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Semesterticket der Berliner Hochschulen„Kaufen Sie sich halt ein neues Handy“

Das Deutschlandsemesterticket in Berlin wird ab sofort von der S-Bahn GmbH ausgegeben. Dabei scheint es nicht nur technische Probleme zu geben.

Jetzt geht's aber los, mögen sich manche Berliner Studierende denken Foto: IMAGO / Jürgen Heinrich

Berlin taz | Hat sich die S-Bahn bei der Übernahme der Zuständigkeit für das Deutschlandsemesterticket übernommen? Danach sieht es zum Start des Sommersemesters 2025 aus. Mehrere Studierende berichteten der taz von Problemen bei der Bereitstellung des digitalen Tickets. Sie beklagten auch Schwierigkeiten für Menschen mit älterem – oder gar keinem – Smartphone.

Bislang hatte die BVG die vergünstigten Deutschlandtickets ausgegeben, jetzt wechselte die Zuständigkeit zur S-Bahn Berlin GmbH. Damit veränderte sich auch das Prozedere: Konnten Studierende sich bislang das Ticket als QR-Code abspeichern – etwa auf einem iPhone ins „Wallet“ –, bedarf es nun der S-Bahn-App, um sich auszuweisen. Dazu muss bei einer Kontrolle auch eine Internetverbindung bestehen.

Wie Dirk Lubien, Studierender an der Humboldt-Uni (HU), der taz erläuterte, müssen Studierende sich via S-Bahn-App auf dem HU-Server einloggen, damit das personalisierte Ticket in der App aktiviert wird. Er habe das noch am Montagabend versucht, so Lubien, nachdem er eine Mail vom Hu-RefRat erhalten hatte. Darin wurde das Prozedere erklärt, es hieß unter anderem aber auch, dass „das Ticket nicht sofort in der App angezeigt wird, sondern es ein paar Tage dauern kann, bis es ausgeliefert wird“.

Zudem muss laut RefRat der Vorgang zu jedem Monatsbeginn wiederholt werden, obwohl das Deutschlandsemesterticket ein halbes Jahr gültig ist. Als Lubien sein Ticket aktivieren wollte, bekam er erst eine Fehlermeldung, anschließend war er offensichtlich über die HU eingeloggt, auf der App prangte aber nur der Text „Keine aktuellen Tickets“. Noch am Dienstagnachmittag habe er nicht über sein Ticket verfügt, berichtet er. Und in der S-Bahn sei er prompt kontrolliert worden.

Der Kontrolleur habe freundlich reagiert, ihm sei das Problem offenbar bekannt gewesen. Ob man auch bei Kontrollen in anderen Verkehrsverbünden Kulanz erwarten könne, wollte Lubien von ihm wissen, und erhielt als Empfehlung, bei einem S-Bahn-Kundenzentrum nach einer Lösung zu fragen.

Keine Chance mit altem Smartphone

Vor den Kundenzentren sollen am Dienstag viele Studierende mit ähnlichen Problemen Schlange gestanden haben – so berichtet es Helge Haack, ebenfalls Studierender an der HU. Er war zum Schalter im Ostbahnhof gegangen, weil sein iPhone 6 – wie andere ältere Smartphones – nicht von der S-Bahn-App unterstützt wird: Damit kann er faktisch sein Semesterticket nicht vorweisen.

Die S-Bahn stellt in solchen Fällen nun Chipkarten aus. Laut Haack gab man ihm aber zu verstehen, dass es sich um eine Gefälligkeitsleistung handele, die nur im aktuellen Semester angeboten werde. Schließlich hätten die Studierendenschaften vertraglich zugestimmt, dass NutzerInnen des Tickets zwingend über die entsprechenden technischen Endgeräte verfügen müssten.

Während seiner einstündigen Wartezeit habe er an die zehn Mal von MitarbeiterInnen der S-Bahn die Frage „Sind Sie hier, weil Ihr Telefon zu alt ist?“ gehört. Auch die Aussage „Sie haben ja dann ein Vierteljahr Zeit, sich ein neues Telefon anzuschaffen“ sei gefallen – aus Haacks Sicht eine Marginalisierung „im Namen einer technischen Notwendigkeit“, die lediglich behauptet werde. Ausgeschlossen würden Personen, die sich kein neues Smartphone leisten könnten, ebenso wie solche, die etwa aus politischen oder ökologischen Beweggründen keines nutzten.

Von der S-Bahn GmbH gab es auf taz-Anfrage bis Redaktionsschluss keine Antwort.

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13 Kommentare

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  • Können wir es nicht einfach so machen, dass ein Aufenthaltstitel reicht?



    EU-Perso als Ticket?



    Und alle anderen bekommen für ihre Duldung, Visum, etc auch eine ähnliche - von mir aus auch per NFC prüfbare - Scheckkarte?

    Und das dann über einen Mobilitätszuschlag auf dem Steuerbescheid finanzieren?

  • "... Dazu muss bei einer Kontrolle auch eine Internetverbindung bestehen. ..." Da nützt ja im Funklochland Deutschland auch das beste Smartphone nichts.



    Bei den meisten Mobilitäts Apps funktioniert das auch offline oder man kann sich das Ticket als QR-Code auch ausdrucken.

    Was ist den ein Refrat?

  • Soweit ich mich erinnere lief die Unterstützung für das iPhone 6 bereits Ende 2022 aus. Dass man alte Handys nicht mehr anwendbar macht, weil sie aktuelle Sicherheitsstandards nicht unterstützen, ist normal und zum Teil auch notwendig. Wer sich dem entziehen will, der möge sich ein Smartphone mit einem von vielen möglichen alternativen Betriebssystemen besorgen, zB LineageOS etc. Klar, der Service muss verfügbar sein. Das wird sicherlich auch besser werden nach der Anlaufphase. Solange die Schaffner entspannt reagieren, weil sie die Probleme kennen, einfach ebenfalls einen Gang zurückschalten, ebenfalls entspannen und ein Glas Wein trinken.

  • Was ich schade finde ist, daß wahrscheinlich die betroffenen Leute dieses Kommentar nicht mitlesen werden, aber vielleicht doch: ein IPhone 6, selbst ein IPhone 6s sind zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre alt. Selbst Apple hat den Support zum absolut fehlerfreien Betrieb eingestellt. Man kann weiterhin das Smartphone nutzen, Fotos machen, sogar Apps downloaden und benutzen. Es gibt hunderttausende Apps im Appstore die noch funktionieren obwohl der Support Zeitraum lange beendet wurde. Der Zeitraum war so etwa 2020. Und genau da liegt das Problem. Weil eben der Support beendet wurde tauchen bei fast allen wichtigen Apps des Alltags Schwierigkeiten auf, die eine Benutzung auf Dauer unmöglich machen. Ein 10 Jahre altes Smartphone ist faktisch nur noch ein Relikt im Museum. Man kann es auf Reisen mitnehmen um vielleicht Fotos mit der Kamera App zu machen, es in der Schublade zu Hause lassen oder einfach für den Rest seines Lebens behalten. Aber eben nicht zum alltäglichen Gebrauch benutzen. Apple hat als erstes die längsten und verlässlichsten Support Zeiträume gehabt, bis heute. Aber eben nicht 10! Jahre. Apple wird nicht helfen, die BVG und TAZ nicht....Niemand. Es braucht ein neues IPhone.

  • Hatte ähnliche Probleme mit dem Deutschlandticket auf meinem smartphone, da mein android zu alt war. Habe dann ein "custom-rom" draufgespielt, also ein nicht offizielles Betriebssystem, welches aber auf android basiert (und quasi das gleiche ist). Funktioniert einwandfrei und schätze mein smartphone kann dadurch 2-4 jahre länger benutzt werden. Gut für die Umwelt, gut für den Geldbeutel.

    Anleitungen gibts online.

  • Es gibt sicher Randgruppen für die auch ausgedruckte Karten verfügbar sein sollten. Studenten gehören da aber nicht dazu. Man muss auch mal kurzfristig online Termine wahrnehmen, sich auf Hochschulseiten orientieren, online Formulare ausfüllen, Sicherheitsapps nutzen usw. Da kann man nicht verlangen das man mit elf Jahre alten IPhones weiter zurecht kommt. Da kann man sich einfach ein ein paar Jahre altes iPhone SE für wenig Geld besorgen und man kommt zurecht.

    • @Gunnar Grannis:

      Was kann man denn noch verlangen, wofür andere Leute Geld ausgeben sollen?

    • @Gunnar Grannis:

      Es geht dabei nicht um digitale Kompetenz, sondern um die finanziellen Mittel und/oder die Bereitschaft, ein Smartphone zu besitzen, wie der Text auch erwähnt, aus politischen oder ökologischen Gründen z.B.

      digitalcourage.de/...talzwang-gestartet

      Dabei geht es nicht um Randgruppen.

    • @Gunnar Grannis:

      Doch, Studierende gehören auch dazu. Auf Hochschulseiten informieren, Lernplattformen nutzen, sonstiges Administratives kann nämlich über jeden Laptop laufen. Die Ticket-App aber nicht. Auch von in der Mehrheit Jungen, "Digital Natives", kann nicht verlangt werden, sich jedem technischen Trend zu beugen. Es gibt übrigens auch hier Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen Smartphones verweigern. Abgesehen von der finanziellen Frage.

  • Ein 11 Jahre altes iPhone 6…der Beweis, dass es den Studenten in Deutschland wirklich schlecht geht.



    Tickettauglich wird es ab iPhone 6s, für 25,- eu gerade in den Kleinanzeigen gesehen, der eine oder andere hat es auch noch für lau in der Schublade.

  • Das rein digitale Ticket hat vor allem auch das Problem, dass der Akku mal leer wird. Oder, wie mir passiert ist, man verliert den Einschaltknopf des schlecht reparierbaren Handys und kann es plötzlich nicht mehr einschalten (ich habe mein Handy seit 11 Monaten mit purer Willenskraft am Leben erhalten, weil man um einen Knopf einzusetzen ein komplett neues Display braucht...).

  • Ich kann das selbe wie Dirk berichten. Die Registrierung klappte mehrfach nicht, es gab genau heute (am ersten Geltungstag) diverse Wartungsarbeiten — und dann ist nach nun mehrfachem Versuch und endgültigem Glück noch immer kein Ticket bei mir angekommen.

    Dass sich so etwas wie “Lieferzeiten” von mehreren Tagen bei einem Ticket mit Digitalzwang überhaupt noch erlaubt wird, ist echt eine Frechheit.

    Absolutes Totalversagen; mit Sicherheit trägt da auch niemand Konsequenz dafür, dass man den Hochschulen im Unterbietungswettbewerb das Geld aus der Tasche zieht, um dann so etwas unfertiges mit echt ausreichend Vorlaufzeit vorzusetzen.

  • Endlich greift auch einmal die Taz das Problem auf. Neu ist es nicht, Bahncardkunden und Nichtstudenten leiden schon lange darunter. Meine Briefe an die Bahn und meinen Kreditkartenanbieter, wo in deren AGB es stünde, daß ich mein neues, aktuelles Smartphone wegwerfen und ein anderes (teures) nach deren Wahl kaufen müsse, blieben unbeantwortet.