piwik no script img

Siemens hält an Kohleprojekt festKaeser am Pranger

Siemens-Chef Joe Kaeser will die umstrittene Lieferung für ein riesiges Kohlebergwerk in Australien aufrechterhalten. Klimaschützer sind erbost.

Demonstration vor dem Siemens-Hauptsitz in München am 10. Januar Foto: dpa

München/Berlin dpa |/rtr |/taz | Trotz heftiger Proteste von Klimaschützern hält Siemens an einer Zulieferung für ein riesiges Kohlebergwerk in Australien fest. Nun dürfte die Kritik noch heftiger ausfallen.

Das Projekt allein „könnte die Welt über das 1,5-Grad-Ziel schon kippen“, kritisierte Nick Heubeck von Fridays for Future am Montag im Bayerischen Rundfunk. Die Entscheidung von Siemens-Chef Joe Kaeser, „drinnen zu bleiben, zeigt für mich auch, dass er seinen Ruf da auch riskieren möchte für ein paar Millionen Euro“. „Joe Kaeser mache einen „unentschuldbaren Fehler“, sagte auch die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer.

Noch am Freitag hatte sich Kaeser mit Neubauer getroffen und ihr einen Posten in einem Aufsichtsgremium des künftigen Unternehmens Siemens Energy angeboten, den sie aber ablehnte. Zugleich hatte das Treffen Hoffnungen der Klimaschützer befeuert, dass Siemens sich gegen die Lieferung entscheiden könnte.

Der deutsche Großkonzern hatte im Juli 2019 den Auftrag für die Schienensignalanlage der vom indischen Adani-Konzern geplanten Carmichael-Mine im australischen Bundesstaat Queensland angenommen. Entstehen soll dort eines der größten Kohlebergwerke der Welt, das aus fünf Untertageminen und sechs Tagebaustätten bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördern soll. Für Siemens-Verhältnisse ist der Auftragswert in Höhe von 18 Millionen Euro eher gering.

Kaeser verweist auf verbindliche Zusage

Bei der Kritik an dem Projekt geht es neben dem Klimaschutz auch um enormen Wasserverbrauch, die Zerstörung von Lebensraum und den Transport der Kohle über das Great Barrier Reef, das größte Korallenriff der Welt.

In einer am Sonntag veröffentlichten längeren Stellungnahme schrieb Kaeser, ihm sei bewusst, dass die Mehrheit sich eine andere Entscheidung erhofft habe. Er betonte aber, dass es seine Pflicht als Konzernchef sei, verschiedene Interessen abzuwägen. Es sei die „höchste Priorität“ von Siemens, seine Versprechen zu halten. Und es gebe praktisch keinen rechtlich und wirtschaftlich verantwortlichen Weg, den Vertrag aufzulösen.

Neubauer hingegen forderte, Konzerne müssten anfangen, bestehende Verträge zur Förderung von Kohle, Öl und Gas aufzulösen, sonst seien die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht einzuhalten. „Auf diesen Vertrag zu pochen, während Australien brennt und alle Konsequenzen für Mensch und Umwelt bekannt sind, ist Wahnsinn.“ Die Menschen seien an einem Punkt in der Geschichte angekommen, an dem jeder Vorstandsvorsitzende „in dieser Größenordnung gefragt ist, sich zu entscheiden: für oder gegen das Klima, für oder gegen die Rechte zukünftiger Generationen und den Schutz der Menschen und Tiere, die heute betroffen sind“.

Auch australische Umweltaktivisten reagierten empört auf den Beschluss von Siemens. Die Entscheidung sei „nichts weniger als schändlich“ und ruiniere das Image der Firma, teilte die Australian Conservation Foundation mit. „Mit dieser Entscheidung zeigt das Unternehmen sein wahres Gesicht.“ Die angebliche Klimawandel-Strategie des Konzerns habe sich als „inhaltsleer und bedeutungslos“ entpuppt – er sei keinen Deut besser als die von der Ausbeutung fossiler Energieträger profitierenden Firmen, mit denen er zusammenarbeite. Der Protest gegen das Bergwerk-Projekt werde weitergeführt, kündigten die Aktivisten an.

FFF ruft zu Protesten bei der Hauptversammlung auf

Auch die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg schaltete sich ein. „Es scheint so, als ob Siemens die Macht habe, den Bau der riesigen Adani-Kohlemine in Australien zu stoppen, zu verzögern oder zumindest zu unterbrechen“, schrieb sie am Samstag auf Twitter.

Am Freitag hatten Anhänger von Fridays for Future bereits in deutschen Städten gegen die Mitwirkung von Siemens an dem Bergbauprojekt protestiert. Klimaschutz-Aktivist Heubeck kündigte massive Proteste bei der Hauptversammlung von Siemens Anfang Februar in München an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter!"

    Investoren und Aktionäre wollen Renditen auf dem Konto sehen. Das Klima kauft nichts, verbraucht nichts und produziert nichts, und hat deshalb keine, und schon gar keine, "höchste Priorität".

    Nicht Siemens muss handeln, die Politik muss es! Sie muss die gesetzlichen Voraussetzung schaffen, die den Konzernen den Weg weisen. Stattdessen füttert sie die Kamele, damit sie uns, ohne Wasser, ins Zentrum des Death Valley tragen.

  • Mit welcher CO2-Einsparung wird denn gerechnet, wenn man davon ausgehen kann, dass die Mine trotzdem in Betrieb geht, dann aber neue Ausschreibung, Planung und Entwicklung einer anderen Firma notwendig werden?

  • Siemens und der Aufsichtsrat sind ihren Aktionären gegenüber verplichtet. Ein Vertragsbruch gegenüber Adani hätte Zahlungen in Millionenhöhe zur Folge, viel schlimmer wäre ein Reputationsverlust zu befürchten.



    So ist es aus meiner Sicht zu begrüßen, das der Aufsichtsrat vor selbst ernannten Aktivisten nicht eingeknickt ist.



    Die sinnvolle Adresse des FfF - Protestes ist in diesem Fall die australische Botschaft. Also auf nach Berlin.

  • „Mit dieser Entscheidung zeigt das Unternehmen sein wahres Gesicht.“

    Quatsch. Das ist das wahre Gesicht aller Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Also nichts Ungewöhnliches. Die Taktik von FFF, sich jetzt einzelne Unternehmen vorzuknöpfen, erweckt den Eindruck, dass nicht das kapitalistische System der internationalen Konkurrenz und des Wachstums das Problem ist, sondern ein paar böse Unternehmen.

    Hier wird auch der falsche Ansatz von FFF deutlich. Nämlich der Versuch, mit Symbolpolitik innerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung den Klimawandel positiv zu beeinflussen. Schon die Tatsache, dass FFF eine Bewegung ist, die durchaus wohlwollend von den Herrschenden aufgenommen wird, lässt alle Alarmglocken läuten. Zumindest bei Linken, die sich etwas mehr mit den Bewegungsgesetzen des Kapitalismus beschäftigt haben.

    Und außerdem: Die Liste der "gekauften" PolitikerInnen ist lang. Notfalls preist man sie ein die Fischers, Schröders, Röstels usw. usw. Oft alles nur eine Frage des Preises.



    Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Eingepreisten sind Opfer des Systems. Man kann hier höchstens von Charakterschwäche oder Gier reden. Viel schlimmer ist die Tatsache, dass das Kapital sich alles einkaufen kann. NGOs, ThinkTanks, Experten usw. Und die großen Medienkonzerne bestimmen ohnehin die Richtung.

    • @Rolf B.:

      hmmn, knirsch. Also meinereiner mitsamt vielen Altersgenossen hat mit fundamental gründlicher Systemkritik und beredt sehnsüchtigem Warten auf die Revolution nicht so wirklich viel bewegt, muß ich mal bilanzieren. Wir können rauf- und runter deklinieren was falsch ist am System, nur was man nun konkret tun soll, um es auszutauschen, da hab ich in vielen Jahren wenige Vorschläge gehört. Oder - bewahre - konkrete Schritte gesehen. Daß die es jetzt anders angehen als wir, ist nicht hinreichend aber offensichtlich notwendig, um noch eine Chance zu haben.

      the kids are OK, zaz da Boomer.