Schwerverletzter in Hamburg: Blauer Block eskaliert 1. Mai-Demos
Der Tag der Arbeit endete in Hamburg mit einem Schwerverletzten. Die Organisatoren der Demos kritisieren die Taktik der Polizei.
Ein Polizist verletzte einen Demonstranten so schwer, dass dieser die Nacht im Krankenhaus verbringen musste. Die „Wer hat der gibt“-Demo stand eine Stunde lang still, weil die Polizei sich an der schwarzen Farbe der Corona-Schutzmasken störte. Die anarchistische Demo durfte gar nicht erst loslaufen.
„Das war einfach nur miese Schikane von Seiten der Polizei“, sagt Kim Behrens (Name geändert), Sprecher des anarchistischen Bündnisses „Schwarz-roter 1. Mai“. Als sich die Demo zum Loslaufen bereit gemacht hätte, habe der Einsatzleiter der Polizei im Salamitaktik-Stil immer neue Einwände vorgebracht.
Erst seien die Teilnehmer*innen im Frontblock zu vermummt gewesen. Daraufhin hätten sie ihre Sonnenbrillen abgenommen. Dann habe sich die Polizei an zwei Transparenten gestört, auf denen jeweils ein brennendes Polizeiauto abgebildet war – nach Ansicht der Polizei eine Aufforderung zu einer Straftat.
Transparente abgehängt, doch das reichte nicht
Nach längeren Verhandlungen zwischen dem Einsatzleiter und den Demo-Anwält*innen, die mit der Kunstfreiheit argumentierten, hängten die Demonstrant*innen die Transparente schließlich ab. Als die Demo endlich loslaufen wollte, sei den Polizisten ein weiteres Transparent aufgefallen – die Anarchos rollten es ein.
Die ganze Zeit seien die Teilnehmer*innen geduldig geblieben, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa einer Stunde nicht vom Fleck gekommen seien, sagt Behrens. Als nächstes habe der Einsatzleiter ein weiteres Transparent kritisiert – „Bullenschweine Mörder Lügner“ habe darauf gestanden. Auch das hätten die Teilnehmer*innen entfernt, obwohl ihnen nicht klar gewesen sei, welche Straftat das darstellen solle.
Daraufhin sei der Einsatzleiter der Polizei einfach verschwunden. Ein anderer Polizist habe eine Weile später ausgerichtet, jetzt gäbe es wieder ein Problem mit der Vermummung. Entnervt habe die Demoleitung entschieden, die Demo in eine stationäre Kundgebung umzuwandeln. Schließlich hatte sich der Start zu diesem Zeitpunkt schon um knapp zwei Stunden verzögert. „Es war denen egal, ob wir die Auflagen erfüllen“, sagt Behrens. „Die Polizei hätte sich immer weitere Punkte ausgedacht. Die wollten uns nicht laufen lassen.“ Es sei frustrierend und mache ihn ratlos, dass die Polizei sich einfach über die Versammlungsfreiheit hinwegsetzen könne.
Anstatt die Anarchist*innen dann wenigstens ihre Kundgebung halten zu lassen, hätten Polizist*innen den vorderen Teil der Demo gekesselt und die Teilnehmer*innen schließlich in Kleingruppen in die U-Bahn gelassen, in der sie selbst mit fuhr. Bis zur Station Schlump durfte niemand aussteigen, das bestätigen auch eine andere Versammlungsteilnehmerin und ein Fotojournalist, der ebenfalls in der U-Bahn war, gegenüber der taz.
Polizist warf Demonstranten auf den Hinterkopf
Am Schlump leitete die Polizei die Protestierenden aus der Bahn heraus, hielt sie jedoch im Gebäude gekesselt. Als einige Teilnehmer*innen durch die Polizeikette rannten und die Polizist*innen hinterher, kam es zu der schweren Verletzung: Auf einem im Internet veröffentlichten Video sieht man, wie ein Polizist auf einen Demonstranten zustürmt, der ihm gerade den Rücken zuwendet. Der Polizist schmeißt sich gegen ihn und wirft ihn um, der Demonstrant knallt mit dem Hinterkopf auf den Asphalt und krampft. Schwer verletzt kommt der Demonstrant ins Krankenhaus, erst am Dienstagvormittag wird er entlassen.
Der Polizeisprecher Florian Abbenseth gab lediglich an, dass das Dezernat für Interne Ermittlungen der Polizei informiert worden sei. Zu allen anderen Fragen könne man einen Tag nach dem Einsatz noch nichts sagen, da noch nicht alle internen Berichte dazu vorlägen. Das werde frühestens zwei Tage nach dem 1. Mai der Fall sein, so Abbenseth.
Auch „Wer hat der gibt“ kritisiert den Polizeieinsatz. „Es ist eine Frechheit, eine angemeldete Demonstration mit so einem Großaufgebot zu begleiten“, sagt die Sprecherin Carlotta Schmidt. Wenn Wasserwerfer, Räumpanzer und Einsatzwagen das Viertel vollparken und eine Hundertschaft an der Spitze der Demo laufe, führe das zu einer Stigmatisierung sozialer Proteste.
Der Gipfel sei gewesen, die Demo eine Stunde lang aufzuhalten, weil sich Teilnehmer*innen des Jugendblocks erst mit Sonnenbrillen und Schals vermummt hatten, nach Verhandlungen zwischen Polizei und Anwält*innen dann stattdessen Coronamasken aufgesetzt hatten.
Die Polizei wertete die Masken als Vermummung, weil die Maskenpflicht zum Infektionsschutz ja aufgehoben sei und die Masken darüber hinaus noch schwarz waren. „Das ist so gaga“, sagt Schmidt. „Gesundheitsschutz ist ein Recht, das die Polizei nicht nach Lust und Laune für ungültig erklären kann.“ Insgesamt bleibe der Eindruck: „Die einzigen, die Bock auf Krawall hatten, waren die Boys und Girls in blau.“ Es stelle sich die Frage, warum man Proteste mühsam organisiere und korrekt anmelde, damit die Polizei sie dann je nach Laune schikanieren könne.
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