Schwere Kämpfe in der Ukraine: Schlacht um die Salzstollen

Rund um die Stadt Bachmut kämpfen die Ukraine und Russland gerade am heftigsten. Putins Armee will um jeden Preis die Salzminen von Soledar erobern.

Ein Salzhaufen in einer Fabrik

Die Salzfabrik in Soledar steht seit den Kriegshandlungen still Infografik: Alex Chan/imago

„Sie stürmen einfach nach vorn, über die Leichen ihrer gefallenen Kameraden hinweg, um voranzukommen. Sie suchen nicht einmal Deckung, es ist, als stünden sie unter Drogen.“ Diese Angabe eines ukrainischen Soldaten in Soledar über die laufenden Angriffe der russischen Armee verbreitete ein ausländischer Freiwilliger am Dienstag auf Facebook. Die Kämpfe um die nördliche Vorstadt von Bachmut im Donbass gehören zu den heftigsten des Krieges.

Kein Gebäude im einst 10.000 Einwohner zählenden Soledar soll mehr intakt sein, zuletzt haben sich die Kämpfe weiter intensiviert. Die ukrainische Verteidigung von Bachmut und Umgebung ist der Schlüssel zur Abwehr des russischen Versuchs, von Osten her den gesamten Donbass zu erobern, samt den Großstädten Slowjansk und Kramatorsk. Hier konzentriert Russland seine größte Feuerkraft, hier ist der ukrainische Widerstand am hartnäckigsten.

Für Russland wäre die Eroberung Soledars nicht nur wichtig, weil es dann endlich Bachmut von Norden her belagern könnte. Soledar ist vor allem eine Bergbaustadt, errichtet auf den größten Salzvorkommen Europas. Die Stollen der Salzminen von Soledar, die zum Teil noch bis 2022 in Betrieb waren, erstrecken sich über eine Gesamtlänge von mehr als 200 Kilometern in einer Tiefe von mehreren hundert Metern – perfekte Bunker.

Zu Sowjetzeiten hieß Soledar noch Karl-Liebknechtiwsk; nach der Unabhängigkeit der Ukraine wurde es nach seinen Salz­vorkommen in Soledar umbenannt. Die aufgegebenen historischen Stollen im Stadt­zentrum wurden vor dem Krieg touristisch genutzt, aus den aktiven Minen lieferte der staatliche Betreiber Artemsil 75 Prozent des ukrainischen Salzverbrauchs und exportierte weltweit, auch nach Russland.

Wie die Schlacht um das Stahlwerk Azovstal

Wichtigster Angreifer auf russischer Seite ist nun die Wagner-Gruppe, Russlands bekannteste private Söldnerarmee. Ihr Chef Jewgeni Prigoschin soll ein besonderes wirtschaftliches Interesse an den Salzminen von Soledar sowie den Gipsminen von Bachmut haben. Auch in Mali und der Zentralafrikanischen Republik hat die russische Söldnertruppe sich immer besonders für Bergbau­gebiete interessiert.

Nach US-Berichten hat die Wagner-Gruppe von ihren insgesamt rund 50.000 Kämpfern – darunter viele in Russlands Gefängnissen rekrutierte Gewaltverbrecher – bislang in der Ukraine ein Zehntel verloren, davon 1.000 getötet und 4.000 verwundet, fast alle in und um Bachmut und Soledar. Experten vergleichen die Schlacht um die Salzwerke in Soledar mit der Schlacht um das Stahlwerk Asowstal in Mariupol, den einst größten Stahlkomplex Europas.

Eine Karte zeigt die Lage der Städte Bachmut und Soledar an der Front

Ende vergangener Woche gelang Wagner offenbar der Durchbruch ins Ortszentrum mit seiner historischen Minenzentrale, nicht jedoch zu den Salzminen am Westrand. Reguläre russische Einheiten folgten nach. Am Sonntag drängte die Ukraine unter Nutzung der alten unterirdischen Gänge die Russen wieder hinaus. Aber die Kämpfe toben seitdem weiter, bei strengem Frost und mit „astronomischen“ Verlusten, wie es in ukrainischen Berichten heißt.

Von „schweren blutigen Schlachten“ sprach am Dienstag Wagner-Chef Prigoschin und lobte den Feind: „Die ukrainische Armee kämpft mutig um Bachmut und Soledar.“ Ukraines Präsident Wolodimir Selenski erklärte in der Nacht zum Dienstag: „Alles ist völlig zerstört, der Boden in Soledar ist mit den Leichen der An­greifer bedeckt.“ Es zirkulieren ­entsprechende Luftaufnahmen.

Die Salzstollen als Waffenlager

Am Dienstag erklärte die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar, Russlands Armee habe sich „neu gruppiert, die Truppenstärke wiederhergestellt, zusätzliche Angriffseinheiten verlegt, die Taktik geändert und mit Angriffsaktionen begonnen“. Russland kontrolliere „den Großteil von Soledar“, bestätigte das britische Verteidigungsministerium, und ukrainische Quellen sprachen von einem möglichen Rückzug der verbleibenden Verteidiger.

Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Ukraine Soledar komplett aufgibt. Denn ebenso wie bisher die Ukraine könnte dann Russland die Salzstollen als sicheres Waffenlager nutzen.

Der Erfolg ukrainischer Offensiven hing bislang immer daran, dass erst russische Waffendepots und Versorgungswege gezielt mit den von Nato-Ländern gelieferten Präzisionsraketen zerstört wurden, um die russischen Truppen an der Front vom Nachschub abzuschneiden, bevor man sie direkt angreift. Wenn der Nachschub sicher unter der Erde liegt, geht diese Taktik nicht mehr auf.

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