Sicherheitsforschung an deutschen Unis: Das Fachwort lautet „Dual Use“

Das Pentagon fördert Forschung an deutschen Unis. Ein Skandal? Die EU pumpt weitaus mehr Geld in die Sicherheitsforschung.

Nicht nur hübsch, auch klug sollen sie sein. Europa forscht an intelligenten Kameras. Bild: dpa

BERLIN taz | Das US-Verteidigungsministerium lässt auch an deutschen Hochschulen und Instituten forschen. Die Hochschulen reagieren gelassen. Seit 2000 seien rund sieben Millionen Euro für Rüstungs- wie Grundlagenforschung an deutsche Universitäten und Institute geflossen, berichten NDR und Süddeutsche Zeitung.

„Grundsätzlich gibt es keinen Grund, das Verteidigungsministerium eines mit Deutschland eng verbündeten Staates als Projektträger auszuschließen“, sagte der Präsident der deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, dem Handelsblatt.

Denn die Förderung ähnlicher Projekte ist gängig. Gelder erhalten die Universitäten von der EU in erheblich größerem Umfang. Das siebte Europäische Forschungsrahmenprogramm (FP7) fördert die europäische Sicherheitsforschung mit 1,4 Milliarden Euro. Universitäten, Wirtschaft und Staat arbeiten in dem siebenjährigen FP7-Rahmen gemeinsam an 253 Einzelprojekten zum Thema Sicherheit.

„Vieles, was heute unter ziviler Sicherheit läuft, ist militärisch geprägt, so wie die Sensorik und Nachrichtentechnik“, so Christoph Marischka, Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung. Auch für die Zivilgesellschaft erforschte Technologien lassen sich militärisch nutzen. Das englische Fachwort dafür ist „Dual Use“.

Rüstungsunternehmen und Privatwirtschaft

Das Europäische Forum für Sicherheitsforschung und Innovation (Esrif) begleitete das FP7 in den Jahren 2007 bis 2009. Esrif gab Rüstungsunternehmen und Privatwirtschaft eine offizielle Plattform, sich mit den Wissenschaftlern auszutauschen. Esrif sollte den Weg „für die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor und den Forschungseinrichtungen“ ebnen, beschreibt die Europäische Kommission das Projekt in einer Pressemitteilung.

Der Sicherheitssektor boomt. Das Bildungsministerium schätzte 2006 das Marktvolumen für zivile Sicherheit auf zehn Milliarden Euro alleine in Deutschland, Tendenz: wachsend. Dementsprechend hält auch die Förderung der Sicherheitsforschung an. Nach FP7, das im nächsten Jahr ausläuft, bringt die EU das Nachfolgeprojekt Horizon 2020 auf den Weg.

Die Technik soll auch an Schwellenländer verkauft werden, so das Grundsatzpapier „Zukunftsmarkt zivile Sicherheit“ des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2010. „Der Anteil öffentlicher Kunden ist sehr hoch – dies gilt in besonderem Maße für die als Zielmärkte interessanten Schwellenländer“, heißt es in dem Papier wörtlich.

Eines der 120 Sicherheitsprojekte des FP7 ist Indect. Ende September demonstrierte die Universität Danzig einen Teil der erforschten Technik. Da Personal allein die Bilderflut aus Überwachungskameras nicht mehr bewältigen kann, sollen intelligente Videokameras „abnormales Verhalten“ erkennen: etwa Banküberfälle, aber auch das Überqueren von roten Ampeln. Im Internet sollen digitale Wasserzeichen in Dateien dabei helfen, den ursprünglichen Besitzer von Dateien zu identifizieren.

Das Bundeskriminalamt berät

Neben der Universität Wuppertal forschen in Deutschland die privaten Unternehmen InnoTec DATA und PSI Transcom GmbH an dem Großprojekt. Insgesamt arbeiten 17 europäische Forschungsinstitutionen an Indect. Das Bundeskriminalamt berät. Andere Projekte bringen Informationen aus sozialen Netzwerken mit biometrischen Merkmalen wie dem Fingerabdruck zusammen.

Die meisten der FP7-Sicherheitsprojekte beschäftigen sich auch mit Grundrechtsfragen und Ethik. Auch Indect hat eine Ethikkommission – sie besteht jedoch aus den beteiligten Akteuren selbst, und zwei Datenschützern. „Es müsste mehr Wert auf Reflexion gelegt werden“, sagt Christoph Marischka. So wie es heute schon bei der Genforschung der Fall sei, wo Netzwerke und Gremien sich über potenzielle Gefahren und deren Eindämmung Gedanken machen.

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