Scholz auf dem SPD-Parteitag: Parole Zuversicht
Es steht nicht gut um die SPD und ihren Kanzler. Der Parteitag dient den Genossen daher als Selbstvergewisserung für ihre Politik und ihr Potenzial.
Z uversicht. Dieses Wort fiel auf dem Parteitag der SPD in Berlin immer wieder. Olaf Scholz, Saskia Esken und andere bemühten es in ihren Reden demonstrativ. Zuversicht ist zwar nur ein anderes Wort für das Prinzip Hoffnung. Diese Parole hat die Partei aber bitter nötig. In Umfragen ist die Partei auf einen historischen Tiefstand von 14 Prozent abgestürzt, die Beliebtheitswerte des Kanzlers sind es ebenfalls. Da braucht es zumindest rhetorischen Trost und aufbauende Worte.
Ein Parteitag hat immer auch die Funktion, die Seelen der Delegierten zu streicheln, sie zu wärmen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Das ist Olaf Scholz und der SPD-Spitze gelungen. In ihren Reden bekräftigten sie das Selbstverständnis der SPD als Partei der sozialen Gerechtigkeit und erinnerten daran, wie sich die Partei schon einmal mit Geschlossenheit aus dem Tal der Tränen hervor gearbeitet hat, um im Kanzleramt zu landen.
Lustvoll teilten sie gegen die Union und Friedrich Merz aus, den Lars Klingbeil als „Friedrich von gestern“ titulierte. Das konnte man schon als Vorgeschmack auf die kommenden Wahlen im nächsten Jahr verstehen. Über die FDP verloren sie dagegen kein Wort, wie sie auch den Streit um den Haushalt nur am Rande streiften.
Den Wunsch, mal auf den Tisch zu hauen, statt den Moderator zu spielen, wird Olaf Scholz seiner Partei vermutlich nicht erfüllen können. Dennoch wurde auf dem Parteitag der Kurs für die Haushaltsverhandlungen festgeklopft. An Sozialleistungen soll nicht gespart werden: Weder bei der Erhöhung des Bürgergelds noch bei der Rente will Scholz Abstriche machen, das machte er klar.
Auch die Ukraine müsse weiter unterstützt werden, das soll am Geld nicht scheitern. Den Klimawandel werde man ebenfalls nicht vernachlässigen und den Industriestandort sichern. Die SPD ist dafür, die Schuldenbremse für 2024 auszusetzen und mittelfristig zu reformieren. Das dürfte mit Christian Lindner schwierig werden.
Leichte Misstöne gab es aber nur beim Thema Migration. Den Spiegel-Titel mit dem Scholz-Zitat „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ nehmen ihm die Jusos noch immer übel. Das Reizwort „Abschiebungen“ umschiffte der Kanzler deshalb umständlich, um sie zu besänftigen: für den Parteitag reichte das.
Schon am Sonntagabend kehrt Scholz in die Realität zurück, dann trifft er sich mit Habeck und Lindner, um über den Haushalt zu sprechen. Seine Partei hat er hinter sich gebracht. Jetzt muss er nur noch seine Koalitionspartner und den Rest des Landes überzeugen.
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