Kündigung vor Gericht: Die Methode Padovicz

Der Spekulant kündigt den Mietern von Atelierwohnungen in Friedrichshain vor Vertragsende. Viel spricht dafür, dass er Geld mit Geflüchteten machen will.

Straßenschild der Straße der Pariser Kommune

Mehr als Plattenbauten: Straße der Pariser Kommune in Friedrichshain Foto: dpa

BERLIN taz | Staatlich subventioniert Häuser zum Spottpreis übernehmen, die Mie­te­r:in­nen verdrängen und abermals mit staatlichen Geldern noch viel höhere Profite herausschlagen. Die Methode Gijora Padovicz ist in Berlin berüchtigt.

Seit Jahren arbeitet der Immobilienspekulant – der in den 1990er Jahren zu Dutzenden meist stark sanierungsbedürftigen Häusern kam – daran, Alt­mie­te­r:in­nen gegen eine gewinnbringendere Klientel auszutauschen. Das können Touristen in Ferienwohnungen sein oder Geflüchtete in Doppelstockbetten, deren Unterbringungspauschalen normale Mieten um ein Vielfaches übersteigen. Zuletzt hatte die Räumung des queerfeministischen Hausprojekts Liebigstraße 34, ebenfalls im Eigentum von Padovicz, für Aufsehen gesorgt. Heute leben geflüchtete Familien in dem Haus.

Ein weiterer Fall im System Padovicz wurde am Montag vor dem Landgericht am Tegeler Weg verhandelt. Dem Verein Choroso e. V., der ein Hinterhaus in der Straße der Pariser Kommune 36 für sechs Atelierwohnungen gepachtet hat, hatte Padovicz’ Firma Siganadia im Sommer 2022 lediglich mit Verweis auf Fehler im Vertrag gekündigt. Nun soll das Gericht entscheiden, ob dies rechtens ist. Nach kurzer Erörterung der Sachlage und eines möglichen Vergleichs soll eine Entscheidung darüber Mitte April fallen.

Die Einschätzung des Richters aber war deutlich: „Der Kläger hat gerne Gelder genommen, Bindungsfristen akzeptiert, von denen er jetzt nichts mehr wissen will.“ Ergo: Zumindest das Landgericht dürfte der Räumungsklage nicht zustimmen; ein Gang in die nächste Instanz vor das Kammergericht aber scheint unausweichlich.

Haus mit Besetzungsgeschichte

Wie der Mieter und Künstler Ulrich R. der taz sagte, wurde das Gebäude aus Vorderhaus, Seitenflügel und Hinterhaus nach der Wende besetzt. 1996 verkaufte es die Stadt dem Vernehmen nach nur für eine halbe Million D-Mark an Padovicz. Die Auflage: Die Be­woh­ne­r:in­nen bleiben. Mit Förderkrediten und Zuschüssen sanierten sie das Haus in Eigenleistung; „Padovicz hat dafür keinen Cent bezahlt“, so R. Vereinbart wurde für das Atelier-Hinterhaus ein Pachtvertrag über 28 Jahre für einen symbolischen Preis von einer D-Mark pro Monat – heute sieben Euro jährlich.

Je nach Interpretation des Pachtvertrages könnten die 28 Jahre allerdings schon diesen November auslaufen, auch wenn die Be­woh­ne­r:in­nen den Vertragsbeginn auf später, nach der Sanierung und ihrem Einzug, datieren. Der Richter stellte einen Vergleich in den Raum, der die verzwickte Gesamtlage auflösen könnte. Demnach würden die Künst­le­r:in­nen zu direkten Mie­te­r:in­nen von Padovicz, allerdings zu angepassten Bedingungen. Doch die Mie­te­r:in­nen haben Zweifel. Denn: Padovicz’ lukrative Geschäftsidee sei es, „seine Mietshäuser in Geflüchtetenunterkünfte umzuwandeln“, wie R. sagt.

Im Vorderhaus würden bereits sechs Wohnungen so genutzt. R. sagt: Die Übernahme der Unterbringungskosten für Geflüchtete belaufe für eine sechsköpfige Familie auf mehr als 5.000 Euro monatlich – ein Vielfaches dessen, was sich durch eine normale Vermietung herausholen lässt. Der Eindruck, dass sie weichen sollen, hat sich für die Be­woh­ne­r:in­nen zuletzt verstärkt: Seit Mitte November fließt kein Warmwasser, seit 8. Januar sind die Heizungen auf maximal 17 Grad Raumtemperatur herunterreguliert. Vertreiben lassen wollen sich die Mie­te­r:in­nen aber nicht – den Gerichtssaal verließen sie am Montag mit neuer Hoffnung.

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