Sozialreform der Ampel: Bürgergeld kurz vor Go
Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss stimmen Bundestag und Bundesrat erneut über die Reform ab. Die Grünen rechnen mit großer Mehrheit.
Am Freitagmorgen muss zunächst der Bundestag das Bürgergeld auf die Tagesordnung setzen, um dann ohne Aussprache über den nachjustierten Gesetzentwurf zu votieren. Danach wird er in der Länderkammer debattiert und abgestimmt. Im Bundestag genügt die einfache Mehrheit, im Bundesrat müssen 35 von 69 Ländervertreter:innen mit Ja stimmen. Eine Mehrheit in beiden Gremien gilt als sicher.
Denn die SPD-geführte Ampelregierung hatte sich mit der Union, die dem Bürgergeldgesetz im Bundesrat zunächst nicht zugestimmt hatte, zu Wochenbeginn auf einen Kompromiss geeinigt. Den billigte der Vermittlungsausschuss am Mittwoch. Auf Druck der Union wurde die Karenzzeit verkürzt, in der die Jobcenter für Menschen ohne Job die Wohnkosten übernehmen und Rücklagen nicht aufgebraucht werden müssen. Die Grenze für diese Schonvermögen wurde ebenfalls gesenkt. Auch die sogenannte Vertrauenszeit ist aus dem Gesetzentwurf gestrichen. Die Ampel wollte Bezieher:innen von Bürgergeld im ersten halben Jahr möglichst wenig mit Sanktionen drohen.
Dass Bürgergeldbezieher:innen nun doch von Anfang an mit Kürzung der Regelsätze bestraft werden können, wenn sie Jobs oder Weiterbildungsangebote wiederholt ablehnen, schmerzt vor allem die Grünen. Im Bundestagswahlprogramm hatten sie sich als einzige der drei Ampelparteien für die Abschaffung der „bürokratischen und entwürdigenden Sanktionen“ eingesetzt.
„Lassen Hartz-IV-System weit hinter uns“
„Es ist ein Kompromiss. Wir haben nicht alles erreicht, was wir gern wollten“, sagt der grüne Fraktionsvize Andreas Audretsch der taz. Dennoch sei das Bürgergeld ein Riesenschritt nach vorn. Audretsch nennt etwa die neue Beratungskultur, die nun Einzug halte, wenn sich die Mitarbeiter:innen der Jobcenter und die Arbeitssuchenden zusammensetzen und auf einen gemeinsamen Kooperationsplan einigen.
Auch die Tatsache, dass Weiterbildungen mit Zuschlägen honoriert und Zuverdienstgrenzen ausgeweitet werden, seien wichtige Verbesserungen. „Damit lassen wir das bisherige Hartz-IV-System weit hinter uns“, meint Audretsch. Er rechnet damit, dass die Grünen im Bundestag sich am Freitag mit großer Mehrheit hinter den Vorschlag des Vermittlungssausschusses stellen.
Wenn Bundesrat und Bundestag ihr Go geben, können ab Januar auch die Regelsätze endlich an die Inflation angepasst und auf 502 Euro erhöht werden.
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