piwik no script img

Schlecht gekleidete BerufsgruppenDie Modeversager von der Presse

Journalisten gehören zu den am schlechtesten gekleideten Berufsgruppen der Welt. Einen ordentlichen Sozialdemokraten juckt das nicht, andere schon.

Immer vorne dabei, aber in Modefragen hinten dran: Journalisten, hier bei der letzten Berlin-Wahl Foto: dpa | Christophe Gateau

E inmal stand ich wartend in einem Gerichtsflur herum, vor mir der Anwalt einer der Klägerinnen mit ihrem erwachsenen Sohn, der wachsam und aufgeregt war und offensichtlich zum ersten Mal in so einer Situation.

„Und das ist die Presse?“, fragte er und zeigte mit dem Kinn auf ein paar Kollegen von der Lokalzeitung am anderen Ende des Flures. „Ja“, sagte der Anwalt, „seltsam, dass die immer so abgerissen aussehen, nicht?“

Ich musste an Hape Kerkelings Kunstfigur Horst Schlämmer denken und daran, dass beide ja nicht so ganz Unrecht haben. Journalisten gehören wirklich zu den am schlechtesten gekleideten Berufsgruppen der Welt, vor allem in der Provinz.

Es gibt es nur eine Gruppe, die uns darin ernsthaft Konkurrenz macht, das sind Wissenschaftler und Nerds, also Leute, die – so stelle ich mir das jedenfalls vor – morgens aus dem Bett fallen und sich nachlässig irgendwas überstreifen, was da halt so auf dem Wäscheständer vor sich hinknautscht, während sie im Kopf schon wieder bei viel komplexeren Problemen sind.

Nadine Conti ist Nieder­sachsen­korrespondentin in Hannover – und darüber viel glücklicher, als sie es für möglich gehalten hätte.

Hemden bügeln für den Kanzler

So erklärt sich sicher auch die Rundmail, die der Chef der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) an seine Angestellten richtete. Anlässlich des Besuches von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der vergangenen Woche bat er seine Leute, doch lieber im Home-Office zu bleiben oder sich, wenn sie unbedingt ins Büro kommen wollten, wenigstens die Schuhe zuzubinden und das Hemd zu bügeln.

Irgendwas mit „ordentlich“ und „gepflegt“ stand auch noch in der Mail, das sind so Dinge, die auch meine Oma hervorheben würde. „Was ziehst du denn da an?“, war ihre erste Frage, als ich ihr erzählte, dass ich zu so einem Pressehintergrundgespräch mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) müsste.

„Adrett“ und „akkurat“ sind Vokabeln, die ich bei ihr gelernt habe. „Du bist ein Arbeiterkind, du musst immer ordentlich und sauber aussehen“, hatte ihr Vater ihr eingebläut und daran hält sie sich, auch mit über 90 Jahren noch. Mit dem Erscheinungsbild ihrer Enkelinnen und Ur-Enkel hat sie gelegentlich erkennbar Probleme, aber sie hat aufgehört, etwas dazu zu sagen.

Ich kann sehr wohl schmuddelig von sauber unterscheiden, manchmal fällt mir das aber zu spät ein. Ansonsten bin ich mit einer seltsamen Blindheit in Modefragen geschlagen. Ich registriere so eine vage Anmutung von „da gibt sich jemand Mühe“ oder „das sieht teuer aus“, aber zu viel mehr reicht es nicht.

Ich habe mich immer gewundert, wie meine mode-affinen Nichten das machen, die mit einem Wimpernschlag ein Outfit einer Marke und einer Preisklasse zuordnen können und dabei noch sagen, ob es aus der aktuellen Kollektion stammt oder der vorletzten. Ich erkenne einen teuren Anzug vor allem daran, dass er einen Männerkörper eine Spur vorteilhafter in Szene setzt als ein billiger, aber das ist ein anderes Thema.

Sozialdemokratische Wurstigkeit

Ich bin mir ganz sicher, dass mir da was entgeht, eine ganze Dimension an Beobachtungen, ein geheimer Code, der etwas mit Kultur, Geschlecht, sozialem Status zu tun hat, aber mir fehlt es an Kenntnissen, am geschulten Blick und ich bin zu faul und ignorant, um daran etwas zu ändern.

Das hat allerdings den Vorteil, dass ich mich selten über das Outfit anderer Leute aufregen muss. Ich käme auch nicht auf die Idee, unangemessene Kleidung für eine persönliche Beleidigung zu halten, für respektlos oder für einen Angriff auf meine Position im hierarchischen Gefüge der Welt oder so etwas. Das scheint mir eines der Probleme zu sein, die eher Konservative haben.

Zu besagtem Termin tauchte der Ministerpräsident jedenfalls in einem verwaschenen Wollpullover mit so vielen Knötchen auf, das sogar in meinem Hirn kurz das Wort „Fusselrasierer“ aufleuchtete. Ich habe das damals für angenehm sozialdemokratische Wurstigkeit gehalten, aber vielleicht hat er auch gedacht: „Egal, sind ja bloß Journalisten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Äh... gibt es sonst keine relevanten Themen? Sowas hätte ich jetzt eher in der FAZ erwartet - wascht euch erstmal und zieht euch anständig an. Und geht zum Friseur, Ihr verwahrlosten Hippies.

    • @CarlaPhilippa:

      Ach was! ©️ Loriot

      Da zitierst du aus einem steinalten - meiner Erinnerung nach preisgekröntem Comic-Blatt - von ? :



      Vater am Abnippeln im Bett - davor Sohnemann - randlose Brille - Eierkopfpläät mit Krüssel rechts & links “Geh endlich zum Friseur& ⛓️⛓️⛓️🪚



      Ihr habt doch nicht alle Latten mehr am Zaun - nur die pc-lerLatten! Woll.



      Peinlich

  • Ja wie?

    “Journalisten gehören wirklich zu den am schlechtesten gekleideten Berufsgruppen der Welt, vor allem in der Provinz.“



    Mal im alten Rom nachbuddeln! Wie wär’s mit ner nach Mediensparten farblich gesonderter Tracht? Gellewelle&Wollnichtwoll!



    &



    Wie heute Journalisten “ …ok ok ich mach mal was mit Medien!“ -



    Gibt’s wie Sand am Meer & im ollen Rom - Juristen too! Genauso.



    Und mit genauso entsprechend abgerissen beschissen Togen ummantelt



    SoDaß verfügt wurde - &Däh! gültig bis heute - daß jede/r in eine angemessene Toga in Eigenbesitz! - öffentlich zu erscheinen habe!



    Anderenfalls - welche Wohltat - ihr/m - bei Androhung eines sofort vollstreckbaren Ordnungsgeldes - das Wort nicht zu erteilen sei •



    Servíce - Immer gern & dannnichfür! Wollnich.