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Schauspieler Fahri Yardım über Egos„Mitgefühl mit Mackern“

Für Schauspieler Fahri Yardım sind unglückliche alte Männer das größte Klimaschutz-Hindernis. Die Grünen wählt er nur aus Trotz – wenn überhaupt.

Lieber mal umarmen als immer hoch hinaus: Fahri Yardım auf „SaFahri“ im Naturpark Hainach Foto: Eric Anders/Sky
Interview von Jens Müller

taz: Herr Yardım, Sie bezeichnen sich in Ihrer neuen Sky-Serie „SaFahri“ als Großstadtmenschen. Welchen Bezug hatten Sie denn bislang zur Natur?

Fahri Yardım: In Hamburg waren das die ölgetränkte Elbe und die Brise. Dicke Möwen. Spatzen. Das ist so mein Naturschauplatz gewesen. Ich bin, gestehe ich, viel zu selten im Wald spazieren gegangen. Mich kostet das immer Überwindung. Eigentlich alles, was mit Ruhe zu tun hat, kostet bei mir Überwindung. Ich brauche Kraft, um mich zu entspannen.

Es geht Ihnen bei „SaFahri“ offenbar weniger um Naturwissenschaft als um Sinnsuche. Kann mich meine Reise zu Mutter Erde erden, fragen Sie explizit. Konnte sie?

Ja. Um mal nicht zu schwafeln: Ja! Ja, sie hat diese Kraft. Es ist nur leider kein abgeschlossener Zustand. Ich bin jetzt nicht dauerhaft geerdet und erleuchtet.

Warum mussten Sie überhaupt geerdet werden?

Da war dieser Leidensdruck. So eine Erschöpfung. So eine tiefsitzende Unzufriedenheit, an die ich mich anfing zu gewöhnen. Ich war einfach platt. Dieser industrielle Zirkus einerseits, der Kampf in der Großstadt andererseits. Die haben mich irgendwie in einen Zyniker verwandelt. In anderen Interviews beklage ich das als „Entfremdung“. Ich war auf dem besten Weg zum garstigen Opa. Ich habe mich selbst einfach nicht mehr ertragen.

In Folge eins versuchen Sie es unter anderem mit „Waldbaden“. Können Sie sich vorstellen, dass es dem ein oder anderen Zuschauer schwerfallen könnte, das nach „jerks!“ noch ernst zu nehmen? Da nimmt Ihr Alter Ego eine Protestmeditation seiner Partnerin nämlich eher nicht so ernst.

Kann ich gut nachvollziehen. Aber die Verwirrung nehme ich gern in Kauf. Auf meinen Kindergeburtstagen war es auch immer so, dass sich Freunde begegnet sind, die gegenseitig nicht verstanden haben, warum ich mit den jeweils anderen befreundet bin. Schon meine Freundeskreise sind ein Abbild meiner absurden Vielfältigkeit. Und wenn der Vollnarzisst aus „jerks.“ sich nun plötzlich in den Wald legt, entsteht ein Knacks. Und ich befürchte, der Knacks ist meine Heimat. Der Bruch ist mein Zuhause. Und dem ist man ausgeliefert, wenn man mir zuguckt. Oder man meidet mich. Aber das ist dann auch in Ordnung.

Wir erfahren so nebenbei, dass Sie, nach eigener Einschätzung, auf dem Schulhof verbal nicht besonders schlagfertig waren. Die Dialoge bei „jerks.“ sind aber vollständig improvisiert. Wann haben Sie gelernt, schlagfertig zu sein?

Kommt Ihnen das schlagfertig vor?

Ja.

Ich finde das nicht so schlagfertig. Ich finde das eigentlich relativ erbärmlich.

Aber gut, erbärmlich. Schlagfertig erbärmlich.

Ich denke, woraus der Kraft schöpft, dieser Wurm Fahri in „jerks!“, ist eine tiefe Verletztheit. Mich schützen konnte ich schon immer. Wenn ich tief getroffen war, dann war meine Reaktion stets die Selbstüberhöhung im Angesicht der totalen Selbstauflösung. Je kleiner ich mich fühlte, desto mehr konnte ich einen Scheinriesen in mir beleben. Nichts anderes erleben wir übrigens gerade bei den Konservativen.

Sie meinen den Bundestagswahlkampf?

Den Wahlkampf, ja. Figuren wie Paul Ziemiak und Friedrich Merz. Die machen mir Angst. Konservative im Niedergang, die dann vielleicht irgendwann anfangen damit zu liebäugeln, die Brandmauer in Richtung Faschismus doch irgendwie ein bisschen einzureißen, doch irgendwelche Seilschaften einzugehen, um ihrer ganzen Mickrigkeit etwas entgegenzusetzen. Es ist ein Existenzkampf. Und das geht Fahri auch oft so, in „jerks.“. Den Abgesang auf das Patriarchat, den erträgt er schlecht.

Sie begeistern sich in „SaFahri“ für die Fähigkeit des Wildschweinebers, sechs Minuten lang zu ejakulieren, und bei Gletscherwasser denken Sie an „das Fruchtwasser der Erde“. Manche Themenbereiche scheinen Sie nicht loszulassen.

Da gibt es tatsächlich eine Verbindung zwischen dem eher spirituellen, dem sinnsuchenden „SaFahri“-Fahri und dem sich windenden „jerks.“-Fahri. Beide schöpfen sehr aus dem Quell der Sexualität. Dem sexuellen Raum. Der sexuelle Raum ist bei mir völlig enttabuisiert und dient mir als ständiger Kraftquell. In alle Richtungen. In Richtung Abgrund, aber auch in Richtung aufsteigende Sonne.

Im Interview: Fahri Yardım

1980 in Hamburg geboren, lebt in Berlin und hat als Schauspieler derzeit viel Bildschirmpräsenz. Auf der Streaming-Plattform Joyn geht die Comedy-Serie „jerks.“, in der er neben Christian Ulmen die Hauptrolle spielt, in die vierte Staffel.

Für den Bezahlsender Sky begibt sich Yardım nun auch noch auf einen Selbstfindungstrip zu den vier Elementen. Die fünf Episoden „SaFahri – Eine Reise zu den Elementen“ laufen bei Sky Nature und Sky Ticket.

Ein anderes Motiv, auf das Sie immer wieder zurückkommen, ist der Klimawandel.

Ja. Geht nicht mehr ohne. Ich kann da auch ein „leider“ hinzufügen, falls unklar bliebe, was meine Haltung ist. Spannend war tatsächlich zu sehen, dass Menschen, die sich sehr mit dem Klimawandel beschäftigen, für mein Empfinden die glücklicheren Menschen waren. Das war für mich eigentlich das Erstaunlichste an der Reise: fröhlichen, zufriedenen Menschen zu begegnen. Zu sehen, dass sie ein Kontrastbild schaffen zu diesen frustrierten alten Böcken, die keine Lust haben, aus ihrem Porsche auszusteigen die sich angegriffen fühlen, wenn jemand sinnvoller Weise ein Tempolimit fordert. Dass diese Menschen eigentlich die zufriedeneren waren, das hatte was von Genugtuung.

Also, Don Alphonso, wie er sich selbst nennt, Ulf Poschardt und Friedrich Merz werden in diesem Leben nicht mehr glücklich werden. Und ich habe zum ersten Mal in meinem Leben wirklich Mitgefühl mit diesen Mackern. Mit Friedrich Merz. Dieses Verhärtete, das löst bei mir inzwischen nicht mehr nur noch Abwehr aus, sondern das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen.

Die eineinhalb Jahre mit dem Coronavirus scheinen auch einige Menschen etwas verhärtet zu haben, zum Beispiel Ihren „Tatort“-Buddy Til Schweiger. Im Trailer zu einem Dokumentarfilm („Die andere Freiheit“) sieht man ihn nun sagen, das Virus sei für Kinder absolut harmlos und die Impfung ungleich gefährlicher als das Virus selbst. Er finde das entsetzlich. Und Sie?

Inhaltlich würde ich mich hierzu mit ihm fetzen, als Mensch bleibt er bei mir aber im Herzen. Ich kenne seine Sensibilität, sein Herz. Da bin ich in meiner Liebe bedingungslos.

Wählen Sie eigentlich die Grünen?

Weiß ich noch nicht. Also wenn ich’s tue, dann auch aus Trotz gegenüber dieser abfälligen, hässlichen Antikampagne. Ich finde es teilweise niederträchtig, wie mit Annalena Baerbock umgegangen wurde. Und je niederträchtiger die Gegenseite, desto eher solidarisiere ich mich.

Was zu essen hat Sie die größere Überwindung gekostet – den Moorboden oder die Sylter Auster?

Boah, beides war bitter. Ah, die Auster war wirklich … Bäh, diese Auster, die wirkt irgendwie anders nach. Schon bei der Frage zieht’s mir wieder die Wangen ans Kinn. Nee, irgendwie die Auster, da ist so’n … dieser Glibber, das ist irgendwie … Da kann ich auch nur wieder sexuell werden. Da fühlte ich mich genötigt, in einen Fetisch reinzuschnuppern, der mich abstößt. Glibber ist nicht so meins.

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