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Skandal auf SchalkeRassismus als Sommergrippe

Kommentar von Johannes Kopp

Alles nur Blabla: Nach dem Urteil im Fall Tönnies wirken die antirassistischen Bekenntnisse in der Vereinssatzung nur noch wie hohle Phrasen.

Tönnies lässt sein Amt ruhen: eine Art Sabbatical als Sanktion für rassistische Ausfälle Foto: reuters

E s gibt viele Menschen in diesem Lande, die hätten sich von Schalke 04 eine kurze wie klare und wichtige Botschaft erwartet: Rassismus geht gar nicht. Stattdessen teilte der fünfköpfige Ehrenrat des Vereins am sehr späten Dienstagabend mit: „Das Gremium ist nach mehrstündiger Sitzung zu dem Ergebnis gelangt, dass der gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden des S04, Clemens Tönnies, erhobene Vorwurf des Rassismus unbegründet ist.“

Es gibt eben immer mehr Menschen in diesem Lande und leider sitzen sie auch in den Führungsgremien von Schalke 04, die sich weniger um den Rassismus und ihre Opfer sorgen als um die Täter und den Rassismusverdacht. So als könne von ihm jeder jederzeit zufällig geplagt werden wie von einer Sommergrippe. Deshalb haben die Schalker Ehrenratsmitglieder bis in die Nacht hinein lange am Begriff Rassismus herumgeschnitzt, bis nichts Substanzielles übrig blieb und nahezu alle Deutschen als Antirassisten durchgegangen wären. Denn Nichtrassisten gibt es nicht – nur Rassisten und Antirassisten.

Aufgrund des immensen Empörung, die Tönnies Klimarettungsvorschlag bei einem Vortrag in Paderborn ausgelöst hatte, Afrika gratis mit 20 Kohlekraftwerke zu versorgen, „dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“, mussten sich die Schalker allerdings einen Kniff einfallen lassen. Tönnies wurde zwar vom Rassismus freigesprochen, wegen der Verletzung des Diskriminierungsverbots jedoch, das sowohl in der Vereinssatzung als auch im Leitbild verankert sei, für schuldig befunden. Aber selbst dieser Verstoß wurde irrsinnigerweise nicht sanktioniert. Tönnies hat sich sein Strafmaß selbst ausgesucht, indem er sein Vergehen eingestand und eine temporäre dreimonatige Niederlegung seines Amts anbot. Eine Art Sabbatical sozusagen, das vor allem dazu dient, die Öffentlichkeit zu beruhigen. Der Ehrenrat fand die Idee prima.

Die Unterscheidung zwischen Rassismus und Diskriminierung ist an Dämlichkeit kaum zu überbieten. Denn Diskriminierung ist nichts weiter als ein Überbegriff und Rassismus wiederum eine Form von Diskriminierung. Die Antidiskriminierungstelle des Bundes unterscheidet Diskriminierung aus Gründen von Alter, Behinderung, Geschlecht, Religion, sexueller Identität und eben von Rassismus. Zumindest nach dem Ausschlussverfahren hätte man bei Schalke 04 darauf kommen können, dass Tönnies' Äußerungen rassistisch diskriminierend waren, eine Herabwürdigung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft.

Das Problem ist: Man wollte partout nicht darauf kommen. Natürlich spielt bei den Verrenkungen des Schalker Gremiums die persönliche Nähe zum Kreditgeber und Großunternehmer Tönnies eine Rolle. Nicht umsonst wird von Vereinen oft das Bild der Familie, die zusammenhält, beschworen.

Die Dimension des Falls ist allerdings zu groß, als dass sie mit vereinsmeierischen Winkelzügen aus der Welt zu schaffen wäre. Nach dem Urteil im Fall Tönnies wirken die antirassistischen Bekenntnisse in der Vereinssatzung nur noch wie hohle Phrasen. Statt Tönnies auszugrenzen, grenzt der Verein nun diejenigen aus, die sich seit Jahren für Antirassismus engagieren und sich auch deshalb ein klare Reaktion des Klubs gewünscht hatten. Und der Versuch des Ehrenrats, Rassismus zu relativieren, hat eine fatale Signalwirkung weit über Schalke hinaus.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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11 Kommentare

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  • Hab ich doch am Anfang tatsächlich 'Elferrat' gelesen...

  • Ja, so ist nun mal auf Schalke - bei Stromausfall wenn's dunkel ist denkt man dort natürlich immer sofort an's Poppen. Was denn sonst? Bei Licht geht's ja nicht (;-))

  • Zitat: „Es gibt eben immer mehr Menschen in diesem Lande [...] die sich weniger um den Rassismus und ihre Opfer sorgen als um die Täter und den Rassismusverdacht. So als könne von ihm jeder jederzeit zufällig geplagt werden wie von einer Sommergrippe.“

    Ich schätze, dieses Gefühlt trügt nicht. Der Rassismusverdacht färbt ab. Die Menschen sind es halt nicht nur gewöhnt, von einer Masse auf den Einzelnen zu schließen, sondern auch umgekehrt: vom Individuum auf eine Masse.

    Wenn also ein Vereinsvorsitzender unter Verdacht gerät, wird daraus kurzerhand auf den Verein geschlossen, dem dieser Vorsitzende vorsitzt. Denn wie der Herr, so das Gescherr.

    Und wenn wir dann schon mal beim Kurzschluss sind, wird gleich auch noch der Sponsor abgefertigt. Denn der bezahlt schließlich den ganzen Laden. Und würde er das vielleicht tun, wenn er nicht auch...?

    Vermutlich nicht. Und wenn denn doch, ist er wohl einfach etwas dumm. Da ist es dann schon besser, der Vereinsvorsitzende ist koscher. Auch, wenn er gar nicht koscher ist.

    Wo es keine Nichtrassisten gibt, sondern nur Rassisten und Antirassisten, bleibt eigentlich nur eine Wahl: Man muss Rassisten weiß waschen, (auch so ein Wortspiel übrigens). Genau deswegen haben die Schalker Ehrenratsmitglieder bis in die Nacht hinein getagt und am Begriff Rassismus rumgeschraubt. Nun sind sie selbst Antirassisten. Zumindest für sich selber. Und wehe einer sagt etwas dagegen. Dann ist er was? Ja, ganz genau!

    • @mowgli:

      Ich glaube man verhindert mit einem Auslassen strikten Vorgehens gegen Tönnies und andere Rassisten in höheren Funktionen eher, dass die Rassisten unter den Fans und Mitgliedern abwandern. Man lässt nämlich außer Acht, dass der arme kleine Bürger mitunter ein richtig ausgewachsenes Arschloch sein kann.

  • Rassismus ist schon immer da gewesen, nur wird damit nicht mehr diskret umgegangen. Heute posaunt man es einfach heraus, weil man immer mehr öffentlich Zuspruch bekommt. Hat man früher unter Seinesgleichen vom "Kanacken" geredet gibt es heute Leute wie Clemens Tönnies. Das spiegelt den bedauerlichen Zeitgeist wieder.

  • Rassismus, das ist eben neuerdings auch das Ausgrenzen von Rassisten. Die Trump- Doktrin. Diskriminierung weil man anders ist, Rassist eben, oder Idiot, oder irgendwie unterdrückte Mehrheit. Bemerkenswert ist, dass auch in Deutschland die Aufregung über das Sagen ganz deutlich erkennbar größer ist als die über das Gesagte. Das "was man sagen darf" eben. Dafür gibt es leider einen Grund, denn das was Tönnies gesagt hat denken viele. Nach dem Motto: ist doch wahr und somit kein Rassismus sondern Schuld der Afrikaner und gelegentlich muss man es auch mal aussprechen dürfen. Gilt übrigens auch für die nicht geringe Portion Sexismus, Überbevölkerung und so, ist ja klar, weiß ja auch jeder. Selbst der Afrika- Beauftragte der Bundesregierung Günter Nooke findet die Probleme ja "real" und ist eher unglücklich darüber, dass Tönnies sie ausgesprochen hat als empört. Dass der Unsinn auch noch falsch ist, dass wir Afrika arm halten, dass jeder Einzelne von ins mehr CO2 produziert als ein ganzes Dorf, das taucht in der Diskussion schon mal überhaupt nicht auf. Aber es ist ja so viel einfacher anderen die Schuld geben zu können. Der Rassismus bei Tönnies ist eindeutig, aber eher Garnitur. Er reicht noch nicht mal für größere Unterstützungsbekundungen von Seiten der AFD und die große Mehrheit ist eher leicht peinlich berührt. Das ist das Problem, die Scheiße ist Mainstream.

  • Hat irgendjemand etwas anderes als Oportunismus erwartet von einem -aufgepasst- Fußballverein?

  • Sport und Politik sollten nicht gleich gesetzt werden. Schalke 04 ist keine Behörde, der Vorstand kein politisches Amt. Wenn jetzt in jedem Bereich des Gesellschaft die Gesinnung von Bedeutung ist, dann wäre das ein Rückschritt. Nein, man muss einen Tönnies aushalten, auch wenn es schwer fällt und weh tut.

    • @TazTiz:

      Dann hätte sich der Verein aber eine andere Satzung geben müssen.

      Statt

      der Verein "tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen gegenüber anderen Menschen, insbesondere auf Grund ihrer Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht, sexuellen Orientierung oder Behinderung, aktiv entgegen"

      müsste dann drinstehen.

      "Bei uns auf Schalke können sie mit genug Geld in der Tasche jeden menschenverachtenden Dreck von sich geben."

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @TazTiz:

      Hätte der Verein einen Arsch in der Hose würde er Tönnies zum Teufel jagen.

      Warum sollte man so etwas aushalten? Wozu ist das gut? Rassisten sollte man immer und überall die Stirn bieten.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        So isses,volle Zustimmung!Aber er(die braune Wurst) hält den Laden am laufen und der "Ehrenrat" hat wohl Angst als Totengräber des Vereins dargestellt zu werden.