Schätze aus Usbekistan in Berlin: Ein 2.000 Jahre alter Melting Pot
Am 4. Mai eröffnet eine Ausstellung mit archäologischen Fundstücken aus Zentralasien. Sie zeigt, dass Europa nie der alleinige Mittelpunkt der Welt war.
Gezeigt werden in dieser Ausstellung rund 350 Objekte, von denen rund 280 aus Usbekistan stammen, aus der Zeit des 4. Jahrhunderts vor bis ins 4. Jahrhundert nach Christus. „Viele Kunststücke sind erstmals öffentlich zu sehen“, sagt Gayane Umerowa, Leiterin der Art and Culture Development Foundation in Taschkent, mit deren Unterstützung seit 2019 das Projekt entwickelt wurde.
Der Süden Usbekistans, noch einmal 400 Kilometer von der Seidenstraße entfernt, gilt bislang als dunkler Fleck auf der inneren Landkarte selbst jener Europäer*innen, für die spätestens seit der Öffnung Usbekistans nach der Unabhängigkeit Städte wie Samarkand und Buchara wieder Sehnsuchtsorte und Reiseziele sind. Das soll die Ausstellung laut Kurator Manfred Nawroth ändern.
Denn diese fokussiert eigentlich auf das vergessene, nur 200 Jahre währende Großreich der Kuschan. Die Kuschan waren eigentlich vertriebene Reiternomaden aus der heutigen chinesischen Provinz Gansu. Im Süden des heutigen Usbekistans fanden sie eine Region, die zuerst von den Persern und dann von Alexander dem Großen geprägt worden war. Diese Geschichte wird im ersten Ausstellungsteil im Neuen Museum erzählt. Im zweiten Teil geht es dann um das Reich der Kuschan selbst, eines der größten Herrschaftsgebiete der Spätantike, das sich vom Aralsee bis zum Golf von Bengalen erstreckte.
Die Ausstellung „Archäologische Schätze aus Usbekistan. Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan“ ist eine Sonderausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte – Staatliche Museen zu Berlin in Zusammenarbeit mit der Art and Culture Development Foundation, Republik Usbekistan. Die Schau ist auf der Museumsinsel in der James-Simon-Galerie und im Neuen Museum, Bodestraße, zu sehen und läuft bis 14. Januar 2024; geöffnet Di., Mi. und Fr. 10 bis 18 Uhr, Do. 10 bis 20 Uhr, Sa. und So.10 bis 18 Uhr. Tickets kosten 14, ermäßigt 7 Euro. Es gibt einen Katalog (Kadmos Verlag, 448 Seiten, 49,80 Euro) und ein umfangreiches Bildungs- und Vermittlungsprogramm. Mehr Informationen unter www.smb.museum. (sm)
Ort des Austausches
Das Besondere war, dass die Kuschan einerseits die Schriftzeichen und Werkstätten der Makedonier übernahmen, andererseits aber deren Kultur, die eigene und die Indiens miteinander verschmolz. Sie machten die Region zu einem Ort des Austausches und der religiösen Vielfalt, wo sich die Sprachen und Kulturen trafen und vermischten.
Bei zwei weiteren Leihgaben aus Usbekistan, die in einer Vitrine ausgestellt sind, wird das ganz besonders schön deutlich: dem bemalten Kopf einer Terrakottaplastik mit ziemlich realistischer Darstellung eines „sakischen“ Kriegers aus der Palastanlage von Chaltschajan aus dem 1. Jahrhundert vor Christus einerseits – und der eines Boddhisattwas aus einer buddhistischen Tempelanlage in Dalverzintepa aus dem 2. bis 3. Jahrhundert nach Christus andererseits. Der eine trägt einen hellen, gekämmten Vollbart, der andere die lokale Haartracht samt dunklem Schnurrbart.
Die Wirkung der 280 Leihgaben und der 70 Ausstellungsstücke aus Berlin in der Ausstellung ist tatsächlich überwältigend. Denn Besucher*innen werden erstens mit einem vollkommen vergessenen Teil der Geschichte konfrontiert. Zweitens stellen sich bei vielen Ausstellungsstücken Wiedererkennungseffekte ein.
Europa, so bestätigt sich wieder einmal, war zu keinem Zeitpunkt der alleinige Mittelpunkt der Welt. In Sachen kultureller Austausch gab es zahlreiche Orte auf der Erde, die Europa schon vor 2.000 Jahren um Lichtjahre voraus waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt