Serie „The Beatles: Get Back“: Explosionsartige Spielfreude
Fast 60 Stunden Material hat Regisseur Peter Jackson in eine Miniserie verwandelt. Darin geht es um die Entstehung des Beatles-Albums „Let It Be“ von 1969.
Irgendwas musste geschehen. Die Beatles waren 1969 seit drei Jahren nicht mehr auf Tour gewesen, hatten sich von ihrem Publikum verabschiedet. Stattdessen entdeckten sie das Studio als Instrument, experimentierten mit rückwärts gespielten Tonbändern und anderen Dingen, die man auf der Bühne nicht reproduzieren kann. Jetzt wollten sie wieder etwas Schlichteres, sich zusammensetzen und eine Platte direkt einspielen, ohne sie groß nachbearbeiten zu müssen.
Man verpflichtete den Regisseur Michael Lindsay-Hogg, die Arbeit im Studio zu filmen. Das Projekt war für drei Wochen angesetzt, unter anderem war ein Fernsehauftritt geplant, auf dem das Album vorgestellt werden sollte, Arbeitstitel „Get Back“. Die Sache entwickelte sich anders, am Ende gab es 1970 als ihr letztes Album „Let It Be“ und den gleichnamigen Dokumentarfilm.
„The Beatles: Get Back“ Regie: Peter Jackson. Großbritannien/Neuseeland/USA 2020. Läuft auf Disney+
Die knapp 60 Stunden Filmmaterial, die damals weitgehend ungenutzt übrigblieben, hat sich der neuseeländische Regisseur Peter Jackson („Braindead“, „Der Herr der Ringe“) neu vorgenommen, digital aufbereitet, den Ton nachgebessert und auf eine Geschichte abgesucht, die 1970 noch nicht erzählt worden war. Was ihm einigermaßen gut gelungen ist.
„The Beatles: Get Back“ heißt das Resultat, eine dreiteilige Miniserie, gut sieben Stunden lang. Inhaltlich knüpft Jackson an Ron Howards Dokumentarfilm „The Beatles: Eight Days a Week – The Touring Years“ von 2016 an, darin ging es um die zehrenden Konzertmarathons der Band.
Zoff unter den Fab Four
Jackson verwendet den ersten Teil von „Get Back“ für den Auftakt des Projekts, zu dem die Beatles in den Twickenham Studios im Süden Londons eine riesige Halle zum Proben bezogen. Dort war das Set für die Komödie „The Magic Christian“, in der Ringo Starr an der Seite von Peter Sellers spielte, die Beatles nutzten eine Drehpause.
Kaum hat die Arbeit begonnen, geht es los mit den Klagen. Die Atmosphäre des kargen Studios stört besonders George Harrison, von der miesen Akustik sind alle genervt. Da helfen auch die bunten Strahler nichts, die die Wand im Hintergrund beleuchten.
Vor allem aber geht Jackson in diesem Teil den Konflikten innerhalb der Band nach. Zeigt die Spannungen zwischen Paul McCartney und Harrison, die dazu führen, dass Letzterer in einem Streit abrupt aufsteht und mit den Worten „Ich verlasse die Band“ weggeht. Nach fünf Tagen kommt er zurück, besteht aber darauf, dass sie den unwirtlichen Ort gegen ihr noch nicht fertig eingerichtetes neues Apple Studio tauschen.
Jackson lässt wenig von dieser erschöpften Endphase der Fab Four aus, viele Proben gestalten sich zäh, derbes Fluchen inklusive, weil man einfach nicht mehr konzentriert aufeinander ist. Yoko Ono sitzt im Studio oft unmittelbar neben ihrem Freund John Lennon, auch Pauls spätere Frau Linda Eastman, wie sie damals hieß, ist oft zugegen. Und ausgerechnet mit dem Song „Don’t Let Me Down“ will es nicht vorangehen.
Kurzfristiger Zusammenschluss mit Keyboarder Billy Preston
Zugleich sind da Momente, in denen sich die Spielfreude explosionsartig entlädt, wenn sie sich etwa auf frühere Shows besinnen und energisch Chuck Berrys „Rock and Roll Music“ jammen. Wenn ihr Freund, der Keyboarder Billy Preston, im Studio vorbeischaut, ohne zu wissen, dass er kurzfristig fast zum fünften Beatle wird, und die anderen mit seiner ruhig inspirierten Art sofort euphorisiert.
Oder wenn sie sich zusammenraufen, um mit dem Song „No Pakistanis“ satirisch Stellung gegen die migrantenfeindliche Politik der britischen Regierung zu beziehen. Nach ein paar Tagen ist aus dieser Nummer das weniger eindeutige „Get Back“ geworden, aber egal.
Wie im Film „Let It Be“ bildet das Konzert auf dem Dach der Apple Studios am 31. Januar 1969 vor Passanten auf der Straße den krönenden Abschluss, bei Jackson mit Splitscreen in Parallelgeschehen aufgespalten. Es war der letzte Auftritt der Beatles. Einen so stilvollen Abgang haben bis heute wenige andere Bands hinbekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag