Sicherheitspaket der Ampel: „Menschliches Armutszeugnis“
Noch diese Woche will die Ampel ihr Sicherheitspaket verabschieden. Von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Opposition kommt Kritik.
Am vergangenen Freitag hatten sich die Ampelparteien nach Kritik von Sachverständigen aus dem Innenausschuss noch auf Änderungen geeinigt. Beim biometrischen Abgleich von Fotos mit solchen aus dem Internet, also bei der Gesichtserkennung, gab es Veränderungen. Sowohl der Polizei als auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll die Praktik erlaubt werden. Die Polizei soll sie nach der Überarbeitung nur noch bei besonders schweren Straftaten und zur Ermittlung von Tatverdächtigen anwenden dürfen.
Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, kritisiert, die Behörden dürften dadurch alle im Internet veröffentlichten Fotos, Videos oder Tonaufnahmen mit Stimm- und Gesichtserkennungstechnologie analysieren. „Dieser massive Eingriff in die Privatsphäre kann Menschen davon abhalten, ihr Recht auf Protest wahrzunehmen, da sie befürchten müssen, dass ihre Äußerungen und Aktivitäten durchleuchtet werden“, sagte sie der taz.
Die Leistungen für Asylbewerber:innen, für die nach dem Dublin-Verfahren ein anderer Staat zuständig ist, sollen gestrichen werden. Nach Dublin müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie als Erstes ankommen. Kritiker:innen der Leistungen verweisen darauf, dass die Leistungen für diese Flüchtlinge einen Anreiz böten, in Deutschland zu bleiben.
Laut Marcel Emmerich, Bundestagsabgeordneter und Obmann der Grünen im Innenausschuss, konnten die Grünen in den Verhandlungen „rechtswidrige Pushbacks durch Leistungskürzungen verhindern“. Leistungen sollen demnach erst gestrichen werden, wenn Betroffene auch wirklich ausreisen können, wenn also das Ankunftsland die Bereitschaft zur Aufnahme erklärt und ein Abschiebeflug gebucht ist. Wer dennoch nicht ausreist, soll zwei Wochen lang eine Überbrückungsleistung erhalten, die nur das Nötigste decken soll.
Für Sophia Eckert, politische Referentin für Flucht, Migration und Behinderung bei Handicap International, ist dieses Vorhaben nicht mit dem Grundgesetz, dem Europarecht und der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar. Sie befürchtet zudem, dass Menschen mit Behinderung wohnungslos gemacht werden könnten, wenn die Behörden keinen Härtefall feststellen, und spricht von einem „menschlichen Armutszeugnis“.
Innerhalb sogenannter Messerverbotszonen dürften die Behörden laut Vorlage anlasslose Kontrollen durchführen. Auch, wenn auf dem Papier die sogenannte Racial-Profiling-Praxis ausgeschlossen wird, wird befürchtet, dass es in der Praxis dennoch dazu kommen wird. Laut Clara Bünger, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und Obfrau im Rechtsausschuss, könne mehr Sicherheit nur mehr Sicherheit für alle bedeuten. „Durch die Erweiterung anlassloser Kontrollen wird es noch mehr „Racial Profiling“ geben“, sagte sie der taz.
Für den Grünen Marcel Emmerich sind die Änderungen hingegen zufriedenstellend. „Das Sicherheitspaket wird durch Änderungs- und Entschließungsanträge ergänzt, um die Wirkung rechtsstaatlich und effektiv zu steuern, die Prävention zu stärken und rechtlichen sowie praktischen Bedenken Rechnung zu tragen“, sagte er der taz.
Als Auslöser für das Sicherheitspaket gilt das Messerattentat von Solingen Ende August, bei dem der mutmaßliche Attentäter drei Menschen tötete. Die Tat führte zu Diskussionen, da der Mann wohl ausreisepflichtig war. Kritiker:innen sehen hier das Bestreben der Ampelkoalition, bei asylkritischen Wähler:innen auf Stimmenfang zu gehen.
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