Soli-Demo für Lina E. in Leipzig: Tausende auf der Straße

Rund 3.500 Menschen haben sich am Samstag in Leipzig mit der Studentin Lina E. solidarisiert, die vor Gericht steht. In Connewitz kam es zu Ausschreitungen.

Regenschirme und Bengalows sind zu sehen

Teil­neh­me­r*in­nen der Soli-Demo am 18. September 2021 in Leipzig Foto: Sebastian Willnow/dpa

LEIPZIG taz | Verspätet startete am Samstagnachmittag die „Wir sind alle Linx“-Demonstration auf dem Leipziger Johannisplatz mit den Grußworten der Mutter der Studentin Lina E. Sie verurteilte die Kriminalisierung ihrer Tochter und sandte solidarische Grußworte an die Teilnehmer*innen.

Das hinter der Demo stehende Bündnis hatte seit Tagen deutschlandweit in Richtung Leipzig mobilisiert und erwartete laut Angaben der Stadt bis zu 3.000 Menschen. Gekommen waren letztlich sogar circa 3.500, wie die Polizei Leipzig mitteilte. Der Protestzug endete am Samstagabend am Connewitzer Kreuz.

Nachdem die Polizei gegenüber dem Berliner Tagesspiegel verlauten ließ, dass sie von einem in Teilen gewalttätigen Demonstrationsverlauf ausgehe, war sie mit einem Großaufgebot von Be­am­t*in­nen aus Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vor Ort. Die Sprecherin des Bündnisses, Ada Hummel, wies derlei Annahmen und Vorverurteilungen zurück. „Wir haben uns auf einen friedlichen Aktionskonsens verständigt.“

Bereits im Vorfeld hätte es vom sächsischen Verfassungsschutz und der Leipziger Polizei Versuche gegeben, ein Bedrohungsszenario aufzubauen, sagte Hummel. Der sächsische Verfassungsschutz hätte mitteilen lassen, dass die Demonstration „ein zentraler Termin der linksextremistischen autonomen Szene“ sei.

„Kriminalisierung eines legitimen Protests“

Auch der Grünen-Politiker Jürgen Kasek hielt den Gewaltvorwurf bereits vor dem eigentlichen Demonstrationsgeschehen für eine „Kriminalisierung eines legitimen Protests“. Mit ihren Befürchtungen sollten die Sicherheitsbehörden zumindest bis Samstagnachmittag nicht recht behalten. Bis zur Zwischenkundgebung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz blieb die Demonstration friedlich. Eine Sprecherin der Polizei zeigte sich bis dahin mit dem bisherigen Demonstrationsverlauf zufrieden.

Am späteren Nachmittag kam es dann allerdings vereinzelt zu Stein- und Flaschenwürfen gegen die Polizeihauptwache an der Dimitroffstraße 1 und gegen eine Filiale der Deutschen Bank. Nach Beendigung der Demonstration wurden in der Nähe des Connewitzer Kreuzes mehrere Barrikaden in Brand gesetzt. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Nach bisherigem Kenntnisstand kam es zu vereinzelten Festnahmen. Bis zur Beendigung des Einsatzes setze man weiter auf ein deeskalatives Einsatzkonzept, so ein Sprecher der Polizei Leipzig gegenüber der taz. Eine abschließende Bilanz lasse sich aber erst später ziehen.

„Wir haben hier ein besonnenes Vorgehen der Polizei wahrgenommen“, sagte auch eine Sprecherin des Bündnisses. „Wir ziehen als Fazit, dass wir heute in jedem Fall unser Anliegen auf die Straße bringen konnten.“

Die Forderungen der De­mons­tran­t*in­nen auf der Soli-Demo waren mannigfaltig. So wollten sie ein Zeichen setzen, dass antifaschistische Strukturen in Deutschland breit aufgestellt sind und ein großes Mobilisierungspotenzial besitzen. Es ging ihnen aber auch um ein Ende der Kriminalisierung antifaschistischer Aktivitäten.

Die De­mons­tran­t*in­nen solidarisierten sich aber vor allem mit der Studentin Lina E., die seit dem 5. November 2020 in Untersuchungshaft sitzt, und fordern deren Freilassung. Gemeinsam mit drei Mitangeklagten soll sie eine linksextremistische Gruppe angeführt haben, die mutmaßlich Rechte angriff.

Prozess von Anfang an politisch aufgeladen

Anfang August 2018 soll E. den Wurzener Neonazi Cedric S. ausgespäht haben, der sich 2016 an einem Überfall von 250 Rechtsextremen auf den Leipziger Stadtteil Connewitz beteiligte. Aus einem Auto heraus soll die Studentin Fotos vom Fußballplatz gemacht haben, auf dem S. trainierte. Mehrere Monate später überfielen fünf Vermummte den Neonazi. Zu den Vorwürfen hat sich die 26-Jährige bisher nicht geäußert.

Die Forderungen der De­mons­tran­t*in­nen richteten sich auch gegen die sogenannte Soko Linx. Die eigens für linke Straftaten eingerichtete Sonderkommission des Landeskriminalamtes Sachsen ermittelte auch im Fall Lina E. Bislang kann die Soko jedoch keine signifikanten Erfolge vorweisen.

Der Prozess gegen Lina E. ist von Anfang an politisch aufgeladen gewesen. Am 5. November 2020 wurde Lina E. unter großem Medienrummel festgenommen. Mit einem Helikopter wurde sie zum Haftrichter nach Karlsruhe geflogen, ihr Bild landete in diversen Boulevardmedien.

Lange standen keine Autonomen mehr unter solch einem großen justiziellen Aufwand vor Gericht. Gegen Lina E. wird auf Grundlage des Paragrafen 129 StGB ermittelt. Im Fall einer Verurteilung wären Lina E. und ihre Mitangeklagten die ersten seit zehn Jahren, die wegen einer Mitgliedschaft in einer „linksextremen kriminellen Vereinigung“ verurteilt würden.

Auch Ver­tre­ter*­in­nen der Partei „Die Linke“ waren am Samstag vor Ort. Gerade in Sachsen zeige sich immer wieder die Notwendigkeit eines antifaschistischen Engagements, sagte der Linken-Politiker Sören Pellmann. „Wir wollen hier auch als Ver­tre­te­r*in­nen von der Linken ein Zeichen setzen, dass es in Zeiten eines Rechtsrucks ein anderes weltoffenes und linkes Leipzig gibt.“

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