Ukrainische Unabhängigkeitsfeier: Salz auf die Wunden
Zum Unabhängigkeitstag demonstrieren Ukrainer*innen in Hamburgs Innenstadt. Am Rande gibt es Armee-Accessoires zu kaufen.
Hamburg taz | Eine Menschenmenge steht dicht gedrängt am Hachmannplatz vor dem Hamburger Hauptbahnhof. Die Leute umklammern ein langes blau-gelbes Band. Immer wieder kommen welche dazu. Eigentlich ist es ein Tag zum Feiern, doch der russische Angriffskrieg ist natürlich auch hier omnipräsent, auf der Feier des Ukrainischen Unabhängigkeitstags.
Viele Frauen und junge Familien sind gekommen, fast alle Ukrainer*innen. Einige tragen Vyshyvanka-Leinenhemden mit traditionellen Stickmustern, andere umschlingen die Ukrainische Flagge. Sie gehen vom Hauptbahnhof in Richtung der Einkaufsmeile Mönckebergstraße. An den Seiten stehen Menschen mit Megafonen und rufen Sprüche, die die Menge wiederholt. Von „Russia is a terrorist“ zu „Stop business with Russia!“ und „Arm Ukraine now!“. Auf den Schildern steht „We all need peace“ oder „Danke Deutschland für die Hilfe“.
Am Rande der Demo hört man zustimmendes Hupen, aber ein angetrunken wirkender Mann grummelt „immer blablabla“. Ein junger Ukrainer sagt, er sei hier hergekommen um die Unabhängigkeit seines Landes zu feiern. Für zwei ebenfalls junge Ukrainerinnen ist es auch ein Tag des Erinnerns.
Am Jungfernstieg, wo die Demonstration inzwischen angekommen ist, gibt es eine Kundgebung. Auf der Bühne spricht ein junger Mann mit dunklem Haar und eckiger Brille. Eine eine blonde Frau übersetzt ins Deutsche. Sie erinnern daran, dass momentan jede Stadt in der Ukraine vom Krieg betroffen ist. Nach einer Schweigeminute gratuliert die Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg zum Unabhängigkeitstag und warnt vor Rechtsextremisten, die Stimmung gegen ukrainische Geflüchtete machten.
Postkarten an die Front
Mittendrin spielen kleine Kinder. Erst auf Deutsch, dann wechseln sie ins Ukrainische. In der Mitte der Straße steht ein auffälliges Fahrrad mit Anhänger. Es gehört Hermann und ist mit zahlreichen Flaggen geschmückt. Viel Blau-Gelb, Regenbogen und eine Friedenstaube sind zu sehen. In einer angebrachten Tafel empfiehlt der 80-Jährige Putin Viagra.
Am Alsterufer sind Stände aufgebaut, um die sich die Leute scharen. Hier gibt es die traditionellen Vyshyvanka-Blusen und Postkarten zu kaufen. Die Postkarten seien von einer KI gestaltet und einzigartig, erzählt eine der Verkäuferinnen. Von jeder gebe es nur eine zu erwerben, das Doppel schickten sie dann an Soldaten in die Ukraine.
Neben dem Kunsthandwerk gibt es auch Militärisches: Abzeichen, auch Uniformjacken mit olivfarbenem Tarnfleck-Muster, zum Teil von Soldaten, die hier im Krankenhaus behandelt werden. Doch Speisesalz ist im Angebot. Aus einem Salzwerk in Bachmut seien die Restbestände geleert worden, meint ein Mann, der neben den aufgereihten Salzkartons steht. „Nun versuchen wir damit Geld zu sammeln.“ Man könne vielleicht eine Drohne kaufen, sagt er vage, das wäre aber dann ein rein private Angelegenheit. Viele nehmen gar kein Salz, sondern spenden einfach nur. „Das ist das Salz in den Wunden der russischen Soldaten“, übersetzt er, was eine Frau auf Ukrainisch sagt.
Leser*innenkommentare
Alexander Schulz
Ich finde es lobenswert, dass es so viele mitfühlende Artikel in den deutschen Medien gibt, wie diesen hier zur Ukraine bzw seinen Menschen, damit das Leid der Menschen für uns auch greifbarer wird. Auch finde ich es lobenswert, dass es so viele kritische Artikel zu den russischen Verbrechen gibt, die klar den russischen Täter für das Unheil benennt. Trotzdem finde ich es nachwievor sehr bedenkenkswert, dass es kaum kritische Artikel zur ukrainischen Politik gibt. Ich denke, dass die Lösung für ein Ende des Krieges im Realismus liegt. Dazu gehört auch eine kritischere Berichtserstattung zur Selenski Regierung. Das mag zwar auf den den ersten Blick wie mangelnde Solidarität wirken, aber man sollte die Regierung nicht mit den Menschen gleichsetzen.
Ich würde mir z.B. wünschen, dass mehr über die Nordstream Explosion berichtet wird. Inzwischen sind die meisten Experten sich ja sicher, dass die Spur in die Ukraine führt:
www.zdf.de/nachric...-russland-100.html
Auch wäre es angebracht sich mit Selenskis Tagespolitik kritischer auseinander zu setzen:
eurojournalist.eu/...itisch-betrachten/
www.srf.ch/news/in...ritisiert-selenski
Die Konsequenz daraus sollte natürlich nicht ein Stopp der Ukraine Unterstützung sein, aber es sollte mehr Druck ausgeübt werden auf die Selenski Regierung , damit eine Politik stattfindet, die nicht mehr auf unrealistischen Maximalfordertung beharrt und damit unter Umständen auch die Rechte der russ. Minderheit verletzt.
Gebraucht würde ein Politik die versucht auf Ausgleich zu setzen. Natürlich ist Vergeben und Verzeihen immens schwierig, aber die Geschichte zeigt, dass das der beste Ansatz wäre.
Auf die verbrecherische Putin Regierung haben wir keinen Einfluss, aber auf die ukrainische haben wir ihn und der sollte auch genutzt werden.
Okti
@Alexander Schulz Selenski und seine Regierung sind vom ukrainischen Volk gewählt, also obliegt es dem ukrainischen Volk die Arbeit zu beurteilen, und nicht irgendwelchen dahergelaufenen Klaus-Ottos aus Deutschland. Eigenartiges Verständnis, dass Sie von staatlicher Souveränität pflegen.
"Gebraucht würde ein Politik die versucht auf Ausgleich zu setzen. Natürlich ist Vergeben und Verzeihen immens schwierig, aber die Geschichte zeigt, dass das der beste Ansatz wäre."
Erzählt sich immer sehr leicht, wenn es einen nicht betrifft. Die Geschichte zeigt uns auch, dass ca. 20 % der deutschen nur 80 Jahre nach der großen Schande, die sie kollektiv verbrochen haben, wieder munter Nazis und Faschisten unterstützen.
Wie wär es wenn Sie Ihre politischen Bemühungen in diese Richtung lenken täten? 🤔
Alexander Schulz
@Okti Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten; aber haben Sie überhaupt die Links durchgelesen?
Ich sehe den Aufstieg der AFD als große Gefahr und habe mich diesbezüglich mehrfach geäußert.
Mir hier mangelnde Bemühungen vorzuwerfen ist unpassend.