Schutz vor Hitzegefahren: Wandel ist machbar
Die Klimakrise führt zu deutlich mehr Übersterblichkeit. Es braucht dringend einen Umbau der Städte, andere Arbeitszeiten – und Hilfe für ältere Menschen.
D ie Klimakrise in einem Bild: Die Kurve der Sterbezahlen sieht in Deutschland diesen Sommer praktisch genauso aus wie die der Temperaturen. Sobald die Temperaturen über 30 Grad kletterten, was ja vergleichsweise oft der Fall war, starben gleich deutlich mehr Menschen als üblich.
Das reiht sich in einen Trend ein: Seit 2018 habe es in Deutschland jedes Jahr eine Übersterblichkeit von Tausenden von Menschen aufgrund von Hitze gegeben, warnten Forscher:innen vom Robert Koch-Institut, vom Umweltbundesamt und vom Deutschem Wetterdienst im Juli im Deutschen Ärzteblatt.
Und im „Lancet Countdown“, einer großen internationalen Forschungskooperation im Gesundheitsbereich, guckten sich Wissenschaftler:innen schon vor zwei Jahren die hitzebedingten Todesfälle weltweit bei den besonders gefährdeten Menschen über 65 an. Sie kamen zu dem Schluss: In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind diese um fast 54 Prozent gestiegen. Deutschland sei davon besonders betroffen.
Die Klimakrise ist eine Frage von Leben und Tod. Trotzdem sind wir nicht darauf vorbereitet, und zwar speziell in Deutschland. Das gilt nicht nur für das notwendige Senken der Treibhausgas-Emissionen, das weltweit nicht schnell genug geht. Die Erderhitzung ist schon bei durchschnittlichen 1,2 Grad angelangt. Kühler wird es nicht mehr, sondern erst mal immer heißer.
Vorbild Frankreich
Deutschland muss sich dringend anpassen. Es ist deshalb unverständlich, dass ein nationaler Hitzeschutzplan bislang nicht geplant ist. Manche Bundesländer arbeiten an Strategien, ansonsten sind die Kommunen zuständig. Es gibt also einen Flickenteppich statt einer koordinierten Herangehensweise an Warnketten und Hilfsangebote.
Als Vorbild gilt Frankreich: Dort hatte man das Problem nach der extremen Hitzewelle 2003 in Angriff genommen, die übrigens auch in Deutschland Tausende an Hitzetoten forderte. Neben einem vierstufigen Hitzeaktionsplan mit klaren Handlungsvorgaben für die Behörden gibt es dort etwa ein Hitzeregister für Ältere. Wer darauf steht, wird im Falle von längeren Hitzestrecken regelmäßig angerufen und im Notfall zum Beispiel mit Wasser versorgt.
Neben solchen Plänen für den Akutfall mahnen Klimaexpert:innen auch schon viele Jahre an: Die Städte müssen umgebaut werden. In versiegelten Betonwüsten ohne Grün und mit vielen Autos ist es noch viel heißer und damit gefährlicher, als es sein müsste. Vielleicht hilft es auch, Arbeit und Sozialleben aus der Mittagshitze zu verlagern, wie es in traditionell heißeren Ländern längst üblich ist. Es ist wie so oft in der Klimapolitik: Was getan werden muss, liegt auf der Hand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern