Solarpolitik in Deutschland: Deutschland muss autonomer werden
Eine eigene Solarindustrie würde Deutschland und Europa von autoritären Staaten unabhängiger machen. Um das zu erreichen, braucht es Investitionen.
D ie Solarindustrie in Europa könnte boomen – wenn die EU und die Ampelregierung jetzt richtig handeln. Der zweite Versuch, hierzulande eine große Produktion von Solaranlagen aufzubauen, darf nicht scheitern. Dass es in Deutschland heute keine blühende Solarindustrie gibt, ist der Merkel-CDU anzulasten. In der Regierungszeit der Union wurde das Entstehen dieses wichtigen Wirtschaftszweigs abgewürgt, indem die Förderung gestrichen wurde.
Um diesen Fehler zu korrigieren, muss die Ampelregierung viel Geld bereitstellen. Das würde sich nicht nur wegen des Klimaschutzes lohnen, sondern auch, weil so wünschenswertes Wirtschaftswachstum entsteht. Der Bedarf an Solarmodulen ist enorm. Beim sozial-ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft hat die Photovoltaik eine Schlüsselrolle.
Umweltfreundlich Energie zu erzeugen ist die Voraussetzung für den Übergang zum klimafreundlichen Produzieren und Konsumieren. Die Kontrolle über die Verfügbarkeit von Photovoltaikanlagen ist entscheidend für diesen Umbau. Doch die europäischen Hersteller drohen zerrieben zu werden zwischen Lieferanten aus China, die mit Kampfpreisen in den Markt drängen, und Konkurrenten aus den USA, die durch das massive Subventionsprogramm der Regierung Joe Bidens gestärkt werden.
Unternehmen aus Europa erwägen, wegen der attraktiven Zuschüsse die Produktion in die Vereinigten Staaten zu verlagern. Die EU und die Ampelregierung müssen gegensteuern und hierzulande genauso attraktive Produktionsbedingungen schaffen. Ohne milliardenschwere Förderprogramme ist das nicht zu machen. Auf die Selbstversorgung mit Solaranlagen zu verzichten, wäre fatal.
In Europa hergestellte Solarzellen sind zwar teurer als in China produzierte. Bei der Energiewende auf Billigprodukte aus Fernost zu setzen, ist aber kein Ausweg. Zu riskant wäre eine noch größere Abhängigkeit vom autoritären China. Mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist auch die Vorstellung einer Abhängigkeit von Solarmodulen aus den USA unbehaglich.
Außerdem: Die Herstellung selbst in der Hand zu haben, bedeutet auch, die Produktionsbedingungen kontrollieren zu können, etwa in Bezug auf Umweltauflagen. Die deutsche Solarbranche fordert eine staatliche Prämie für Firmen und Privatleute, die Photovoltaikanlagen aus heimischer Produktion installieren lassen. Auch wenn Rufe nach solchen Hilfen aus der Wirtschaft einen unschönen Beigeschmack haben, weil sie oft nur der Gewinnmaximierung dienen.
In diesem Fall wäre so eine Förderung richtig. Die Bundesregierung sollte sich dafür entscheiden. Sie sichert eine unabhängige saubere Energieproduktion, Arbeitsplätze und Entlastung für die Bürger:innen. Das ist der beste Weg, um Akzeptanz für eine wirksame Klimapolitik zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?