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Social-Media-Verbot in AustralienAltersgrenzen knacken

In Australien müssen soziale Medien Jugendliche bald ausschließen. Ein Bericht beweist: Bisher schummeln sich Betroffene durchs System.

Viele Kinder in Australien gehen laut einer Befragung dem neuesten Jugendschutzgesetz aus dem Weg Foto: Olaf Schuelke/imago

Auf dem bunten Bildschirm wirkt das schwarze Tiktok Symbol wie ein Eyecatcher. Einen Klick entfernt wartet eine Aufforderung. „Bitte gib dein Alter ein.“ Wer eine „18“ in das Feld tippt, kriegt Zugang zu einer der umstrittensten Plattformen der Welt. Ganz ohne echte Altersüberprüfungen.

So gehen viele Kinder in Australien laut einer Befragung der australischen Onlinesicherheitsbehörde eSafety dem neuesten Jugendschutzgesetz aus dem Weg, das im November 2024 verabschiedet wurde. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren dürfen demnach in Australien soziale Medien wie Instagram, Tiktok, Twitch oder Snapchat nicht mehr benutzen. Doch der Bericht, den eSafety Ende Februar veröffentlichte, zeigt, wie unzureichend die Altersbeschränkungen der Plattformen derzeit sind.

eSafety arbeitete für den Bericht mit den Daten der Social-Media-Dienste für das Jahr 2024 und führte zudem Umfragen mit über 1.500 australischen Kindern zwischen 8 und 15 Jahren durch. 80 Prozent der 8- bis 12-Jährigen gaben an, eine oder mehrere soziale Medien zu nutzen. Bei den 13- bis 15-Jährigen waren es sogar 95 Prozent. Am beliebtesten waren Youtube und Tiktok. Die Plattformen selbst können allerdings nicht sagen, wie viele Jugendliche ihre Dienste nutzen. Das liegt daran, dass viele der Befragten laut eigener Aussage in der Selbstauskunft lügen und die Hälfte das Konto eines Elternteils nutzt.

Laut eSafety-Chefin, Julie Inman Grant, gebe es schon Gespräche zwischen der Branche und Interessenvertretungen, wie strengere Maßnahmen aussehen könnten. Eine davon ist die eID, ein digitaler Personalausweis mit persönlicher PIN. Diese Methode soll nicht nur sicherer sein, als die Selbstauskunft, sondern auch sicherer als andere Verifikationsmethoden, was den Datenschutz angeht.

Statt Medienbildung gibt's Verbote

Auch Gesichts- und Spracherkennung oder das Erfassen von Verhalten und Bewegungen wird als Methode diskutiert, um das Alter von Use­r:in­nen festzustellen. eSafety-Chefin Grant sieht die Verantwortung allerdings nicht nur bei den Social-Media-Firmen: „Eltern und Erzieher, Pädagogen, Politiker und Technologieentwickler müssen alle ihren Teil beitragen, sichere digitale Räume zu schaffen.“

Doch statt Räume für Medienbildung zu schaffen, setzt die Regierung auf Verbote. Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­te­r:in­nen und Social-Media-Forscher:innen kritisieren das. Dass Kinder mit dem Jugendschutzgesetz große Teile der Kommunikation und Vernetzung unter Gleichaltrigen und mit der Welt abgeschnitten werden, würde dabei vergessen oder in Kauf genommen. Kritik kommt auch von den Tech-Firmen selbst.

Diese meinen, ein Verbot greife die Meinungsfreiheit an und führe Kinder in dunklere Ecken des Internets, wie das Darknet oder unregulierte Chatforen. Und sie bemängeln, dass nicht klar sei, mit welchen Methoden die Plattformen die Altersbeschränkung durchsetzen sollen. In einem Interview mit dem US-Radiosender NPR wies eSafe­ty-Chefin Grant zudem auf datenschutzrechtliche Bedenken hin.

Denn Kinder und Jugendliche müssen nicht nur vor gewalttätigen oder anderweitig schädlichen Inhalten im Internet bewahrt werden. Auch ihre persönlichen Daten unterliegen einem besonderen Schutz. Deswegen ist im Jugendschutzgesetz eine Datenschutzregelung festgeschrieben. Dabei ergeben sich viele Fragen für die Social-Media-Plattformen ebenso wie für Politik, Verbände und Eltern:

Wie werden die Daten gespeichert und wie viele Rechte haben die Kinder? Werden diese überhaupt in Kenntnis gesetzt, dass sie und ihre Umgebung beim Öffnen der App gescannt werden können? Das alles bleibt bis auf Weiteres offen.

Kinder unter 16 wären mit schärferen Regelungen des Gesetzes die ersten Versuchskaninchen für fragwürdige Überwachungsmodelle, nicht geschützt, sondern isoliert. Der ­eSafety-Bericht beweist aber schon jetzt: Kinder finden einen Weg, um ihre Teilhabe auf Social-Media-Plattformen zu sichern.

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