Slowakischer Journalist über Ján Kuciak: „Wir sind wütend und entschlossen“
Der Mord an Ján Kuciak habe die Slowakei verändert, sagt .týždeň-Chefredakteur Štefan Hrib. Die Regierung habe jede Legitimität verloren.
taz: Herr Hríb, Ihr Journalistenkollege Ján Kuciak und seine Partnerin sind in der Nacht zu Montag ermordet aufgefunden worden. Ihr Tod soll mit der investigativen Arbeit Kuciaks zusammenhängen. Fühlen sich slowakische Journalisten bedroht?
Štefan Hrib: Nein. Wir sind wütend und wir sind entschlossen. Lange Jahre haben wir uns von dieser Regierung und ihrem Vorsitzenden als ‚Verräter‘ und ‚Huren‘ erniedrigen und beleidigen lassen. Nach dem Mord an unserem Kollegen hat sich das Klima geändert. Wer verrät heute die Sicherheit der Slowakei und die grundlegenden Prinzipen der EU?
Slowakische Politiker, allen voran Ministerpräsident Róbert Fico, scheinen besonderes Vergnügen darin zu finden, Journalisten durch wüste Beschimpfungen professionell und menschlich zu degradieren. So nannte Fico Journalisten „dreckige antislowakische Huren“. Inwiefern beeinflusst das Ihre Arbeit?
Mit seinen primitiven Angriffen hat der Regierungschef in unserem Land Hass gegen die Medien angestachelt und unserer Aufgabe als Wächter der Demokratie geschadet. Aber er hält uns nicht auf, wie ja auch die Arbeit des ermordeten Ján Kuciak gezeigt hat.
Am Freitag fanden in sämtlichen größeren Städten in der Slowakei Protestkundgebungen statt. Wie hat der Mord die gesellschaftliche Atmosphäre in der Slowakei verändert?
Nach dem Mord ist die Slowakei anders als zuvor. Die Regierung, die der Mafia ermöglicht hat, in ihre Strukturen hineinzuwachsen – wie unser ermordeter Kollege aufgezeigt hat – hat nicht nur jeglichen Respekt, sondern auch ihre Legitimität verloren.
53,ist Gründer und seit 2005 auch Chefredakteur des wöchentlich erscheinenden slowakischen Nachrichtenmagazins „.týždeň“. Zuvor hat er unter anderem beim Radio Freies Europa moderiert.
Seit Jahren sind zwei slowakische Journalisten unabhängig voneinander spurlos verschwunden. Ist Journalismus im EU-Land Slowakei ein so gefährlicher Beruf?
Unsere Arbeit ist schön, aber auch gefährlich. Wie überall, wo Stolz und Macht auf die Kontrolle der Medien stoßen. Da sind wir in der Slowakei keine Ausnahme. Schauen Sie sich nur das Verhalten des tschechischen Präsidenten gegenüber Journalisten an. Oder die Atmosphäre in Ungarn und Polen.
Sehen Sie irgendwo die Möglichkeit, dass die Morde doch nicht mit Kuciaks Arbeit zusammenhängt, sondern ein anderes Motiv hat?
Das herauszufinden ist Aufgabe der Polizei. Nur ist die Polizei in den Händen von denjenigen, über deren Verstrickungen zur Mafia unser ermordeter Kollege schrieb.
Glauben Sie, dass die Morde je aufgeklärt werden?
Nein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja