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Schuldenregeln der EUAuch das noch!

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die Eurostaaten müssen künftig noch mehr tun, um die Schulden zu begrenzen. Besonders harte Sparkurse gelten für hoch verschuldete EU-Staaten.

Die EU-Finanzminister haben sich auf neue Schuldenregeln geeinigt Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa

D as hatte gerade noch gefehlt: Nach Deutschland bekommt auch die EU eine Schuldenbremse. Ausgerechnet in einer Zeit, da Klimakrise und Ukraine-Krieg gewaltige Investitionen erfordern, will die Eurozone wieder sparen. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat ganze Arbeit geleistet – nach dem Kürzungsprogramm in Berlin hat der FDP-Politiker auch Brüssel seinen Stempel aufgedrückt. Die neuen Schuldenregeln sollen ab Sommer 2024 gelten.

Neu daran ist allerdings nur die Umsetzung. Der Kern, die ökonomisch unsinnigen und in der Praxis überholten Maastricht-Kriterien, bleibt unverändert. 3,0 ist 3,0 – der Satz von Ex-Finanzminister Theo Waigel gilt weiter. Die Eurostaaten müssen künftig sogar mehr tun, um die Neuverschuldung zu begrenzen. Wer bereits hohe Schulden hat – neben Griechenland und Italien ist das auch Frankreich –, muss kräftiger auf die Sparbremse treten.

Künftig soll es zwar individuelle Vorgaben geben, automatische Strafen sind bisher nicht vorgesehen und für Investitionen gibt es ein paar Zückerchen, sogar Aufrüstung wird belohnt. Doch das ist nur ein schwacher Trost. Diese Reform geht in die falsche Richtung. Vernünftiger wäre es gewesen, den überholten Stabilitätspakt auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Eine „Goldene Regel“, die alle Investitionen aus der Schuldenrechnung herausnehmen würde, wäre eine gute Alternative gewesen.

Zumindest hätte man die Regeln, die mit der Coronakrise ausgesetzt wurden, weiter auf Eis legen können. Dies hätte der EU mehr Zeit gegeben, eine echte, nachhaltige Reform vorzulegen, und nicht nur Stückwerk. Doch Lindner war dagegen. Der „gefährlichste Mann Europas“ – so Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz – wollte 2024 unbedingt zum Jahr der finanzpolitischen Rolle rückwärts machen – in Berlin und Brüssel.

Bleibt zu hoffen, dass die Reform noch nachgebessert werden kann. Das Europaparlament hat noch ein Wörtchen mitzureden. Es sollte seinen Einfluss nutzen, um unnötige Härten zu verhindern.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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12 Kommentare

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  • @NUTZER

    "...Lindner ist der gefährlichste Mann Europas"

    Da ist was dran -- ihn würde ich aber nicht isoliert sehen. Er ist lediglich der fotogene Kopf der Werbeagentur. Drin könnte... genausogut Stroh sein.

  • @CHRIS MCZOTT

    Ob Hayek direkt in DE Einfluss hatte weiss ich nicht (er lehrte immerhin in Freiburg während der Kohl-Ära). Dass er aber auf die neoliberale Flut Reagan/Thatcher/Kohl einen entscheidenden Einfluss hatte dürfte klar sein: Thatcher war bekennende Hayek-Fan.

    Dass Deutschland unter Kohl damit beschäftigt war, Geld für die Wiedervereinigung zu drucken (und dafür über Zäune sprang, die sie jetzt allen anderen EU-Mitgliedern auferlegt) dürfte den "Mantel der Geschichte" (oder so was) zu verdanken sein.

  • Es geht um den Euro. Weshalb hat das EU-Parlament ein Mitspracherecht? Die Regeln hat die Eurogruppe zu bestimmen.

  • Und dann jammern wir, wenn die Populisten auf den Vormarsch sind.

    So spielen die Neoliberalen mit den Durchgeknallten Ping-Pong.

    @NUTZER

    So sehe ich das auch: Aberglaube von Hayek und Friedmans Gnaden.

    Den Reichen nützt's (vorerst, bis es dann halt knallt, wir hatten so einen Zyklus schon mal).

    • @tomás zerolo:

      Hayek und Friedmann haben für die deutsche Wirtschaftspolitik nie eine echte Rolle gespielt, höchstens vielleicht mal als Schreckgespenst.



      Die Politik der CDU/FDP würde den beiden als marktfeindlicher Dirigismus oder gar als verkappter Sozialismus gelten.

    • @tomás zerolo:

      Ping-Pong ist ein guter Vergleich.



      eine Fehlreaktion führt zur nächsten, aktuell angefangen hat diese Spirale bei der Inflationsbekämpfung durch die Zinsanhebungen, anstatt die Übergewinne abzuschöpfen, Die daraus folgende Rezession zwingt eigentlich zu massivem staatlichen Gegenmaßnahmen, da greift aber die Schuldenbremse und nun sparen alle Sektoren, Privat, Wirtschaft und Staat. Das Ausland, dass uns bisher gerettet hat, also das Wirtschaftsplus beschert hat, kriselt ebenfalls und fällt aus. Woher soll ein Wachstum kommen? Wie soll die Wirtschaft klimaneutral umgebaut werden? Wenn alle sparen...



      Derweil hauen sich die einzelnen Akteure die Köppe ein, weil bitteschön woanders gespart werden soll, als bei einem selbst... und Merz der sich hinstellt und als Retter der Landwirtschaft aufspielt, bei einer Schuldenkrise, die er selbst befeuert und indirekt ausgelöst hat. Jetzt will also noch die EU sparen.... Lindner ist der gefährlichste Mann Europas, das ist in der Tat so. Dieser Wirtschaftssimulant boxt sein bauchgefühlgesteuertes Unwissen in die Politik und alle machen mit. Wenn China anfängt in Taiwan zu zündeln, wie gerade beim Besuch in den USA angekündigt, fällt für die dt Wirtschaft der Export komplett aus, dann wird`s richtig ungemütlich. Die Frage ist nur wann und nicht mehr ob.....



      Gesellschaften schaufeln sich immer das eigene Grab, das war schon im weströmischen Reich so, um mal einen irrsinnigen Vergleich von Lindner zu benutzen....

  • > Eine „Goldene Regel“, die alle Investitionen aus der Schuldenrechnung herausnehmen würde, wäre eine gute Alternative gewesen.



    Was soll das denn heißen? Schulden dürfen immer und ausnahmslos *nur* für Investitionen aufgenommen werden. Wer Kredite braucht um seinen Konsum zu finanzieren, der ist bereits unumkehrbar ruiniert, egal ob Staat oder Privatperson. Man merkt es vielleicht noch nicht, aber ohne grundlegende Verhaltensänderung bleibt der Zusammenbruch unabwendbar.

    • @Axel Berger:

      Sehr richtig.

    • 6G
      699549 (Profil gelöscht)
      @Axel Berger:

      Investition vs. Konsum - Das ist wie linke vs. rechte Hosentasche.

      Wenn die Summe für eine Investition aus dem regulären Haushalt in den Schulden/Schatten-Haushalt verlagert wird, wird damit im regulären Haushalt eben diese Summe frei für zusätzliche Konsumausgaben.

  • Es ist immer einfach zu unken, aber dass dies nicht positiv für Europas Zukunft sein dürfte ist wohl absehbar.



    Wer in einem globalen Wettlauf, der sich gerade wieder ankündigt, sich selbst die Handlungsmöglichkeiten einschränkt, die einzig einer falsch verstandenen Moral geschuldet sind, einem puritanistischen Selbstzweck dienen der braucht eigentlich gar nicht losrennen.



    Bei einem Rennen geht es nicht darum, wer am moralisch integersten wirkt, sondern wer zuerst ankommt.

  • Woher kommen eigentlich die 3% und 60% Maastricht Kriterien? Sind die überhaupt "wissenschaftlich" fundiert oder hat man da einfach den Durchschnitt seiner Zeit in Stein gemeißelt ohne Not?

    • @EddyBot:

      da ist nichts wissenschaftliches dran, gar nichts.