Science-Fiction-Serie „Spides“: Popcorn-Spaß und Grusel

Mit „Spides“ gibt es endlich wieder eine Science-Fiction-Serie aus Deutschland. Das ist selten. Leider kann die Serie ihre Identität nicht finden.

Lila amorphe Masse vor vage erkennbarer Berlin-Skyline

Coole Optik. Und was hält die Serie sonst noch bereit? Foto: Syfy

Wer die deutsche Serienlandschaft betrachtet, könnte zu dem Schluss kommen, dass es hierzulande nur drei Genres gibt: Den klassischen „Von Tatort bis Cobra 11“-Krimi, das todernst-traurige ZDF-Drama oder die Historiengeschichte, die sich mit dem Zweiten Weltkrieg oder der DDR auseinandersetzt. Zum Glück hat sich der enge Korridor deutscher Unterhaltung in den vergangenen Jahren ein kleines Stück geöffnet. Da sind zum Beispiel die Sci-Fi-Serie „Dark“, der Finanzthriller „Bad Banks“ oder das Gangster-Epos „4 Blocks“. Mit der Serie „Spides“ wagt sich nun auch der Fernsehsender Syfy ins Mystery-Territorium.

Die Produktionen des Nischensenders sind oft trashig und ungelenk erzählt. „Spides“ ist da ein wenig klüger. Die Serie schafft es eine geerdete Handlung zu präsentieren; die vereinzelten Action-Elemente sind nicht hoffnungslos überfrachtet, sondern unterhalten.

Im Zentrum der Serie steht Nora (Rosabell Laurenti Sellers, „Game of Thrones“) Marathonläuferin und Partyliebhaberin. Im Underground-Club „Rapture“ probiert sie die hippe Mode-Droge „Blis“ aus. Doch statt nach der durchgefeierten Nacht mit einem Kater und Übelkeit zu erwachen, findet sie sich erst ein paar Tage später im Krankenhaus wieder. An das, was passiert ist, kann sie sich nicht erinnern. „Vertrau niemandem hier!“, flüstert Nora ihr Arzt (Lion-Russell Baumann) zu. Dann beginnt die Paranoia-Handlung so richtig.

Nora bleibt nicht das einzige Opfer der Droge. Immer mehr Jugendliche verschwinden, ebenso Besucher*innen des Rapture-Clubs, und andere Konsument*innen von Blis. Ein aufbrausender Cop mit tragischer Vergangenheit (Falk Hentschel) und seine etwas jüngere, aber umso elanvolleren Partnerin (Florence Kasumba, „Marvel“, „Tatort“) ermitteln.

International besetzt

„Spides“ entwickelt zwei Erzählstränge, lässt zum einen Protagonistin Nora Mysterien lösen und verfolgt parallel die Ermittlungsarbeit der beiden Ermittler*innen. Vieles davon wirkt zwar oftmals klischeehaft, die vereinzelt eingestreuten Gruselszenen sind aber nicht ganz ohne. Für eine deutsche Serie ist das schon ein Erfolg.

Obwohl, so ganz deutsch ist „Spides“ dann doch nicht. Zwar spielt die Handlung im bewusst kosmopolitisch inszenierten Berlin, die Serie ist aber auf ein weltweites Publikum ausgelegt. Der Cast wurde international besetzt und die Dialoge sind in englischer Sprache. „Spides“ könnte in New York oder Seattle spielen, würden da nicht exzessiv Berliner Klischees dargestellt werden: Es sind natürlich Techno-Partys, die gefeiert werden, immer sind viele Drogen im Spiel.

Jede Figur versprüht Hipster-Vibes, von der im alternativen Café arbeitenden Protagonistin bis hin zum Dutt tragenden Polizisten. Und natürlich wird auch das vermeintlich dreckig-arme, aber dafür natürlich total echte Berlin(-Kreuzberg) dem klinisch-kalten und wohlhabenden Bürgertum gegenübergestellt.

Ein großes Problem hat „Spides“ leider: Es kann seine Identität nicht finden und bedient sich lieber bei anderen Science-Fiction-Werken. Einflüsse enthält es da von erfolgreichen Serien wie „Dark“, „Orphan Black“, „Matrix“ und „Stranger Things“. In den besten Momenten der Serie merkt man, dass die Lieblingsfilme der Macher wohl etwas zwischen „Sie leben“ und „Invasion der Körperfresser“ sind. Dabei haben sie sich leider, anders als die Vorbilder, nicht getraut etwas Relevantes zu erzählen.

Gewaltspitzen und Opernmusik

Es gibt da diese Momente, in denen „Spides“ zeigt, dass es auch mehr hätte sein können. Am Ende fehlte dazu wohl leider der Mut. Wenn das Polizei-Duo brutal Konsument*innen der Droge befragt, ist das für Zuschauer*innen zwar schwer auszuhalten. Solche Gewaltspitzen sind es aber, die die Serie interessant machen – nur tauchen sie viel zu selten auf. Lieber greifen die Autor*innen auf Tausend Mal gesehene Klischees zurück. Beispielsweise ist der Antagonist der Serie ein grauer Mann in einem ebenfalls grauen Anzug. Als er zum ersten Mal auftaucht, ertönt Opernmusik. Da verpufft jegliche Spannung.

Science-Fiction aus Deutschland ist selten – und noch seltener wirklich gut. „Spides“ ist unterhaltsam, keine Frage. Am Ende bleibt es Popcorn-Spaß – es gibt Schlimmeres.

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