Schwarz-Rot in Berlin: Miefig und provinziell
Kai Wegner wird Berlin nicht zerstören. Die Stadtpolitik kreist vor allem um sich selbst, unfähig zur Selbstkritik.
E s zählt zu den Eigentümlichkeiten der parlamentarischen Demokratie, dass Verlierer von Wahlen in aller Regel nicht einsehen wollen, dass ihre Niederlage möglicherweise damit zusammenhängen könnte, wie sie zuvor regiert haben. Dieses Schauspiel wird in diesen Tagen in Berlin wieder einmal geboten. Weder Grüne noch Linkspartei, aber auch die SPD wollen erkennen, dass sie etwas falsch gemacht haben könnten. Allenfalls zu wenig Zeit habe man gehabt, um all die schönen Ideen auch umzusetzen, und im Übrigen ist der schmutzige Wahlkampf des Gegners schuld an der eigenen Misere.
Nun ist es allerdings so, dass die Erfolge von sechs Jahren rot-grün-roter Politik in Berlin überschaubar sind. In Kürze: Mietendeckel – juristisch gescheitert. Wohnungsbau – unter den Versprechungen. Wahlorganisation – desaströs. Verkehr – ein paar Kilometer Radwege. Schule – marode wie eh und je. Öffentlicher Nahverkehr – überlastet. Termine für Personalausweis/ Reisepass/ Kfz-Zulassung/ Heirat (Nichtzutreffendes bitte streichen): zuverlässig ausgebucht. Einzig bei der Integration geflüchteter Ukrainer hat Rot-Grün-Rot gezeigt, wie man gute Politik macht.
Dennoch zeigen sich Grüne wie Linkspartei empört darüber, dass sie nicht weiter regieren dürfen, ja dass die SPD die Seiten gewechselt hat und unter die Fittiche der CDU schlüpft. Dabei zeigt Franziska Giffey Chuzpe: Sie verzichtet auf das Amt der Regierenden, regiert aber dennoch weiter. Sie wird sich ausgerechnet haben, dass der erneute Versuch einer vermeintlich linken Koalition die SPD bei der nächsten Wahl noch näher an die Fünf-Prozent-Hürde bringt. So etwas nennt man Parteipolitik mit Weitsicht.
Ein Regierungswechsel ist in einer Demokratie ein völlig normaler Vorgang. Kai Wegner wird als Regierungschef die Stadt nicht versenken. Er wird Berlin aber auch nicht neu erfinden, geschweige denn gerechter, ökologischer oder sozialer machen. Ganz einfach, weil Berliner Stadtpolitik eine miefige, provinzielle Angelegenheit bleibt, die vor allem um sich selbst kreist, unfähig zur Innovation wie zur Selbstkritik. Wer glaubt, dass man demnächst einen Termin im Bürgeramt bekommt – viel Glück!
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