piwik no script img

Schuldenbremse und VermögenssteuerDenken nicht dem Markt überlassen

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Angesichts der Haushaltsnotlage in Berlin ist es gut, dass Kai Wegner gegen die Schuldenbremse eintritt. Doch es braucht auch die Vermögensteuer.

Wo ist das Geld, Kai Wegner? Foto: dpa

I n diesen Zeiten muss man ja schon mit wenig zufrieden sein. CDU-Senatschef Kai Wegner setzt sich für eine Reform der Schuldenbremse ein? Immerhin! Das darf man wohl schon als besondere Denkleistung werten in einer Partei, die ansonsten das Denken dem Markt überlässt.

Wegner hat im Gespräch mit dem Spiegel vollkommen richtigerweise erkannt: „Es wird für nachfolgende Generationen noch viel teurer, wenn wir beim Klimaschutz scheitern, wenn die Straßen und Gebäude verfallen.“ Hinzu kommt beim Regierenden Bürgermeister wohl die Sorge um die eigene Zukunft. Muss das Land Berlin tatsächlich fünf Milliarden Euro in den nächsten beiden Jahren aus dem bisherigen Haushaltsvolumen einsparen, wird Wegner eine Kürzungswelle ungeahnten Ausmaßes verantworten müssen. Eine Wiederwahl könnte er sich abschminken.

Doch selbst wenn Wegner – vielleicht im Verbund mit anderen Länderchefs mit ganz ähnlichen Sorgen – erfolgreich die Fesseln einer Schuldenbremse abstreifen könnte, wäre Berlin längst nicht aller Sorgen entledigt. Denn mit Schulden finanziert man am besten Zukunftsinvestitionen und nicht die laufenden Ausgaben für Schulmittagessen oder die Verwaltung. Dafür gibt es eine andere Lösung, die sich Konservative und Neoliberale aber noch nicht einmal zu denken trauen: die Erhöhung der Einnahmen.

Und da bei der breiten Masse wenig zu holen ist, erst recht nicht ohne weitere politische Verwerfungen, liegt es auf der Hand, dass dafür in erster Linie jene herangezogen werden müssen, deren Reichtum sich längst von der Allgemeinheit entkoppelt hat. Ein Land, in dem das reichste Prozent ein Drittel des gesamten Vermögens hortet, während die Infrastruktur allerorten vor sich hin rottet, kann es sich nicht leisten, auf die Aktivierung jener Vermögen für die Allgemeinheit zu verzichten.

Geschenke an die Reichsten

Das aber tut die Bundesrepublik. Seit 1997 wird auf die Erhebung der Vermögensteuer verzichtet – zum Leidwesen der Bundesländer, denen die Einnahmen zugutekommen würden. Mehr als 400 Milliarden Euro haben sich die öffentlichen Kassen bislang entgehen lassen; in Berlin sind es schätzungsweise derzeit mehr als eine Milliarde Euro jährlich, die über eine moderate Vermögensteuer zu akquirieren wär.

Angesichts drohender Sparhaushalte, also Kürzungen der öffentlichen Angebote und Investitionen, müssen sich die Bundesländer für eine Wiedereinführung der Steuer starkmachen. Die Zeiten, in denen auf diese Einnahmen verzichtet werden konnte, sind endgültig vorbei. Bislang ist es vor allem die Linke, die das Thema hochhält und demnächst auch einen entsprechenden Antrag ins Abgeordnetenhaus einbringen will. Kai Wegner hat dann die Möglichkeit, sich von einem weiteren konservativen Tabu zu verabschieden – zum Wohle der Stadt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Die Vermögenssteuer ist so ermüdend wie die Schuldenbremse.

    Sie dient als Projektionsfläche für wünschenswerten Dinge, für die man allerdings nichts anderes aufgeben möchte.

    Allerdings ist das Argument, daß Kai Wegner wohl dafür ist, überhaupt keines.

  • Einfach Wohlstandslimit für Ultra-Reiche etablieren

  • Danke, sage ich auch immer (nur bei weitem nicht so eloquent).

    Nehmen wir es nicht "von den Kindern" [1], nehmen wir es von denen, die gerade weit mehr haben, als sie brauchen.

    [1] Das ist Austeritätsdemagogik. Mensch kann ja auch einen Schuldenschnitt machen, dann nimmt mensch das wieder "von den Reichen". Aber höhere Steuern sind der ehrlichere Ansatz.

  • Vermögenssteuer - das sage ich doch die ganze Zeit.



    Mit den Ampel-Typen ist das nicht zu machen. Deshalb abwählen!



    Und bitte nicht diese Typen von der AfD wählen. Damit kommt man vom Regen in die Traufe.



    Viel bleibt dann nicht mehr.



    Auch bei 6% sieht die SPD offenbar einen Wählerauftrag. Lügen, betrügen, und bloß keine eigenen Fehler zugeben.

  • Mittlere Einkommen müssen entlastet werden. Wenn neue Steuerquellen erschlossen werden können, dann müssen damit priorisieren mittlere Einkommen entlastet werden. Mehr Schulden sind keine Lösung. Mehr Schulden müssten durch künftige Steuern oder Inflation abbezahlt werden. Beides trifft kleine Einkommen am stärksten. Auch ist Deutschland bei der Staatsquote eigentlich schon Anschlag. Laut Wikipedia lag Deutschlands Staatsquote 2022 auf Platz 17 von 193 Staaten. Nur 16 Staaten gaben in Relation zu ihrem Bruttoinlandsprodukt mehr Geld aus als Deutschland. Da mag sich jeder selbst ein Bild machen, ob diese 16 Staaten Vorbilder für uns sein können.

  • "Kai Wegner hat dann die Möglichkeit, sich von einem weiteren konservativen Tabu zu verabschieden" - "Eine Wiederwahl könnte er sich abschminken."

  • Der Markt ist die Summe seiner Teilnehmer, also wir alle. Und uns darf man das Denken nicht ueberlassen? Wem den sonst, Planwirtschaftsminister Habeck?



    Dieser ist dafuer verantwortlich, dass wir ueberfluessigen Solarstrom, der an der europaeischen Stromboerse verschenkt wird, in diesem Jahr mit 15 bis 20 Milliarden Euro subventionieren. Oder die neue Subvention fetter Firmen-E-Autos bis fast 100 Tausend Euro, statt Kleinwagen-E-Autos billiger zu machen.



    Zielgruppe in beiden Faellen sind gut situierte Eigenheimbesitzer mit E-SUV vor der Haustuer und Solaranlage auf dem Dach.



    Das kann man Moevenpickpolitik mit Klimaanstrich nennen, oder einfach Umverteilung von unten nach oben. Aber wie im Artikel erwaehnt ist da nicht mehr viel zu holen und die Schuldenbremse hindert eine Finanzierung durch unsere Kinder. Was ein Dilema.



    Die Vermoegenssteuer soll laut einem anderen TAZ-Artikel bis zu 17 Milliarden Euro an Einnahmen generieren und ist essentiell fuer die soziale Gerechtigkeit.



    Ja, vor allem wenn der "kleine Mann" einen E-SUV und ne Solaranlagen sein Eigen nennt, wenn nicht, sollte er warten bis Sarah ne Vermogenssteuer vorschlaegt, hat er mehr von.