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Sanierungsoffensive der Deutschen BahnGeld allein ist nicht das Problem

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Mit einer Vollsperrung startet die Bahn in ihre Sanierungsoffensive. Die ist frustrierend – aber nach Jahrzehnten der Unterfinanzierung notwendig.

Die Bahn braucht von allem mehr – vor allem – deutlich mehr Fantasie Foto: Daniel Vogl/dpa

D ie Deutsche Bahn pfeift aus dem letzten Loch. Mit der Generalsanierung, die mit der Sperrung der Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt eine wichtige Etappe beginnt, sind für viele Fahrgäste erhebliche Störungen verbunden. Seit vielen Monaten gibt es aufgrund von Bauarbeiten viele Sperrungen, Verspätungen und Zugausfälle.

Die haben bislang zu wenig politischem Widerhall geführt. Anders ist das jetzt mit den Erfahrungen Zehntausender Fußballfans bei der EM. Das Turnier hat dem ganzen Kontinent vor Augen geführt, wie schlecht es um den Zugverkehr in einem der reichsten Länder der Welt bestellt ist. So wird die Bahn endlich wieder zu einem bestimmenden politischen Thema.

Die Union fordert angesichts der Schmach den Rücktritt von Bahn-Chef Richard Lutz. Eine berechtigte Forderung, die Sanierung erfolgt zulasten der Kun­d:in­nen – das muss auch anders gehen. Die Bahn braucht einen personellen und politischen Neuanfang. Geld alleine, das zeigt nicht zuletzt das Milliardengrab Stuttgart 21, ist nicht das Problem.

Merz mit kreativem Vorschlag

Alarmierend dagegen ist der Vorstoß von CDU-Chef Friedrich Merz. Der Mann, der mit seinem Privatflugzeug schnell und bequem reisen kann, schlägt im ARD-Sommerinterview vor, das Angebot der Deutschen Bahn wegen der derzeitigen „Überforderung“ zu reduzieren.

Die Konsequenz wäre: weniger Verbindungen, noch überfülltere Züge, noch schlechtere Anschlüsse, das Preis-Leistung-Verhältnis würde noch schlechter, als es ohnehin schon ist. Das wäre fatal, denn es würde die Menschen von der Schiene auf die Straße oder ins Flugzeug treiben. Es wäre das Gegenteil einer Verkehrswende hin zu klimaneutraler Mobilität.

Stattdessen müssen der Bund und auch die Länder mit geballter Kraft und neuem Schwung den Wiederaufbau des Fern- und Nahverkehrs der Bahn angehen. Dazu braucht es neben Geld neue Initiativen, etwa für die Reaktivierung stillgelegter Strecken, eine Offensive zur Personalgewinnung und – vor allem deutlich mehr Fantasie, als es die jetzt Verantwortlichen offensichtlich haben.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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22 Kommentare

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  • Langfristig braucht man mehr Strecken, damit bei Störungen oder umfangreichen Baustellen Umleitungen gefahren werden können.



    Ferner muss man sich den Umgang mit den Blockade-Nimbys überlegen: wollen wir Verbesserungen nur langsam, teuer und technisch schwierig oder aber viel weniger Rücksicht üben und schnell oberirdisch bauen?

  • Der Vorschlag von Merz war ja nur, dass die Bahn nur so viele Züge anbieten soll, wie dann auch tatsächlich im Bahnhof ankommen und abfahren.



    Aktuell fallen dauernd Züge aus, man hat gebucht, man steht da, nach anfangs spärlicher Information kann man sich dann irgendwann in einen bereits vollen Zug hinein zu quetschen versuchen.



    Natürlich muss das Angebot ausgebaut werden, aber die Züge sollten erst dann zur Buchung angeboten werden, wenn sie wahrscheinlich auch fahren.

    • @Matthias Nord7:

      Von Merz kommen keine Vorschläge, die über allgemeines Stänkern hinausgehen.

      Er musste den Eurofighterflug nach eigener Aussage unternehmen, um sich von der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zu überzeugen und die Ostsee mal von oben begutachten zu können.



      Er sollte mit Wissing (Verkehrsschilder!) einen Verein zum Kreieren von Schwachsinnsargumenten gründen.

  • "........die Sanierung erfolgt zulasten der Kun­den – das muss auch anders gehen.""



    =



    Natürlich geht die Sanierung der Riedbahn auch anders - im laufenden Betrieb dauert das zwischen 5 und 8 Jahre - wobei die Störungen des Bahnverkehrs, die von der Riedbahn wegen andauernden Defekten weiträumige Auswirkungen hatten, auch in den nächsten Jahren weiterhin andauern würden.

    Störungsfrei läuft der Verkehr auf der Riedbahn nur mit einer komplett erneuerten Strecke

    Also 5 Monate Bus fahren - oder weiterhin in den nächsten 5 bis 8 Jahren Störungen - mit abnehmender Frequenz - mit den bekannten Auswirkungen.auf den Bahnverkehr im gesamten Süden.

  • Danke. Guter und wichtiger Kommentar.

    Zu ergänzen wäre noch, dass die Kerosin-, Diesel- und Dienstwagensubventionen/Privilege sofort als zusätzlicher Finanzbooster in den Ausbau der DB Infrastruktur umgeleitet werden müssen.

    Eine sehr gute Bahn-Infrastruktur ist der Grundpfeiler und das tragende Gerüst für eine klimafreundliche Verkehrswende.

    Einfach mal mit den Schweizern reden in der Schweiz schauen. Die können Bahn. Seit Jahrzehnten.

    • @Goldi:

      Das Eisenbahnnetz der Schweiz ist für deutsche Verhältnisse ein größeres Nahverkehrsnetz, vergleichbar mit dem von Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen. Die Schweizer benötigen keine langen Hochgeschwindigkeitsstrecken, auf denen sie Menschen schnell über hunderte Kilometer zwischen den Metropolen transportieren können, weil ihre Städte dicht beieinander liegen. Der Vergleich mit der Schweiz hinkt, zumindest was den Fernverkehr betrifft.

      Deutschland hat eines der komplexesten Hochgeschwindigkeits-Fernverkehrsnetze der Welt, viel komplexer als das des TGV, das weitgehend sternförmig von verschiedenen Bahnhöfen in Paris ausgeht oder das des Shinkansen, der im wesentlichen auf einer Linie von Südosten nach Nordwesten fährt. Die USA und Großbritannien haben gar keine solchen Netze.

      Man kommt nach Feierabend mit der Bahn noch gut nach von Hamburg Stuttgart oder München, wenn man rechtzeitig bucht oft für unter 25 Euro. Ich bin mir nicht sicher, ob vergleichbares anderswo geht.

      • @Ruediger:

        Auch in der Schweiz gibt es Strecken zum Schnellfahren

      • @Ruediger:

        Danke für die wichtige Ergänzung. Die Super-Sparpreise sind schon gut, das finde ich auch.

    • @Goldi:

      Wenn ich mir anschaue, wie hoch der Anteil an Individualverkehr ist, also PKW-Zulassungen in der Schweiz, dann kann die Schweiz auch kein "Bahn" oder Postbus. Sonst würden weitaus mehr Leute ihr Auto stehen lassen.

  • "unterfinanziert" ist wohl eine Definitionsfrage. Stuttgart 21 kostet inzwischen wohl mindestens 12 Mrd. Euro. Nehmen wir einmal an, dass die Hälfte der Bevölkerung Fernverbindungen nutzt (von Babies bis 100 Jährigen) und 30% davon mindestens einmal über den Verkehrsknoten Stuttgart fährt (sehr optimistisch geschätzt), dann wären dies 12 Mio Nutzer, also 1.000 € pro Person. Bei im Umland wohnenden mögen 50 Nutzungen des Fernverkehrs zusammenkommen, das sind das 20 € Anteil pro Ticket, andere eventuell nur zweimal in ihrem Leben, also 500 €.



    Der Hauptbahnhof Berlin, jede Bahnhofstoilette, Baustelle etc., die Bahn/der Staat ist ein Meister der Verschwendung und Fehlallokation, um dann noch mehr Geld vom Bürger einzufordern, um seine komplette Inkompetenz zu überdecken.

  • Wer hat denn mind. genau so viel Schuld am Bahndesaster? Die Politik in Form von CduCsuSpd, die die Regierungen und Verkehrsminister gestellt haben. Wer hat Mehdorn u. Grube bei ihren „Abenteuern“ in aller Welt, die meist Verluste brachten, gewähren lassen? Eben diese Parteien. Wer hat sich für das Miliardengrab S21 stark gemacht? Genau, die CDU. Wer sitzt im Aufsichtsrat mit Mehrheit. Genau, die Politik. Ziemlich wohlfeil von der CDU jetzt den Rücktritt von Bahn Lutz zu fordern.

  • Ich wage mich mal mit einer steilen These vor die Tür: Die nächste Bundesregierung ist CDU-geführt und wird die DB zerschlagen. Dann hält der Bund nur noch die Infrastruktur und Zugverbindungen wird es dort geben, wo es private Verkehrsunternehmen für rentabel halten. Oder die Bundesländer subventionieren den Nahverkehr, damit so manche ländliche Region nicht völlig abgekoppelt ist.

    • @vøid:

      Man macht es so wie immer: Im Wahlkampf und im ersten Jahr der Wahlperiode werden großartige Versprechen gemacht. Dann stellt man wieder fest, dass nicht genügend Geld da ist und spart.



      Steuern erhöhen für die Bahn ist natürlich unzumutbar!



      Man tut so, als ob Probleme gelöst werden, hinterher funktioniert es doch wieder nicht. Dann heißt es "tut mir leid " Die Baustoffe wurden teurer , es gibt nicht genügend Fachleute, wir haben Feldhamster, Juchekäfer oder Kreuzkröten gefunden...

    • @vøid:

      "Oder die Bundesländer subventionieren den Nahverkehr, damit so manche ländliche Region nicht völlig abgekoppelt ist."

      Und wo wäre der Unterschied zum Status Quo - nämlich dass die Bundesländer (seit 1994) dafür verantwortlich sind, den Nahverkehr zu bestellen und auszuschreiben?

      Guten Morgen! Muss eine lange Nacht gewesen sein die letzten 30 Jahre 😇

  • Bei Merz muss man sich ja schon wundern, dass er nicht einen Schienenersatzverkehr mit Panzern vorschlägt, finanziert durch Steuermilliarden an Rheinmetall :P

    Was muß denn genau an der Riedbahn gemacht werden?



    Bei der Bahn liest sich das folgendermaßen:



    "In nur fünf Monaten werden an der Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim der Oberbau, Schallschutzwände und die Signaltechnik erneuert sowie 20 Bahnhöfe modernisiert."



    Wobei die Bündelung aller Maßnahmen als Fortschritt verkauft wird, was eine drastische Vollsperrung rechtfertigen soll.



    Kann man nicht jeweils die eine Spur aktiv lassen und die andere notfalls sogar nachts sanieren, wenn der Zugverkehr auf der einen Spur stört? (mit Ausnahme der Oberleitungen?)



    Bei der Modernisierung der Rheintalstrecke wurde schließlich auch nicht für so lange Zeit vollgesperrt (?)

    Leider fehlen hier viel zu viele Hintergrundfakten, um sich wirklich selbst ein Bild machen zu können.

    Wie wurden genau solche Maßnahmen in anderen Ländern gelöst? Schweiz? Frankreich? Norwegen?

    • @Werner2:

      Zusätzlich zu dem, was Friedrichhecker schon geschrieben hat: Der Plan ist, dass es deutlich schneller geht, wenn die ganze Strecke auf einmal saniert wird und die Reparaturen dann auch länger halten, als wenn sie gestückwerkelt sind.



      Auf einer stark befahrenen Strecke Baustellen mit eingleisiger Zugführung einzuführen würde ja ebenfalls zu massiven Störungen führen. Die dann über Jahre hinaus bremsen.



      Ob der Plan aufgehen wird, hängt auch davon ab, ob überhaupt genug Personal da ist, um so eine riesige Baustelle am Stück zu bedienen.

    • @Werner2:

      "Was muß denn genau an der Riedbahn gemacht werden?"



      Die Strecke wird faktisch neu gebaut. Gleisbett + Gleise, Weichen, Signaltechnik , Stellwerke - alles. Nächtliche Ruhephasen gibt es aktuell nicht, dann hat der Güterverkehr Hochzeit.

      Es gibt zwei parallel laufende Strecken, die Fern- und Güterverkehr aufnehmen sollen. Dafür wird der Regionalverkehr auf der Schiene eingestellt.

    • @Werner2:

      Kann man nicht jeweils die eine Spur aktiv lassen und die andere notfalls sogar nachts sanieren, wenn der Zugverkehr auf der einen Spur stört? (mit Ausnahme der Oberleitungen?)

      Das Problem ist nicht die Oberleitung. Das Problem sind:

      - Weichenverbindungen



      - Abgrabungen neben dem Betriebssgleis, so dass Schotter und Gleis abrutschen könnten



      - Die Parallelisierung von Maßnahmen bei gleichzeitiger Materialver- und entsorgung. Wenn Sie das nebenliegende Gleis nicht zur Matrialversorgung haben, bleibt Ihr Materialzug in der nächsten Baustelle hängen.

      "Wie wurden genau solche Maßnahmen in anderen Ländern gelöst? Schweiz?"



      Zitat Peter Füglistaler (Präsident Bundesamt für Verkehr): "Die drei Geheimnisse der Schweizer Bahn sind Geld, Geld, Geld." Anmerkung meinerseits: Das ist der Unterschied zu Deutschland seit 1974.

      "Frankreich?"



      - Heure blanche (ein- bis anderthalbstündige Instandhaltungspaus um Fahrplan mitarbeiter- und gewerkschaftsfreundlich am hellichten Tag)



      - Ausnutzung der Siedlungs- und Verkehrsstruktur (monozentrisch auf Paris orientiert statt polyzentrisch wie Deutschland), d. h. Stilllegung vieler Tangentialverbindungen zur Konzentration der Ressourcen.

      • @FriedrichHecker:

        Vielen Dank an alle für diese umfassenden Infos! :)

  • Ich fahre liebend gerne Bus und Bahn,



    wenn sie mal funktioniert, wenn man sie auf dem Land auch sinnvoll nutzen kann. Kann man bei uns aber nicht, also fahre ich seit Jahrzehnten mit dem Auto.



    Also saniert mal richtig und schnell, vielleicht erlebe ich es noch, dass jetzt 20:36 Uhr hier noch ein Bus fährt.

    • @Rudi Hamm:

      Bei mir fährt, stündlich bis 23 Uhr mitten auf dem Land ein Bus.

      Leider beschweren sich auch Landeier. Deswegen kann es sein, dass späte Verbindungen gestrichen werden.

  • Die Reaktivierung von abgelegenen Nebenstrecken ist eine Sache der betroffenen Lankreise und Länder, nicht der Bahn und des Bundes. Um die Verzögerungen bei Streckensanierungen (die unabhängig von der Finanzierung der Bahn immer notwendig sein werden) abzufedern und insgesamt mehr Menschen im Fernverkehr transportieren zu können, ist vor allem der Bau neuer ICE-Strecken notwendig. Daneben müssen die S-Bahn-Netze in den Metropolen ausgebaut werden, das betrifft viel mehr Menschen, als Nebenbahnen auf dem Land.

    Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist an sich gut, mit Sparpreisen und Deutschlandticket ist man sehr günstig unterwegs. Das muss auch so bleiben.