Saudi-Arabien tötet Flüchtlinge: Kugelhagel in der saudischen Wüste
Tausende Menschen flüchten von Afrika nach Saudi-Arabien. Doch dort erschießen und foltern Grenzschützer viele von ihnen, berichtet Human Rights Watch.
Die meisten sind Äthiopier, die im reichen Ölland Saudi-Arabien Arbeit finden wollten, wo bereits 750.000 ihrer Landsleute leben und arbeiten. Laut der UN-Migrationsorganisation IOM machen sich jedes Jahr mehr als 200.000 Menschen auf den Weg vom bitterarmen Horn von Afrika. Sie vertrauen sich Schleppern an, die sie über den Golf von Aden und durch Jemen bis an die saudische Grenze bringen, wo sie von einem Kugelhagel empfangen werden. Die Betroffenen sind überwiegend aus zwei grenznahen Lagern im Gebiet der von Saudi-Arabien bekämpften Huthi-Rebellen in Jemen losgezogen: Thabit und Al-Raqw.
„Sie haben immer wieder auf uns gefeuert. Ich habe mich unter einem Felsen versteckt und bin eingeschlafen. Als ich aufwachte, dachte ich, die Menschen um mich herum schlafen auch, bis ich realisiert habe, dass sie alle tot waren. Ich bin alleine aufgewacht“, zitiert der Bericht die 14-jährige Hamdiya. Andere Zeugen erzählen von Leichen und Körperteilen, die sie gesehen haben.
Die Zeugenaussagen sind anonymisiert. In einem Video zum Bericht ließ HRW sie nachsprechen. „Wir sind fünf Tage durch die Berge gelaufen, in Gruppen von mindestens 300 Menschen. Die meisten waren Frauen. Dann begannen die Grenzwächter mit Granatwerfern auf uns zu schießen. Von 300 Menschen in unserer Gruppe starben 150“, berichtet dort eine Frau.
Schwerwiegende Vorwürfe
Ein 17-Jähriger erzählt: „Als sie das Feuer einstellten, nahmen uns die Grenzwächter mit. Wir warten zu siebt: fünf Männer und zwei Mädchen. Die Grenzwächter haben uns gezwungen, uns auszuziehen, dann mussten wir vor ihren Augen die Frauen vergewaltigen. Die Mädchen waren 15 Jahre alt. Einer der Männer weigerte sich und wurde sofort erschossen. Ich habe es getan. Ich habe vergewaltigt, um zu überleben. Auch die Mädchen haben überlebt, weil sie keinen Widerstand geleistet haben“, erzählt ein 17-Jähriger.
Empfohlener externer Inhalt
„Wir haben zwischen Januar und Juni dieses Jahres 42 Zeugen interviewt“, erklärt Sam Dubberly von HRW der taz. „Die Menschen waren zum Teil im Krankenhaus oder sie waren nicht erreichbar, das hat sehr viel Zeit gekostet.“ Man habe 350 Videos und Fotos ausgewertet und 100 Quadratkilometer Satellitenbilder analysiert, um die Aussagen zu verifizieren. „Aber jetzt sind wir damit fertig, jetzt sind wir sicher.“
Aufgrund der schwerwiegenden Vorwürfe fordert HRW nun eine UN-Untersuchung. „Wir haben die saudischen Behörden vor der Veröffentlichung des Berichts angeschrieben, aber bisher keine Antwort bekommen“, so Dubberly.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr