Sexismus-Debatte über Riesen-Gemälde: Nackte Frauen unterm Kaiser
Vier Jahre lang war es zugemauert, jetzt zeigt die Hamburger Kunsthalle ein Gemälde Hans Makarts wieder. Und lädt zur Diskussion, ob das gut ist.
Sowas war damals schwer angesagt, Makart war, während der dann sogar „Makart-Zeit“ genannten 1870er-Jahre, ein Kunst- und Dekorations-Superstar. Üppig waren seine Bilder, rauschhaft-sinnlich und immer ein bisschen theatralisch, Historienmalerei ins Dekorative gewendet: Den Einzug des Kaisers hat Makart mit italienischer Opulenz à la Rubens und Tizian aufgepimpt, lässt ihn von einer Menschenmasse in bunten Kostümen aus den verschiedensten Epochen begleiten, nackte Frauen stellen nicht nur – wie damals durchaus üblich – am Rand Allegorien dar, sondern werden ins Zentrum gerückt und dem Kaiser regelrecht unterstellt.
Sexistischer geht’s nicht, historisch falsch war es ohnehin. Das war schon seinerzeit vielen zu viel faschingshaftes Volksfest und Künstler-Selbstmarketing und skandalträchtige Nacktheit. Ein Skandal auch: Makart malte die Wiener Gesellschaft und auch sich selbst in den Umzug hinein.
Auch in Hamburg, wo das Bild seit 1881 in der Kunsthalle hing, nachdem hiesige Kunstfreunde es teuer gekauft hatten, fiel Makart in Ungnade. Während des Zweiten Weltkriegs wanderte das Bild ins Depot und blieb dort erst mal, weil es jetzt als Kitsch galt. In den 1970ern wurde die zerknitterte Leinwand teuer aufgebügelt, renoviert hing sie wieder von 1981 und 2016, bis der Koloss im Zuge der Grundsanierung kurzerhand eingemauert wurde – was wiederum für Diskussionen übers Verdecken in Ungnade gefallener Bilder sorgte.
Zeitgemäß nur mit Triggerwarnung
Jetzt ist das Ding wieder zu sehen, seit Oktober im Rahmen der Ausstellung „Making History – Hans Makart und die Salonmalerei des 19. Jahrhunderts“ – bis mindestens 2023 und seit März auch online. Diskutiert wird dabei auch wieder, jüngst zeitgemäß via Hashtag #MakartNow, darüber, wie das Bild heute einzuschätzen ist: „Was sagt Ihr zu der unverhohlenen Zurschaustellung nackter Frauen zu Füßen des Kaisers? Wie sollten Museen Eurer Meinung nach mit Werken wie diesem umgehen?“
Nach ihrer Meinung hat die Kunsthalle im Vorfeld ausdrücklich auch „bekannte Autor*innen, Feminist*innen und Kunstwissenschaftler*innen“ gefragt. Ein paar Rückmeldungen sind schon da, nachzulesen unter www.hamburger-kunsthalle.de/makartnow.
Eine der prägnantesten Positionen trudelte gerade erst ein, von Dr. Reyhan Şahin aka Lady Bitch Ray: „Hans Makarts Bild steht im wahrsten Sinne des Wortes für imperialistische, cis männliche Dominanz, und das auf 50 Quadratmetern. Wenn dieses Bild sprechen könnte, hätte es uns vielleicht gesagt: Well I’m Makart Me, I got bitches galore/ You may have a lot of bitches but I got much more wie einst der Rapper Easy E., aber der kam zumindest von unten und kannte es als Gangster-Rapper nicht anders.“
Kein Plädoyer fürs Abhängen oder Zumauern, aber für eine Triggerwarnung, „vielleicht mit der Aufschrift: Vorsicht, dieses Bild enthält sexistische, klassistische und kolonialistische Elemente!“
Weiter geht die Diskussion jetzt auf Twitter. So viel ist aber schon mal klar: Um noch mal richtig Kunst-Superstar zu werden, dafür mangelt es Typen wie Makart heutzutage einfach an Likes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht