Schrumpfende Volksparteien: Strukturkonservativer Geist
SPD und CDU verlieren weiter Mitglieder. Das liegt auch daran, dass die Beharrungskräfte gegen mehr innerparteiliche Demokratie enorm sind.
D ie ehemaligen Volksparteien SPD und CDU sind, was ihre Mitgliederzahlen angeht, auf dem absteigenden Ast. Bundesweite Zahlen gibt es für dieses Jahr noch nicht, aber aktuelle Daten aus einigen Bundesländern bestätigen eine Entwicklung, die seit Jahren andauert: SPD, CDU und auch die Linkspartei verlieren weiter Mitglieder. Die Grünen wachsen weiter (Klimakrise, Habeck), wenn auch nicht mehr so schnell; die FDP bleibt nach Jahren des Lindner-Booms stabil.
CDU und SPD zählen inzwischen deutlich unter 400.000 Mitglieder. Bei der SPD, die zu Willy Brandts Zeiten mal über eine Million Fans in ihrer Kartei führte, ist der kurze Zuwachs, als Kevin Kühnert 2018 die Anti-Groko-Kampagne anführte, kläglich wieder verpufft.
Dabei hat das Schrumpfen durchaus eine positive Seite: Die Zahlen sind ehrlicher als früher, weil der Anteil der KarrieristInnen kleiner wird. Früher war es üblich, dass der Chef der Stadtwerke das richtige Parteibuch hatte, um seinen Posten abzusichern. Und der eine oder andere Unternehmer dürfte der dominierenden Partei in seinem Ort zwecks Kontaktpflege beigetreten sein. Dieses Karrierekalkül klappt inzwischen nicht mehr so einfach, weil man nicht mehr auf ein Pferd setzen kann – Mehrparteienbündnisse sind auch in den Kommunen normal geworden.
Aber natürlich ist es für die Demokratie keine gute Entwicklung, denn schließlich repräsentieren Parlamente und Stadträte die WählerInnen, und Abgeordnete organisieren sich nun mal in Parteien. Irgendwann droht SPD und CDU, in der Fläche das Personal auszugehen.
Zu einer Analyse, warum sie schrumpfen, gehört diese Einsicht: Die zahlreichen Parteireformen der Vergangenheit sind auch deshalb gescheitert oder verpufft, weil die Beharrungskräfte der Platzhirsche vor Ort enorm sind. Jede Öffnung und mehr Beteiligungsmöglichkeiten für „einfache“ Mitglieder heißt, Macht abzugeben und alte Routinen infrage zu stellen. Solange dieser strukturkonservative Geist dominiert, wird die Kurve bei den ehemaligen Volksparteien weiter nach unten gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich