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Sahra Wagenknechts Reaktion auf BrexitReferenden auch in Deutschland

Linken-Politikerin Wagenknecht hält Volksentscheide auch in Deutschland für sinnvoll. Denn zu Fragen wie einem EU-Austritt hätten die Menschen eine Meinung.

Das Grundgesetz sieht Referenden nicht vor – Sahra Wagenknecht will das ändern Foto: dpa

HAMBURG afp | Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht hat sich nach der Brexit-Entscheidung der Briten für Volksentscheide auch in Deutschland ausgesprochen. Im Interview der ARD-“Tagesthemen“ sagte sie am Montagabend, gerade bei solch wichtigen Fragen wie einem EU-Austritt oder einem Verbleib sollten die Bürger befragt werden.

„Man sollte nicht so arrogant sein zu glauben, dass die Menschen nicht in der Lage seien, sich eine Meinung bilden zu können“, sagte die Politikerin der Partei Die Linke.

Viele Briten seien zwar im Wahlkampf vor dem Referendum hinters Licht geführt worden, dieselbe Gefahr bestehe aber auch bei Wahlen. „Wenn wir in Europa alle Wahlen annullieren würden, bei denen Regierungen vorher das Gegenteil von dem versprochen haben, was sie danach umsetzen, dann hätten wir so gut wie keine Regierung mehr“, fügte Wagenknecht hinzu.

Die Linken-Politikerin hatte sich bereits früher für Referenden über einzelne EU-Verträge oder über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP ausgesprochen. Das Grundgesetz sieht nationale Volksentscheide – abgesehen von sehr speziellen Ausnahmefällen – nicht vor. CSU-Chef Horst Seehofer hatte unmittelbar nach dem Brexit-Votum vom 23. Juni bundesweite Volksabstimmungen gefordert.

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35 Kommentare

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  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    Sahra belebt den Diskurs. Klasse.

  • "Man sollte nicht so arrogant sein zu glauben, dass die Menschen nicht in der Lage seien, sich eine Meinung bilden zu können".

     

    Das sehe ich genauso. Es ist doch nicht mehr zu übersehen wie unzufrieden die meisten Menschen mit der Politik sind. Dadurch erstarken doch auch überall die populistischen Kräfte in der EU und in Deutschland die AfD. Es hat auch lang gedauert bis nach dem Brexit-Referendum darüber gesprochen wurde, wie ein demokratisches Europa aussehen kann.

     

    Wenn die Politik wieder näher zum Bürger rückt und gemachte Versprechen einhält, dann brauchen wir auch kein Votum der Bevölkerung aus Protest zu fürchten. Für mehr Volksentscheide und ein Umdenken in der Politik wird es wahrlich höchste Zeit!

  • Deutschland braucht kein Referendum,. Die Mehrheit im Bundestag kann jederzeit beschliessen einen Austritsantrag zu stellen.

  • Ja mehr Volksabstimmungen wären schön. Aber ich glaube die Leute müssen langsam daran heran geführt werden, selber nachzudenken...

     

    Momentan ist der gemeine Deutsche es Gewohnt seine Meinungsbildung stark beeinflussen zu lassen. Diese Trägheit sollte erst bekämpft werden...

     

    Sonst wird die Bild zusammen mit RTL nämlich bald die wichtigste Politische Institution

  • Frau Wagenknecht hat´s drauf. Scharfe Analyse und gute Vorschläge. Danke.

  • @WXYZ

    Gerade weil das "Primat der Politik" vielfach ja gar nicht eingehalten wird, muss man doch nach Mitteln und Wegen suchen, die diesen Zustand korrigieren können. Volksentscheide könnten - bei aller Skepsis - durchaus auch so ein Weg sein.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Primat_der_Politik

  • Hier zeigt sich, daß auch Frau Wagenknecht einige Logik-Defizite hat. Denn weil es unübersehbar ist, daß die Macher in Deutschland um jeden Preis den Weg weitergehen wollen, der in allem das krasse Gegenteil von dem bringt, was er bringen sollte, ist es unlogisch, zu hoffen, daß man durch ein Referendum etwas daran ändern könnte.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Vollkommen in Ordnung was Wagenknecht fordert. Wir müssen mehr Demokratie wagen in Deutschland, dazu gehören Volksentscheide.

    Über TTIP, CETA, Auslandeinsätze der Bundeswehr etc. muss abgestimmt werden.

  • Populismus pur, was Wagenknecht da von sich gibt.

     

    Damit wird sie keine Wähler von der AfD zurückgewinnen - die wählen dann lieber das Origanl.

    • @Vorstadt-Strizzi:

      "Populismus" ist derzeit ein beliebtes Totschlagargument.

       

      Natürlich ist ihre Äußerung populistisch in dem Sinne, dass sie bei vielen im Volk gut ankommen wird. Ist das verwerflich oder schlicht demokratisch?

       

      Um sachlich an die Fragestellung heranzugehen, zu der sich Frau Wagenknecht geäußert hat, muss man feststellen, dass keine Form der politischen Entscheidungsfindung unfehlbar ist. Auch nicht die Demokratie, weder die parlamentarische noch die direkte.

       

      Allerdings liegt der Vorteil demokratischer, speziell direkt-demokratischer Entscheidungen darin, dass sie nur gefällt werden, wenn sie von einer breiten Masse akzeptiert werden. Darüber hinaus ist in Zeiten eines hohen Bildungsstandards die Fehlbarkeit demokratischer Entscheidungen entsprechend gering.

       

      Da kommt keine andere Form der Entscheidungsbildung mit, und deshalb muss die Ausweitung direkter Demokratie diskutiert werden.

  • Es ist ein Unding, dass trotz der Formulierung in Art 20 II GG, dass das Volk seine Staatssouveränität durch "Wahlen und Abstimmungen" ausübt, immer noch keine Regelung für Referenden auf Bundesebene getroffen wurde. Es ist eine logische Folge, dass sich angesichts dieser Machtlosigkeit des Volkes die Staatsverdrossenheit immer mehr ausbreitet. Denn wer traut noch Politikern, die vor Wahlen oft "das Blaue vom Himmel herab" versprechen, um es dann in Regierungsverantwortung doch nicht zu halten.

    • @Michael Heinen-Anders:

      Es gibt ja ein aufgrund des GG Art 20 II erlasssenes Wahlgesetz. Michael Heinen Anders hat recht! Wo bleibt denn das Abstimmungsgesetz? Vorschlag zur Güte: Alle Gesetze sollten nur unter dem Vorbehalt der Annahme durch Volksabstimmung in Kraft treten können!

      • @arizonac:

        es steht jeder Partei frei, die Verabschiedung eines Abstimmungsgesetzes auf ihre Fahnen zu schreiben und das im Fall des Wahlsieges auch prompt durchzuziehen (muss man ja heute dazu sagen...). Aber ob das genug Anklang findet, um damit die Wahl zu gewinnen, ist halt die Frage.

         

        Es gibt auch Argumente, die gegen Volksabstimmungen sprechen (außer der Katerstimmung nach dem Brexit-Referendum, meine ich): Ich habe auch ein essentielles Interesse daran und bin auch letztlich der einzig wahrhaft Verantwortliche dafür, dass z. B. meine Nieren mir nicht den Dienst versagen. Deshalb schneide ich mir aber nicht den Torso auf und fange an, an den Dingern rumzuwerkeln sondern gehe zum Arzt und lasse den seinen Job machen. Politik ist kein Stück weniger komplex (oder in unfähigen Händen lebensgefährlich) als Medizin. Warum also hier delegieren und da nicht?

         

        Das kann Jeder für sich entscheiden. Aber solange die Mehrheit im Großen und Ganzen doch lieber delegiert, statt sich der unmittelbaren Entscheidungsgewalt nicht nur ihrer selbst sondern auch ihrer gnaznelieben Mitbürger auszuliefern dann bleibt's halt bei der repräsentativen Demokratie.

  • Für mich ist die Linke alternativlos nicht alles gefällt mir haber zu 80% stimme ich zu.

  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    Sahra liegt - wie meistens - richtig. Sie hat das Zeug zur Kanzlerin. Lasst uns daran arbeiten.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @33324 (Profil gelöscht):

      Ihre "Sahra" mag meistens richtig liegen. Deshalb hat sie das Zeug zur Oppositionspolitikerin, nicht aber zur Kanzlerin. Dazu muss man erstmal zurechtgebogen worden sein.

  • 1G
    12671 (Profil gelöscht)

    Wenn ich irgendwann auf mein Leben zurückblicke, dann werde ich sagen: OK, meine Großeltern wuchsen im Umfeld der Nazis auf. Und ich wuchs kurz danach auf - als relativ rechtloses Wesen in einem anmaßenden Unrechtssystem, welches sich heuchlerisch Demokratie nannte.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @12671 (Profil gelöscht):

      Dann gehen Sie doch bitte stets zu allen Wahlen und machen dort die Kreuzchen an die richtige Stelle. Vielleicht ist dann bald Schluss mit diesem "anmaßenden Unrechtssystem, welches sich heuchlerisch Demokratie nannte."

    • 8G
      80576 (Profil gelöscht)
      @12671 (Profil gelöscht):

      Man könnte fast meinen, Sie wären lieber bei den Nazis aufgewachsen.

       

      Ich fühle mich in diesem Land sehr wohl. Ich hoffe nicht auf und glaube auch nicht an eine Kanzlerin Wagenknecht. Wie kann man nach all den gescheiterten sozialistischen Diktaturen dahingehende Hoffnungen hegen? Sozialismus endet notwendig in Unfreiheit. Anders ist Gleichheit mit Absolutheitsanspruch nicht zu haben. Wer dagegen jedem Menschen das Recht einräumt, sich frei nach Maßgabe seiner Fähigkeiten, Wünsche und Talente zu entwickeln, der kommt nicht umhin, Ungleichheiten zu akzeptieren. Es ist der ewige Irrtum der Linken, Gerechtigkeit mit Gleichheit zu identifizieren.

      • 1G
        12671 (Profil gelöscht)
        @80576 (Profil gelöscht):

        Interessant, dass sich Menschen in einem Land sehr wohl fühlen, in denen die Kinderarmutsrate über 25% liegt, in der immer mehr Waffen exportiert werden und in denen eine enorme Lücke zwischen Arm und Reich klafft.

         

        Ich halte auch nichts vom billigen Polarisieren der Extreme. Natürlich brauchen wir mehr Kommunismus, um den Auswüchsen des Kapitalismus zu begegnen (s.o.). Etwas mehr bedeutet aber nicht, dass es der reine Kommunismus sein soll.

         

        Aber wenn A 10 Millionen verdient, dann nur, weil B ihm dabei geholfen hat. Also verdient B einen größeren Teil von A. Hat nichts mit Kommunismus zu tun, sondern mit Fairness.

         

        Kennen Sie die Bedeutung von -ismen?

  • 1G
    12671 (Profil gelöscht)

    Wäre Frau Wagenknecht mit ihrem positivem Menschenbild doch nur unsere Kanzlerin... (keine Ironie).

     

    Negative Menschenbilder implizieren ein demagogisches Misstrauen der Politiker gegenüber just denselben Menschen, die sie gewählt haben.

  • Ich finde Fr. Wagenknecht einfach nur phantastisch - das kann ich von Thomas Roth nicht sagen:

    http://www.tagesschau.de/inland/wagenknecht-interview-101.html

  • "Da fehlt mir einfach das Vertrauen in meine lieben Landsleute, da ich nicht nur an Stammtischen einfach zu viele schlichte Gemüter getroffen habe." Diese Meinung hatte auch Thomas Roth in dieser Tagesthemen Sendung! Komisches Demokratieverständnis, finde ich.

    • @alma_matter:

      sorry, war weiter unten an stefan weinert gerichtet!

  • Wagenknechts Kalkül und Instrumentalisierungsabsicht sind unverkennbar.

  • Die Erfahrungen aus anderen Ländern oder gelegentlich aus unserer kommunalen Ebene zeigen, daß Referenda erstens ein ausgezeichnetes Mittel gegen Politikverdrossenheit sind und zweitens die Wähler sich (entgegen allen Befürchtungen) ausgesprochen verantwortungsvoll verhalten.

     

    Das Gegenmodell der Repräsentation des Wählers durch eine nur mäßig kompetente Politikerkaste, die in ihrer Entscheidungsfindung schon längst nicht mehr unabhängig ist, gerät dagegen immer mehr an seine Grenzen.

     

    Ich denke, daß Bildungsniveau und Informationsverfügbarkeit eine Schwelle erreicht haben, die eine Koexistenz von parlamentarischer und plebiszitärer Demokratie erlauben, ja sogar erfordern. Und natürlich wäre es sträflich, dieses Thema der AfD und der CSU zu überlassen.

    Insofern: „Vorwärts Frau Wagenknecht !“

  • Wie viele populistische Politiker sieht Frau Wagenknecht einen dicken Wurm, schnappt sofort zu und wundert sich dann später, wenn sie am Haken hängt.

     

    Mit Grausen sehe ich mögliche Abstimmungen gegen "Flüchtlingstsunami", Moscheen in deutschen Städten, Verschärfung von Gesetzen (vermutlich alle paar Wochen, bis das StGB einmal durch ist) etc.

     

    Denn in einem Punkt liegt Frau Wagenknecht richtig: Die Menschen haben (fast) alle und zu allem eine Meinung. Und die ändert sich oftmals so schnell, wie die Wetterlage. Sie muss nicht auf Fakten beruhen, keine eigenen Erfahrungen reflektieren, sie muss nicht einmal rational oder intelligent sein, auch die dümmste Meinung ist vom Grundgesetz geschützt.

     

    In einem anderen Punkt irrt Frau Wagenknecht dramatisch: Zum einen setzen die Politiker viele im Wahlkampf herausposaunten Utopien (oder Dystopien, je nach Sicht) nicht um, da es im Parlament zumeist um Mehrheiten und somit Konsen geht. Dies ist nach einer Volksabstimmung nicht möglich, da der Gesetzgeber in diesem Fall strikt an das Votum gebunden ist. Zum anderen kann ich einen "Wahlfehler" nach ein paar Jahren wieder korrigieren. Eine Volksabstimmung schafft jedoch Fakten auf Jahrzente, wenn nicht sogar für die Ewigkeit. Da fehlt mir einfach das Vertrauen in meine lieben Landsleute, da ich nicht nur an Stammtischen einfach zu viele schlichte Gemüter getroffen habe.

    • @Cerberus:

      Bin gespannt, an sich *Ihre Meinung zu Referenden ändern wird, "wie eine Wetterfahne".

       

      Es zeugt schon von viel Verblendung, dass immer nur die anderen danebenliegen sollen :)

    • @Cerberus:

      Wieso können Volksabstimmungen nicht auch nach einiger Zeit wiederholt werden, wenn dies eine erforderliche Menge fordert?

      Ich wüsste nicht, dass Referenden für die Ewigkeit gelten sollen.

    • 8G
      86548 (Profil gelöscht)
      @Cerberus:

      100 % Zustimmung. Was würde wohl passieren, wenn die AfD ein Referendum mit folgender Frage initiiert: Sollen weitere Flüchtlinge aufgenommen werden?

  • Viele Länder wurden auch gefragt, ob Sie den Euro wollen...

    aber doch nicht die deutschen Arbeitsdrohnen

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @HerrvonSinope:

      "Arbeitsdrohnen" gib es nicht.

      Informieren Sie sich doch einfach mal ein bisschen über die Organisation der Bienenvölker.

    • @HerrvonSinope:

      Genau drei Länder wurden gefragt. Und in Frankreich nur zwangsweise, da die Mehrheit im Parlament zu knapp war.

       

      "Viel" würde ich das nicht gerade bezeichnen.

      • @sart:

        Also genaugenommen wurden alle Länder gefragt, aber nur in drei gab es Volksabstimmungen. Ich nehme mal an, dass das gemeint war.