Skrupelloser Vermieter: Liebig 34 wieder räumungsbedroht
Flüchtlingsfamilien, die nach der Räumung in die Liebig 34 zogen, sollen nun rausgeworfen werden. Nachbarn wollen das verhindern.
Es sind vor allem Flüchtlingsfamilien aus Osteuropa, Frauen und Kinder, die vom Hauseigentümer bereits wenige Wochen nach der Räumung dort untergebracht wurden, auch um das Haus unangreifbar für radikale Linke zu machen. Das Gebäude wurde nur oberflächlich saniert, dennoch machten Geschichten von Wuchermieten die Runde. Eine der Mieterinnen, Muslimat Abukova, berichtete am Mittwoch bei einem Pressegespräch: „Ich musste 7.000 Euro Maklergebühren zahlen, das Geld wollte ich eigentlich für den Führerschein verwenden.“
Nun droht Abukova, so wie insgesamt zwölf Mietparteien, gar der Rauswurf. „Wir geben nunmehr folgenden Termin für die Rückgabe der Wohnung vor: 31. 8. 2023 um 10 Uhr“, heißt es in einem der taz vorliegenden Schreiben der Komplex Grundstücksverwaltung an Abukova. Zudem wurden sie in verschiedenen Schreiben aufgefordert, ausstehende Mietschulden in vierstelliger Höhe zu begleichen. Dabei beteuern alle Mieter*innen, dass sie ihre Miete rechtzeitig bezahlt haben, was sie auch durch die Vorlage von Kontoauszügen beweisen könnten.
Doch laut der aktuellen Hausverwaltung Komplex sei das Geld an ein Konto einer früheren Verwaltung überwiesen worden, die für das Grundstück nicht mehr zuständig ist. Der Eigentümer der Liebig 34, der Immobilienunternehmer Gijora Padovicz beziehungsweise seine Siganadia Grundbesitz GmbH, hatten das Haus nach der Räumung verpachtet, den Pachtvertrag später aber wieder gekündigt. Zuvor hatte es Medienberichte über überhöhte Mieten, eklatante Missstände und Müll sowie Bedrohungen gegeben.
Padovicz steht derweil seit Jahren für seinen rabiaten Umgang mit Mieter*innen in der Kritik. Bereits vor fünf Jahren haben Mieter*innen von Padovicz-Häusern den Padowatch-Blog erstellt, um sich gegenseitig zu unterstützen. Einer ihrer Betreiber, Thilo genannt, reiht das aktuelle Vorgehen ein in eine Reihe von Entmietungsstrategien.
Er kritisiert das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, das die Zustände sehenden Augen hingenommen habe. Unterstützung für die aktuell von Räumung bedrohten Mieter*innen kommt von solidarischen Nachbar*innen. Diese haben angekündigt, am Donnerstag um 10 Uhr mit einer Mahnwache mögliche Räumungsversuche verhindern zu wollen. Am 3. September veranstalten sie zusammen mit der Stadtteilinitiative „Wir bleiben alle Friedrichshain“ eine Informations- und Solidaritätsveranstaltung vor dem Haus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Die Wahrheit
Der erste Schnee