden Vietnams geboren wurde, im Jahr 2004. Als sie im Rahmen ihres sozialen Engagements in der alten Heimat auf andere Agent-Orange-Opfern traf, kam sie auf die Idee, dass auch ihre Gesundheitsprobleme von dem Entlaubungsmittel stammen. Ein deutsches Labor bestätigte dies anhand von Blutproben. Erst eine Gesetzesänderung in Frankreich machte 2013 den Weg für einen Prozess frei.
In den USA waren vietnamesische Opfer 2005 mit einer Sammelklage gegen die verantwortlichen Chemiefirmen gescheitert. Veteranen aus den USA, Südkorea und Australien konnten dagegen Entschädigungen erstreiten, zum Beispiel 180 Millionen Dollar im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs 1984 in den USA.
Sollte Tran ihren Prozess gewinnen wäre sie das erste zu entschädigende vietnamesische Opfer und damit ein wichtiger Präzedenzfall. Die Chemiefirmen dürften aber sicher in Berufung gehen. Sie schieben die Verantwortung für den Einsatz von Agent Orange auf die US-Regierung ab und verweisen ansonsten auf die damalige Kriegssituation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag