Singende Christdemokraten: Weihnachten fängt mit C an
Angela Merkel hat die CDU-Kreisverbände aufgefordert, christliche Lieder zu singen. Wir haben nachgefragt, ob die Basis auch wirklich spurt.
Angela Merkel packt die CDU beim C. Auf dem Parteitag in Essen sprach sich die Kanzlerin am Dienstag unter anderem für ein Burkaverbot aus. Bereits im Oktober rief sie die CDU-Mitglieder aber auch auf, selbst christlichen Gepflogenheiten zu folgen, indem sie Weihnachtslieder singen.
Sie sagte: „Wie viele von uns tun denn das noch auf ihren Weihnachtsfeiern in den Kreisverbänden? Wo läuft da irgendein TammTammTamm und Schneeglöckchen, Weißröckchen, oder was weiß ich? (…) Da muss man eben mal ein paar Liederzettel kopieren und einen, der noch Blockflöte spielen kann, mal bitten.“
Tatsächlich sind in einem Liederbuch der Senioren-CDU, erhältlich im CDU-Shop, die Noten für „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ abgedruckt. In einem etwa 40 Jahre alten Weihnachtsliederbuch der Partei („Überreicht von Ihrer CDU“) stehen sie dagegen nicht.
Wir haben CDU-Kreisverbände gebeten, uns von ihren Weihnachtsfeiern zu berichten. Wer mag, kann in den Texten, die uns erreicht haben, ein 89,5-prozentiges Bekenntnis zur Chefin erkennen: Die CDU-Basis singt – und verschweigt offensiv, dass ein Lied wie das von Merkel geschmähte „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ überhaupt existiert. Hier ein paar ausgewählte Stellungnahmen, teilweise gekürzt:
CDU Flensburg
„Die CDU in Flensburg lädt traditionell zur Weihnachtsfeier ein. Dabei wird ein ‚internationales Grünkohlbuffet‘ gereicht – es gibt tatsächlich Grünkohl mit italienischer Note.
Wir haben es (auch in der Vergangenheit schon) so gehandhabt, dass wir eine Reihe von Liedtexten verteilt haben und aus der Gesellschaft heraus Wünsche geäußert werden konnten, welche der vorbereiteten Lieder gesungen werden.
In den vergangenen Jahren spielte meist unsere Ehrenvorsitzende Brita Schmitz-Hübsch am Klavier, in diesem Jahr wird uns mit Julie Marie Olsen eine junge Sängerin begleiten. Zu den begehrtesten Liedern zählen (…) neben ‚Oh Tannenbaum‘ auch ‚Es ist ein Ros’ entsprungen‘, ‚O du fröhliche, o du selige‘ und ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘.“
CDU Leer
„Am vergangenen Sonntag kam der CDU-Stadtverband Leer zu einem gemütlichen Beisammensein zusammen und stimmte im Laufe des Abends u. a. auch ‚O u fröhliche‘ an.“
CDU Krefeld
„Beim Sankt-Martins-Essen der Frauen Union hatten wir zum Beispiel zwei krieewelsche Mundartkünstler zu Gast – der eine hat auf der Gitarre gespielt, der andere die Texte angestimmt.
Wir hatten auch Zettel kopiert, aber Lieder wie ‚Loop, Möller, loop‘ muss bei uns am Niederrhein niemand vom Blatt ablesen. Da stimmen alle mit ein, Alt und Jung gleichermaßen.
Angela Merkel liegt mit ihrem Anliegen absolut richtig: Wir werden unsere christlich-abendländische Kultur nur dann erhalten, wenn wir sie auch pflegen.
Im Übrigen gilt: Wer in den eigenen Traditionen verwurzelt ist, bringt viel mehr Offenheit mit für die Gebräuche der anderen. Es ist kein Zufall, dass Gruppen wie Pegida gerade dort auf Zuspruch stoßen, wo politische Systeme die religiöse und kulturelle Prägung der Menschen jahrzehntelang attackiert haben.
Wir als CDU sollten da bewusst gegensteuern – gerade in diesen Tagen. Advents- und Weihnachtsfeiern dienen der Besinnung und nicht dem Besäufnis, dazu stehen wir.“
CDU Stuttgart
„Die meisten Stadtbezirksgruppen veranstalten Weihnachtsfeiern, die je nach Begabung der Mitglieder auch musikalisch begleitet wurden. In erster Linie kommt das Klavier zum Einsatz. Es gab in der Vergangenheit Bezirksgruppen, die einige Klassiker ausgedruckt haben: ‚O du fröhliche‘, ‚Stille Nacht‘, ‚Ihr Kinderlein kommet‘.“
CDU Lengede
„Wir gestalten (…) Advents-/Weihnachtsfeiern mit bewusst christlicher Symbolik schon seit 25 Jahren. Gut zehn Jahre wurden mit unserer damaligen Landtagsabgeordneten gut besuchte Adventsfeiern für Frauen durchgeführt. Etwa 30 bis 40 Frauen trafen sich zu Kaffee und Kuchen und sangen Weihnachtslieder aus einem Kirchen-Liederheft, das die MdL als Pastorengattin mitbrachte.
Aus dieser Frauenweihnacht wurden dann allgemeine Adventsfeiern für alle Mitglieder und Freunde der CDU Lengede. Oft auch mit Kindern, denen der Nikolaus etwas brachte.
Zu einigen Feiern spielten auch Kinder auf Blockflöte und sogar einmal Saxofon weihnachtliche Lieder. Es gab sogar Kinder, die noch ein Gedicht aufsagen konnten und wollten.
Die jüngste Weihnachtsfeier fand am vergangenen Sonntag statt. Etwa 35 Anwesende sangen frei oder vom kopierten Liederzettel: ‚O du fröhliche‘, ‚Morgen Kinder wird’s was geben‘, ‚Ihr Kinderlein kommet‘, ‚Lasst uns froh und munter sein‘. Die Begleitung erfolgte mit Geige eines CDU-Vorstandsmitglieds.“
CDU Wuhletal
„Wir singen … Weihnachtsklassiker, wie ‚Kling, Glöckchen‘, ‚Fröhliche Weihnacht überall‘, ‚Alle Jahre wieder‘, ‚O Tannenbaum‘, ‚Lasst uns froh und munter sein‘ etc. Ab und an, wenn es sich ergab, haben wir uns auch von Klavier oder Gitarre begleiten lassen.“
CDU Lingen
„Wir begehen die letzte Kreisvorstandssitzung des Jahres immer mit einem ‚besinnlichen Teil‘. Neben der regulären Tagesordnung besucht uns ein Vertreter der evangelischen oder katholischen Kirche, spricht einen geistlichen Impuls, und dabei wird meistens auch gesungen. Letzte Woche Donnerstag erst wurde im Rahmen der Kreisvorstandssitzung u. a. ‚Tochter Zion‘ gemeinsam gesungen.
Es gibt bei uns auch (CDU-)Weihnachtsliederbücher. Und wenn es sein muss, kopieren wir diese auch!
Insofern ‚leben‘ wir die Anregung von Merkel durchaus, inszenieren das aber nicht, weil es für uns Christenmenschen im Emsland einfach dazugehört – genauso, wie das Einsegnen unserer Büroräume durch einen kirchlichen Würdenträger nach einem Umbau im letzten Jahr oder das Singen von ‚Großer Gott, wir loben dich‘ bei derartigen Anlässen.
Sicherlich erodiert auch in unserer Region das Verhältnis zu Gott, Religion und damit zu Advents- und Weihnachtsbräuchen, aber dennoch wollen wir als christliche Partei versuchen, Vorbild zu sein, um – wie heißt es heutzutage doch so schön von einer bestimmten politischen Ecke – ‚abendländische‘ Traditionen, die unser Land prägen, zu erhalten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen