Schönheitsnormen für Männer: Penishalter und straffe Hodensäcke

BH, Tanga und Absatzschuhe geben angeblich ein irre gutes Gefühl von Weiblichkeit. Misstrauisch macht nur, dass Männer solchen Quatsch nicht anziehen.

Penisse an Skulpturen in Hannover

Da lässt sich doch bestimmt auch noch etwas optimieren Foto: dpa / Julian Stratenschulte

Neulich spielten meine Friseurin und ich mal wieder unser Lieblingsspiel: Den körperlichen Verfall vergleichen. Das tun wir in einer Mischung aus Faszination („Schlabbert die Haut da bei dir auch so?“) und Irritation („Schlabbert die Haut da bei dir auch so??!!“). Wir kennen uns ja schon seit fast 25 Jahren, und zumindest ich bin immer wieder erstaunt, dass ich nicht mehr so aussehe wie mit Mitte 20.

Das fällt mir im Alltag selten auf, nur wenn ich eine Stunde vor dem Spiegel in Jessis Salon sitze oder aus Versehen auf meinem Smartphone die Selfie-Option drücke. Dann erschrecke ich mich über die faltige Frau, die mir entgegen blickt. Ähnlich geht es mir, wenn ich Fotos anderer mittelalter Frauen in der Zeitung sehe und lese, dass sie fünf Jahre jünger sind als ich.

Nach meinem inneren Bild bin ich höchstens 26 Jahre alt. Damals wusste ich leider nicht, wie schön ich nach dem Maßstab des gültigen Normenkatalogs für weiblich gelesene Personen war. Das fiel mir erst vor ein paar Jahren beim Betrachten von Fotos auf, weshalb ich beschloss, mich immer genau so schön zu finden, wie ich gerade aussehe. Weil: Besser wird’s nicht.

Das Komische ist, dass es mir bei meiner Friseurin und gleichaltrigen Freundinnen, die ich seit 20 bis 30 Jahren kenne, anders geht. Ich registriere, dass auch sie älter geworden sind, aber ich sehe die Falten und grauen Haare nach fünf Minuten nicht mehr. Es ist, als ob sich die alten Bilder über das aktuelle schieben.

Bikinizonen in nicht getrimmtem Zustand

Ich muss mich null anstrengen, sie schön zu finden, sie sind es einfach. Auf mich selbst scheine ich hingegen mit dem Blick der 26-Jährigen zu blicken, die keinen Schimmer hatte, dass sie selbst mal eine von den Muttis am Strand sein würde, deren Cellulitis und hängende Brüste sie so mitleidig betrachtete.

Ich zeigte Jessi also die 30 feinen kurzen Härchen, die ich kürzlich auf der Unterseite meiner bis dato haarlosen Unterarme entdeckt zu haben glaubte, und sie lachte mich aus, bevor sie mir verriet, dass sie unrasiert zum Fasching als Pippi Langstrumpfs Äffchen gehen könnte. Ohne Verkleidung. Ich geriet in Quartett-Laune und schlug vor, die Breite unserer Bikinizonen in nicht getrimmten Zustand zu vermessen, hatte aber Sorge zu gewinnen und kniff.

Außerdem kann ich es nicht fassen, dass ich mit Ende 40 mit so einem Quatsch anfange. Katja Lewina (ein Pseudonym) schreibt in ihrem großartigen Buch „Sie hat Bock“, wie sie mit Mitte 30 aufhörte, sich mittels Intimrasur „untenrum zu einem Mädchen zu machen“ und fortan „die Wolle rechts und links“ der Bikinihose hervor quellen ließ.

Das hatte ich 35 Jahre getan; nie war ich des Schwimmbads verwiesen worden. Und jetzt wollte ich zwar keinen pornofähigen Kahlschlag haben, aber wenigstens ein Dreieck. Wenn das so weitergeht, werde ich mir mit 50 einen String-Tanga in die Kimme quetschen, mit 55 meine Brüste in BHs zwängen und mit 60 auf Absätzen balancieren.

Wo bleibt der Penishalter?

Ich weiß, das ist alles gar nicht schlimm und gibt ein irre gutes Gefühl von Weiblichkeit. Misstrauisch macht mich nur, dass es immer noch keinen Markt gibt für den PH, den formgebenden und unterstützenden Penishalter, der das unangenehme bis schmerzhafte Schlenkern des Schniedels unterbindet. Ins Gespräch gebracht hatte ihn 1977 die Norwegerin Gert Brantenberg in ihrem Buch „Die Töchter Egalias“.

Eine Kollegin merkte an, ob es nicht auch ein ästhetischer Gewinn wäre, die Hodensäcke so zu straffen, dass sie weniger baumeln. Und vielleicht ließe sich deren Haut etwas glätten? Wenn die Intimchirurgie Schamlippen zurecht stutzen kann, muss sie das doch auch schaffen.

Aber das würde wohl kaum der Gleichberechtigung aller Geschlechter dienen. Und schließlich müssen sich auch Männer längst allen möglichen Schönheitsnormen unterwerfen, worauf aufmerksame Leser hinweisen. Sie haben so recht. Wissen wir doch alle, dass Männer in erster Linie nach ihrem Äußeren beurteilt werden. Es ist wirklich zum Heulen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.