piwik no script img

Sanktionen gegen RusslandEin Auto zum Preis einer Wohnung

In Folge des Angriffskrieges gegen die Ukraine haben viele internationale Autohersteller Russland verlassen. Die Autopreise gehen durch die Decke.

Lada aus russischer Produktion in einem Autohaus in Moskau Foto: Sergei Fadeichev/Itar-Tass/imago

M it melancholischer Zärtlichkeit betrachtet ein Freund von mir seinen schon etwas in die Jahre gekommenen Honda. „Man müsste ihn neu lackieren. Ich spare jetzt Geld, dann kümmere ich mich darum. Verkaufen werde ich ihn jetzt sicherlich nicht, man bekommt für das Geld nichts Gleichwertiges. Und der ist original japanischer Bauart.“

Война и мир – дневник

Чтобы как можно больше людей смогли прочитать о последствиях войны в Украине, taz также опубликовал этот текст на русском языке: here.

Nicht nur gute Autos sind in Russland schwer zu bekommen. Auch der Kauf mittelguter und sogar offensichtlich schlechter ist nahezu aussichtslos. Selbst mit Ratenzahlung. Denn der Durchschnittspreis für ein vernünftiges Auto liegt irgendwo im Bereich einer Einzimmerwohnung in der Provinz. Und ein neuer Range Rover kostet schon so viel wie fünf bis sechs Einzimmerwohnungen in St. Petersburg.

Die Statistik verrät, dass der Autoverkauf in Russland im vergangenen Jahr um 59 Prozent gegenüber 2021 eingebrochen ist. Und dass die meisten verkauften Autos die russischer Marken sind. Normalerweise sind das die günstigeren Wagen, die zudem nicht gerade für ihre Zuverlässigkeit bekannt sind.

Besonders nach dem Wegfall importierter Komponenten. Jetzt sind neue, vereinfachte russische Modelle ohne technische Fähigkeiten wie Airbag und ABS auf dem Markt. Doch auch ihre Preise sind gestiegen: laut offiziellen Angaben um durchschnittlich 24 Prozent, die für ausländische Wagen sogar um 40 Prozent. Das ist bedeutend mehr als die offizielle Inflationsrate. Neuwagen kosten jetzt im Schnitt 3,4 Millionen Rubel (mehr als 45.000 Euro), Gebrauchtwagen immer noch 1,3 Millionen Rubel (fast 18.000 Euro).

Der Grund für den Preisanstieg: Die meisten internationalen Firmen haben Russland verlassen. In der Folge fehlen Neuwagen. Ende vergangenen Jahres wurden nur noch Autos von 11 Marken in Russland produziert – im Januar waren es noch 60. Allesamt sind chinesische. Die Arbeit in russischen Fabriken, in denen Autos der Marken Mazda, Mercedes-Benz und Co. gebaut wurden, ruht.

Olga Lizunkova

ist Journalistin und Videoproduzentin. Sie lebt und arbeitet in St. Petersburg.

Nunmehr werden die Russen von chinesischen Marken und durch Parallelimporte mit Autos versorgt. Das ist teuer, aber nicht alle können einfach auf den ÖPNV umsteigen. Um die Sanktionen zu umgehen und Autos aus Europa ins Land zu bringen, müssen diejenigen, die damit ihr Geld verdienen, ihre Einkäufe in anderen Ländern tätigen.

Viele Autos aus Europa kommen jetzt etwa über Iran und das Kaspische Meer nach Russland. Eine andere, wenn auch komplizierte Route führt über Kasachstan. Firmen, die früher ihre Autos in Russland gebaut haben, produzieren nun teilweise da. Wegen der starken russischen Nachfrage aber sind auch dort die Preise in die Höhe gegangen. Mit Folgen: In Kasachstan ist der Verkauf von Autos der Marke Kia an Russen inzwischen begrenzt worden.

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey

Finanziert wird das Projekt von der taz panter Stiftung

Ein Sammelband mit den Tagebüchern ist im Verlag edition.fotoTAPETA erschienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das halte ich für ein "Gerüst". Über Kasachstan, Armenien und andere Grenzen kommen nach wie vor westliche Waren ins Land. Selbst über das Baltikum. Es gilt auch immer echten und gefühlten Mangel zu unterscheiden. Letzterer treibt nur die Preise->siehe unser Energiemarkt. Russland wird deshalb den Krieg weder verlieren noch gewinnen. Unsere romantische Idee von ritterlichem Edelmut und göttlicher Gerechtigkeit kann uns viel eher zum Verhängnis werden.

  • Wir wissen aus den Zeiten der UDSSR, dass scharfe Sanktionen langsam, aber sehr gründlich wirken. Wir dürfen nicht erwarten, dass ein deutlicher Effekt bereits nach etwas mehr als einem Jahr eintritt. Wir sollten uns aber die Bereiche anschauen, in denen Russland dem "Westen", China und Japan hoffnungslos unterlegen ist: da wäre z. B. die Halbleiterindustrie, Elektronik, Pharmazie. Auch die Chinesen werden Russland weder etwas schenken noch zu nachhaltigem technologischen Fortschritt verhelfen - die sind ja nicht dumm. Die anderen Länder werden zu Geschenken noch weniger bereit sein und somit wird Russland langsam, aber stetig wieder verarmen und das, obwohl es nach 1990 alle Chancen der Welt gehabt hätte, aber Putin hat alles verzockt.

  • Was soll uns nun dieser Artikel sagen, Russland liegt am Boden? Die Kriegsproduktion läuft munter weiter auf hohem Niveau, die Teile dafür kommen ohne Probleme ins Land. Auch, wenn es uns nicht gefällt, wir der Westen sind nicht mehr so bedeutetend, wie wir es gerne wären, die Technik für den Krieg in der Ukraine kann mühelos, von den Ländern hergestellt werden die es mit Russland gut meinen. Da tut auch eine mahnende Ansage unserer Frau Baerbock in China nichts zur Sache! Die BRICS Staaten, werden sich von uns nicht mehr die Butter vom Brot nehmen lassen. Mit unserer laienhaften Besserwisser - Diplomatie, haben wir den Rest der Welt lange genug genervt, da braucht es Personal mit echten Händchen und Fingerspitzengefühl, das wenn dann in alle Richtungen Ansagen macht und nicht nur in der Gemütlichkeit des nachplapperns verharrt.

    • @S. Lehmann:

      Als Beleg für ihren Abgesang auf den Westen dienen die Aussagen des Artikels nicht. Ich finde ihn interessant. Autopreise steigen stärker als die Inflation. Die Vielfalt an Automarken sinkt drastisch. Chinesische Hersteller verkaufen am meisten. Russische Autos werden ohne ABS und Airbags verkauft, was vermutlich auch in Russland die letzten Jahrzehnte noch eine Selbstverständlichkeit war. Kann man natürlich als fehlendes nettes Zubehör betrachten, aber so ganz scheint es hier und da dann wohl doch nicht ohne westliche Lieferungen zu gehen.

      • @KaosKatte:

        So wie wir in der restlichen Welt wahrgenommen werden, haben wir uns ja selbst mit unserer Art und Weise eingebrockt.



        Was soll mir der Artikel, erzählen? Unsere Sanktionen wirken wie wir es bräuchten, soll er uns Hoffnung geben? Wenn ein Land auf Kriegsproduktion umgestellt hat gibt es nun mal andere Prioritäten als Autos im zivilen Sektor. Meiner Meinung nach würde es in jedem anderen Land auch nach lassen, wenn man in einer solchen Materialschlacht steht und leider Gottes schlägt sich Russland diesbezüglich unerwartet gut.

    • @S. Lehmann:

      Oha, da ist aber ein echter Experte im Chat.

      • @schnarchnase:

        Dem werde ich wohl bei weiten nicht gerecht. Nur wäre es toll, wenn man mit mehr als nur ein paar Worten in ein Gespräch geht. Meine Beobachtung in den Berichten die ich mir im Zusammenhang mit der Ukraine und Russland angesehen habe. Zeigen nun mal ein anderes Bild auf, als das was in der breiten Presse so verkündet wird. Da kann ich nur die Vorträge von Herrn Oberst Markus Reisner empfehlen.

  • Natürlich werden westliche Autos teurer, aber die Russen kaufen dann schlichtweg Autos aus China. Nikkei hatte schon berichtet, dass die Importe von Neuwagen aus CN nach Russland 2022 um 40% angestiegen sind. Und die sind dort auch zu normalen Preisen zu haben. Das lässt sich online leicht überprüfen über die Seiten lokaler Händler. Ich weiß nicht, wieso die Autorin es so darstellen lässt, als ob alle Autos nun so teuer sind. Es sind lediglich westliche Autos.

    • @Chris12:

      Frau Lizunkova wird möglicherweise nur insoweit schreiben können, wie ihre Lebensumstände in St. Petersburg es erlauben. Das reicht gerade zur einseitigen oder teilweisen Berichterstattung. Aber vielleicht werden die chinesischen Fahrzeuge zwar zu Normalpreisen angeboten, verkaufen sich aber nicht in gleicher Weise. Es müsste ja eine Transformation in den Straßen sichtbar sein.

      • @Gorch:

        Das ist aber eine fast schon böswillige Unterstellung gegenüber der Autorin.



        Sie behaupten, dass sie "möglicherweise" einfach nur mal aus dem Fenster geschaut hat und Dimitri von der Autowerkstatt gefragt hat anstelle vernünftigen Recherche.



        Auf welche Überlegungen Sie ihre Annahmen gründen, möchten Sie uns nicht mitteilen ?

        • @Tz-B:

          Ich unterstelle Frau Lizunkova absolut keine Böswilligkeit. Sie lebt den Angaben nach in St. Petersburg und muss beim Schreiben ihrer Artikel darauf achten, sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Sonst drohen ihr ganz schnell 25 Jahre Lagerhaft. Beim Lesen ihrer Artikel ist diese Perspektive zu berücksichtigen.

  • Wenn man sich hier inzwischen die Autoreise anschaut, ist das auch mit dem Preis einer Einzimmerwohnung in der Provinz oder von mir aus auch mit einem Durchschnitt von 45000€ vergleichbar. Von Lieferschwierigkeiten ganz abgesehen. Und wenn das gesamte weltweite Theater auf allen Gebieten so weiter eskaliert, wird man sich eher Russland annähern als anders herum.

    • @Uwe Beyer:

      Sehe ich ähnlich. zumindest was die weniger kaufkräftigen Schichten Menschen hier angeht.

      Der "Einstandsschnapper" in die neue Mobilität, der E-Up!, (eigentlich ja auch eine ganz prima Kiste) kostet nach Abzug aller Prämien (ca. 7000Euro) Selbstabholung 24 000 Euro und ist abgesehen davon kaum und wenn mit viel Glück doch nur mit langer Wartezeit zu bekommen

      Die Zeiten werden bei uns auch noch kommen, in denen der alte Honda liebevoll zum Oldtimer gepflegt wird.

      • @Waage69:

        Weltuntergangsstimmung bei euch beiden hier? Faktencheck mal machen? Hier stehen beim Händler dutzende Autos rum, gebraucht in allen Farben und Formen und Marken.

        • @Tom Farmer:

          Weltuntergangsstimmung - so schlimm ist es doch noch nicht.

        • @Tom Farmer:

          Inklusive ABS und Airbags.

    • @Uwe Beyer:

      Ein Fiat Panda kostet neu 13000 € und ein VW Golf 23000 €.Dafür bekommt man in Deutschland keine Eigentumswohnung. auf dem Land kostet eine 30 Jahre alte Eigentumswohnung 60 qm va. 80000 € Neu ca. 150000 €

  • Hm... Ausländische (Deutsche) Fahrzeuge waren in Russland nie billig. Der erhöhte Preis kommt nicht nur von den Sanktionen.

    Habt ihr Mal dem deutschen Automarkt angeschaut? In den Letzten 3 Jahren sind die Fahrzeugpreise in die Höhe geschossen. Woher kommen die Autos jetzt nach Russland? Richtig aus Deutschland... Das bedeutet im groben Fahrzeugpreis hier + Verzollung. So viel dazu.

    Dieser Artikel ist vorne und hinten einfach nur falsch. Fahrzeugpreise wie 4-5 Wohnungen in der Provinz? Eine 1 Raum-Wohnung in Sankt Petersburg kostete schon vor Jahren ab 2 Millionen aufwärts. All zu sehr hat sich das jetzt nicht verändert.

    Ein Neuwagen in Russland kostet ab 1,5 Millionen. Die chinesischen Hersteller ermöglichen einen günstigen Kauf. Der Mark ist überschwemmt mit den Fahrzeugen Geely welche in Belarus zusammengebaut werden, Haval, exceed usw. Der deutsche Automobilhersteller verkauft jetzt jedoch wesentlich weniger Autos. Wer gewinnt hier bei den Sanktionen? 🤔

    Ja eine G-Klasse 63 AMG oder eine Rolls Royce Ghost Kosten wie 4-5 Wohnungen. Das ist richtig da man eine Wohnung ab 30.000€ bekommt. Übrigens ein G63 kostet in Deutschland gebraucht ab 200.000€. Ah ja und in den Wohngebieten ab 1 km um Sankt Petersburg herum kann man Wohnungen schon ab 20.000€ bekommen 😱.

    3.4 Millionen etwa 45.000? Welche Formel benutzt ihr denn? Mit der Mathematik scheint es bei euch also auch nicht zu funktionieren.

    Teure oder gute Autos sind schwer ins Russland zu bekommen? Da muss ich wirklich lachen. Ein Tag in Moskau und ihr sieht mehr teure Fahrzeuge als es warscheinlich in Berlin gibt.

    Wenn jemand ein "teures" oder "gutes" Auto haben will, bestellt man sich eins es wird innerhalb von 2 Wochen geliefert. Es ist fast ziemlich egal welches.

    Dafür explodieren hier jedoch die Preise für alle Energieträger. Ein ABC Ticket kostet mittlerweile 4€ eine Monatskarte in Sankt-Petersburg (wesentlich größer als Berlin) kostet seit Jahren knappe 20-30€ Während hier über 100€.

  • moskau lebt bald die neue autofreiheit ...

    denn auch die service stationen für westliche produkte sind nicht mehr so wie sonst.