Sorge vor Übergriffen: Parteien bangen um Sicherheit im Wahlkampf
Ein Winterwahlkampf im Dunklen und die Gefahr von Angriffen: Die Parteien treffen Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei sieht viel Arbeit.
Die Parteien treffen daher bereits jetzt Sicherheitsvorkehrungen. Ein SPD-Sprecher sagte der taz, man nehme die Sicherheit der Mitglieder und Wahlkämpfenden im Winterwahlkampf „sehr ernst“. Im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale, werde es deshalb eine Hotline geben, an die Vorfälle gemeldet werden können. Zudem fänden Schulungen zu Deeskalation, Schutz von Veranstaltungen oder dem Umgang mit Hass im Internet statt.
Plakatieraktionen oder Infostände sollten nicht allein, sondern mit einer Mindestzahl an Teilnehmenden stattfinden, betont der SPD-Sprecher. Daneben brauche es „klare Absprachen“ mit örtlichen Sicherheitsbehörden. Auch vor größeren Veranstaltungen sollten diese stets informiert werden.
Wie bedrohlich die Situation sein kann, mussten erst am Samstag zwei SPD-Wahlkämpfer:innen in Berlin schmerzhaft erleben. Ihr Infostand war von mehreren Neonazis tätlich angegriffen worden, die sich auf dem Weg zu einem rechten Aufmarsch in den Stadtteilen Friedrichshain und Lichtenberg befunden hatten. Gegen drei der Tatverdächtigen hat ein Ermittlungsrichter inzwischen Untersuchungshaftbefehle erlassen.
Sicherheit der Wahlkämpfenden hat „oberste Priorität“
Auch eine CDU-Sprecherin sagte der taz, die Sicherheit der Wahlkämpfenden ihrer Partei habe „oberste Priorität“. In Schulungen und Informationsrunden werde derzeit für den Umgang mit physischer und verbaler Gewalt sensibilisiert. Mit den Landesverbänden sei man zu spezifischen Sicherheitsfragen vor Ort im Gespräch. Ein Grünen-Sprecher betont ebenso „hohe Sicherheitsvorkehrungen“ für den Wahlkampf. Auch hier liefen Schulungen. Für Veranstaltungen arbeite man mit der Polizei zusammen, lege Abstandsregeln oder Sicherheitsbereiche fest.
Linken-Bundesgeschäftsführer Janis Ehling versichert ebenfalls, dass „gerade vermehrt eine Sensibilisierung der Aktiven in der Partei stattfindet“. In der Bundesgeschäftsstelle gebe es eine Kontaktadresse, an die Vorfälle gemeldet werden sollen. „Bei Bedrohungen oder Beschädigung von Materialien raten wir den Mitgliedern, die Polizei zu rufen und Anzeige zu erstatten“, so Ehling zur taz. Wahlkämpfenden werde empfohlen, Handreichungen der Beratungen gegen Rechtsextremismus anzuschauen und zu „verinnerlichen“.
Ehling betont aber auch: „Wir sind eine antifaschistische Partei und werden uns nicht klein machen oder verstecken.“ Und die rechte Gewalt falle nicht vom Himmel. „Sie wird durch die Hetze der AfD angetrieben und durch ihre Kader vorbereitet.“ Auch würden die Gewalttäter ermutigt durch die Übernahme rechter Slogans in der Regierung und Union. Umso wichtiger wäre es, Gegenkräfte in der Zivilgesellschaft zu stärken, etwa mit einem Demokratiefördergesetz, fordert Ehling.
Auch für den SPD-Sprecher steht fest, dass Angriffe auf politisch Engagierte nicht nur Einzelne treffen, sondern die Demokratie insgesamt. Dies sei „ein Alarmzeichen“. Es brauche daher „klare Solidarität“ mit allen demokratisch Engagierten. Einschüchterungen müsse man entschlossen entgegentreten und dürfe einem Klima, bei dem Menschen zurückschreckten, sich politisch zu engagieren, „keinen Raum geben“.
Polizei warnt vor Cyberangriffen bei der Bundestagswahl
Die Polizei rechnet mit viel Arbeit. Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, geht im Wahlkampf von Störungen und Übergriffen aus. Das zeigten Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit, so Kopelke zur taz. „Momentan stellen wir fest, dass fast alle politisch Aktiven nach mehr Sicherheit und mehr Schutz fragen, auch wenn viele von ihnen bereits besonders von der Polizei geschützt werden.“
Kopelke versicherte: „Wir müssen den Sicherheitsbedarf aller politischen Akteure sicherstellen, und das werden wir.“ Wahlen seien ein fundamentales Element der Demokratie und verdienten „bestmöglichen Schutz“. Die Folge aber sei, dass der Arbeitsalltag der Polizei von dieser Priorität dominiert werde, man Ressourcen „umschaufeln“ und Dinge liegen lassen müsse, „gewissermaßen ab sofort“.
Kopelke warnte auch, dass es zu hybriden Angriffen bei der Wahl kommen könne, zu Cyberangriffen, Desinformation oder gar Sabotage. All dies gelte es zu verhindern. Kopelke nahm das zum Anlass, erneut die IP-Adressspeicherung zu fordern, um schwere Delikte verfolgen zu können – dafür gäbe es derzeit eine Mehrheit von SPD und Union im Bundestag.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hatten zuletzt vor Desinformation, Cyberangriffen oder Sabotage bei der Bundestagswahl gewarnt. Russland habe daran „das wohl größte und naheliegendste Interesse“, so der Verfassungsschutz. Denkbar seien eine „gezielte Diskreditierung ungewünschter Kandidaten“ oder eine Infragestellung des Wahlprozesses an sich.
Das BSI erklärte, bisher gebe es keine konkreten Versuche von Cyberangriffen auf die Wahlprozesse. Jüngste Cyberspionagefälle gegen den Bundestag oder Parteien könnten aber zu „Hack-und-Leak-Operationen“ führen, das Erbeuten und Verbreiten von kompromittierenden Informationen. Dazu gebe es ein „kontinuierliches Grundrauschen von Desinformation in Sozialen Medien“. Auch das BSI bietet deshalb derzeit Beratungen für Wahlleitungen, Kandierende und Parteien an.
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