Schwarze Wolken über Real Madrid: Das gibt es doch nicht
Vor dem Champions-League-Duell mit Borussia Dortmund wagt es Real Madrids Trainer, Angreifer Ronaldo vorzeitig auszuwechseln. Ein Sakrileg.
Die Nummer 7? Das musste ein Irrtum sein. Cristiano Ronaldo kniff die Augen zusammen. Zweiter Blick, doch ja, es war unverkennbar seine Rückennummer, die am Samstag in der 70. Minute des Ligaspiels bei Unión Deportiva Las Palmas angezeigt wurde: zur Auswechslung. Ronaldo stapfte vom Platz, stur geradeaus, auch als er in die ausgestreckte Hand seines Trainers einschlug, später pfefferte er noch seine Bandage weg und ließ ein paar nicht jugendfreie Flüche los, die seitdem Spaniens Lippenleser beschäftigen.
Es war ein historischer Abend im Estadio Insular, wie Spaniens führende Zeitung El País am Montag nüchtern schlagzeilte: „Cristiano ist nicht mehr unantastbar“. Sieben Jahre bei Real Madrid, 366 Tore, zahllose Auszeichnungen. Doch noch nie war ein einsatzfähiger Ronaldo in einer noch offenen Partie ausgewechselt worden.
2:1 führte Real in jenem Moment, Karim Benzema hatte einen Abpraller nach Ronaldo-Schuss soeben zur Führung verwandelt. Ohne den dreifachen Weltfußballer auf dem Platz glichen die Kanaren noch zum 2:2-Endstand aus.
„Seine Hurenmutter…“ soll eine der Beleidigungen gelautet haben, die Ronaldo auf der Bank in sich hineingrummelte, und da ist es dann vielleicht schon ganz gut, dass Zinédine Zidane sie nicht gehört hat. Bei Verunglimpfungen seiner Familie hat schließlich auch der Franzose schon mal seine Beherrschung verloren.
Seit er Real trainiert, begegnet Zidane jedoch allen Widrigkeiten mit buddhaesker Freundlichkeit. Er habe den nach seiner Knieverletzung im EM-Finale erst kürzlich zurückgekehrten Superstar fürs Champions-League-Spiel am Dienstag bei Borussia Dortmund schonen wollen, argumentierte er.
Große Enttäuschung
„Beruhige dich, Cris, du brauchtest eine Pause, in Dortmund spielst du die vollen 90 Minuten“, habe er Ronaldo auch persönlich in der Kabine von Las Palmas zu besänftigen versucht, berichteten spanische Medien. Doch der Star sei untröstlich gewesen: „Ich bin enttäuscht von dir.“
Kaum weniger geschockt haben dürften Ronaldo anderntags Umfragen in der Madrider Sportpresse, wonach über 80 Prozent der Fans die Menschwerdung von Ronaldo als normal auswechselbaren Fußballer begrüßten. Wenigstens Real-Präsident Florentino Pérez, ausgewiesener Kenner von Galáctico-Seelen, scheint verstanden zu haben, dass sich die Auserwählten – von Di Stéfano bis Messi – noch nie so behandeln ließen wie jeder x-beliebige Profikicker. Auf eine mitfühlende WhatsApp soll er von Ronaldo indes die Antwort bekommen haben: „So nicht. Es läuft nicht gut bei uns.“
Der dreifache Weltfußballer kann sich zugutehalten, nicht nur aus persönlichem Interesse zu mahnen. Schon nach dem glücklichen 2:1 durch zwei späte Tore über Sporting Lissabon zum Champions-League-Auftakt hatte er vor Millionen TV-Zuschauern gesagt: „Wenn wir so soft rausgehen, tanzen sie (die Gegner) uns auf der Nase herum.“
Zwei Unentschieden
Damals ging seine Warnung noch unter angesichts der Elogen auf den unbeugsamen Mythos Real Madrid und eine Rekordsiegesserie in der Liga von 16 Triumphen am Stück. Zwei Unentschieden gegen Villarreal (1:1) und Las Palmas später mag der Himmel über dem Estadio Santiago Bernabéu zwar dank des Champions-League-Titels und einer knappen Tabellenführung in der Liga immer noch grundsätzlich heiter sein. Aber die dunklen Wolken sind schon zu sehen.
Ob sie sich entladen, hängt von dem Match in Dortmund ab. Der Ort, wo Real seine letzten drei Spiele mit insgesamt 2:8 Toren verlor und beim Auftritt zuvor im Februar 2003 auch nur deshalb ein Unentschieden erwirtschaftete, weil ein gewisser Zidane mit einer atemberaubenden Coolness in der 92. Minute den Ball noch mal streichelte, bevor er ihn Einwechselstürmer Javier Portillo zum 1:1-Ausgleich servierte. Sonst wäre damals der BVB ins Viertelfinale eingezogen, nicht Real.
Mythos und Persönlichkeit bewahren Zidane bislang vor allzu unangenehmen Fragen über den mäßigen Fußball der Elf. Sein strategischer Beitrag erschöpft sich vor allem im schärferen Pressing der Elf sowie der Beförderung des Zerstörers Casemiro zum Stammspieler im Mittelfeld. Der Brasilianer fehlt aber verletzt, Real agiert jetzt noch softer, und das formschwache „BBC“-Sturmtrio (Bale, Benzema, Cristiano) konnte es zuletzt auch nicht richten.
Und so schreibt eigentlich nur einer Geschichte – Zidane. Als Trainer, der den elften Champions-League-Pott für Real Madrid gewann. Und der sich traute, was seine Vorgänger nie wagten: die Auswechslung von Cristiano Ronaldo.
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